European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00146.17G.0829.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die Antragstellerin ist eine in England ansässige juristische Person. Das Erstgericht wies das Gesuch um Einverleibung ihres Eigentumsrechts unter anderem mit der Begründung ab, es liege ein Fall des unzulässigen Selbstkontrahierens vor. Die 1925 geborene Eigentümerin habe zwar eine Vollmacht unterfertigt, die ihren Sohn zur Veräußerung der Liegenschaft zur Gänze oder von Teilen davon berechtige. Der Vollmachtnehmer habe den Kaufvertrag aber zugleich als Geschäftsführer der Käuferin unterfertigt. Dieser Vorgang sei einer Selbstkontrahierung gleichzuhalten und durch die Vollmachtsurkunde nicht gedeckt, die auch keinen bestimmten (Mindest-)Verkaufspreis nenne.
Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Einverleibungsgesuchs aus diesem Grund, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Den Bewertungsausspruch begründete es mit einem Verweis auf § 60 Abs 2 JN und dem dreifachen Einheitswert für die Liegenschaft.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, der sich zwar zu Recht gegen den Bewertungsausspruch wendet, aber keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG anspricht.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2014, AZ G 135/2014, hat der VfGH die Wortfolge „60 Abs 2 JN“ in § 59 Abs 3 AußStrG idF BGBl I 111/2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit einem Betrag, der sich nach dem dreifachen Einheitswert für die Liegenschaft richtet, ist demnach unbeachtlich.
1.2 Im Hinblick auf den sich aus § 4 Abs 1 GrEStG 1987 (idF BGBl I 2014/36) ergebenden Bewertungsgrundsatz und den aus dem Kaufvertrag ersichtlichen Kaufpreis von 100.000 EUR (vgl dazu 5 Ob 179/14f) begründet der Ausspruch des Rekursgerichts, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige, auch eine offenbare Unterbewertung, die den Obersten Gerichtshof nicht bindet (vgl RIS-Justiz RS0109332 [T1]).
1.3 Die Antragstellerin hat daher zu Recht einen außerordentlichen Revisionsrekurs erhoben und keinen Antrag gemäß § 63 Abs 1 AußStrG eingebracht.
2. Das Grundbuchsgericht darf nach § 94 Abs 1 Z 2 erster Fall GBG eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten (hier: Eigentümerin) bestehen. Dazu zählen auch Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht dessen, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (RIS-Justiz RS0060604 [T16]; 5 Ob 49/15i mwN).
3.1 Sowohl die Doppel- oder Mehrfachvertretung, wenn also ein Vertreter für zwei (oder mehrere) Vertretene, für die er vertretungsberechtigt ist, ein Geschäft abschließt, als auch das Selbstkontrahieren im engeren Sinn werden nach
herrschender Terminologie unter dem Oberbegriff des Insichgeschäfts zusammengefasst (RIS-Justiz RS0019621).
Zur
grundbuchsrechtlichen Behandlung von
Insichgeschäften hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausführlich Stellung bezogen (5 Ob 179/09y; 5 Ob 39/10m ua).
3.2
Insichgeschäfte sind nur insoweit zulässig, als keine Interessenkollision droht und der Abschlusswille derart geäußert wird, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann (RIS‑Justiz RS0019684; RS0059793). Das Geschäft muss dem Vertretenen nur Vorteile bringen; es darf keine Gefahr der Schädigung des Vertretenen bestehen, es sei denn dieser erteilt ausdrücklich seine Zustimmung (vgl RIS-Justiz RS0038756; RS0028129). Soweit die Gefahr einer Interessenkollision droht, handelt der Machthaber bei Doppelvertretung ebenso wie bei
Selbstkontrahieren im engeren Sinn insoweit ohne Vertretungsmacht (RIS-Justiz RS0060604 [T11], 5 Ob 39/10m). Liegt daher dem äußeren Anschein nach eine unzulässige Doppelvertretung vor, darf das
Grundbuchsgericht eine den Machtgeber belastende Eintragung nur bewilligen, wenn der urkundliche Nachweis seiner Zustimmung vorliegt (RIS-Justiz RS0060604 [T2; T4]; Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht § 31 GBG Rz 80 mwN).
4. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass die Gefahr einer Interessenkollision mangels Bestimmung des Kaufpreises in der Vollmachtsurkunde zumindest der Größenordnung nach und im Hinblick auf die Relation zwischen Kaufpreis und des auf der Liegenschaft sicherzustellenden Höchstbetragspfandrechts nicht auszuschließen ist (5 Ob 35/95). Damit begründet es entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, wenn es wegen des Fehlens von Anhaltspunkten für den Kaufpreis in der Vollmacht in Zusammenschau mit dem Umstand, dass nach dem Kaufvertrag im Grundbuch sichergestellte Geldlasten in Anrechnung auf den Kaufpreis ohne tatsächliche Zahlung zur Schuldtilgung übernommen werden sollen, die Gefahr einer Interessenkollision erkannte. Nach der Urkundenlage besteht damit die Möglichkeit, dass an die Machtgeberin eine Geldzahlung von lediglich 483,15 EUR erfolgt, deren persönliche Haftung für die in Anrechnung auf den Kaufpreis übernommenen Geldlasten aber bestehen bleibt. Die Annahme des Rekursgerichts, damit bestünde die Gefahr von deren Schädigung, was der begehrten Eintragung ohne deren ausdrücklicher Zustimmung entgegen stehe, ist damit keineswegs unvertretbar.
5. Soweit die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs das Fehlen von Feststellungen zur Angemessenheit des Kaufpreises und zur Bedenklichkeit der Zahlungsmodalitäten releviert, lässt sie außer Acht, dass das Grundbuchsverfahren nach Rechtsprechung und Lehre ein reines Urkundenverfahren ist, in dem in der Regel nur der Grundbuchstand und die vorgelegten Urkunden zu beachten sind (RIS-Justiz RS0081755 [T4]; RS0040040 [T1]; G. Kodek in Kodek aaO § 94 GBG Rz 2; Rassi, Grundbuchsrecht² Rz 358). Insoweit kommt auch ein von ihr gefordertes Verbesserungsverfahren nicht in Betracht.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).
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