European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E122093
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.369,70 EUR (darin 394,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin begehrte [1.], den Beklagten schuldig zu erkennen, [a.] in die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechts an bestimmten Anteilen einer Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top 17 und dem Kfz‑Abstellplatz 7, einzuwilligen, und [b.] in die Einverleibung des Wohnungseigentums auf Grundlage des einen Bestandteil des Urteils bildenden Wohnungseigentumsvertrags für die im B-Blatt der Liegenschaft im Zusammenhang mit der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG angemerkten Wohnungseigentumsbewerber an den genannten Wohnungseigentumsobjekten in ihrem jeweiligen Rang einzuwilligen. In eventu begehrte die Klägerin [2.], [a.] den Kaufvertrag vom 31. 5. 2011 über den Erwerb von vorläufigen Miteigentumsanteilen, mit denen nach der Wohnungseigentumsbegründung untrennbar das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 17 bzw dem Kfz‑Abstellplatz 7 verbunden sein werde, neuerlich in grundbuchsfähiger Form zu unterschreiben, und [b.] den Wohnungseigentumsvertrag hinsichtlich der Liegenschaft gemäß einer bestimmten einen Bestandteil dieses Urteils bildenden Urkunde in grundbuchsfähiger Form zu unterschreiben. Der Beklagte habe sich in den Kaufverträgen vom 31. 5. 2011 verpflichtet, alles Zumutbare, was zur ehestmöglichen Begründung von Wohnungseigentum an allen Teilen des Hauses erforderlich und möglich sei, zu tun und zu gestatten. Er habe sich verpflichtet, gemeinsam mit den sonstigen Liegenschaftseigentümern bzw Wohnungseigentumswerbern, Wohnungseigentum zu begründen. Der Entwurf eines Wohnungseigentumsvertrags sei den Kaufverträgen als Beilage angeschlossen worden. Der im Urteilsbegehren genannte Wohnungseigentumsvertrag entspreche inhaltlich jenem, zu dem der Beklagte bereits seine Zustimmung erteilt habe. Die Vertragsbestimmungen seien nicht gröblich benachteiligend, sie widersprächen auch nicht § 38 WEG oder dem KSchG.
Der Beklagte wandte – soweit im Rekursverfahren von Interesse – ein, einzelne (konkret bezeichnete) Bestimmungen des Wohnungseigentumsvertrags seien gröblich benachteiligend und sittenwidrig. Nichtig sei insbesondere die Klausel 19.1., nach der der Beklagte auf seine baurechtlichen Nachbarrechte im Zusammenhang mit den Nachbarliegenschaften verzichte. Der Vorausverzicht sei unbestimmt und für den Beklagten gröblich benachteiligend. Diese Klausel widerspräche auch § 38 WEG, weshalb der Beklagte die Unterfertigung des Entwurfs des Wohnungseigentumsvertrags ablehnen könne.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur neuerlichen Unterzeichnung der Kaufverträge in grundbuchsfähiger Form [Eventualbegehren 2.a.]. Das Mehrbegehren auf Einwilligung zur Einverleibung des Miteigentums [Hauptbegehren 1.a.] und Wohnungseigentumsbegründung [Hauptbegehren 1.b.] sowie auf Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrags [Eventualbegehren 2.b.] wies das Erstgericht ab. Der Wohnungseigentumsvertrag enthalte in Punkt 19.1. einen Vorausverzicht aller Wohnungseigentümer auf ihre Verfahrensrechte in allfälligen Bauverfahren, die bestimmte Nachbarliegenschaften beträfen. Ein derartiger Vorausverzicht bilde eine unbillige Beschränkung der Verfügungsrechte der Wohnungseigentümer und sei sachfremd in den Wohnungseigentumsvertrag aufgenommen. Diese Bestimmung sei daher jedenfalls unwirksam iSd § 38 WEG. Eine einzige gesetzwidrige bzw unwirksame Klausel befreie den Beklagten daher von der mit den Kaufverträgen vom 31. 5. 2011 übernommenen Verpflichtung, den Wohnungseigentumsvertrag zu unterschreiben. Die Voraussetzungen für die grundbücherliche Einverleibung des Wohnungseigentums lägen damit nicht vor, weil weder ein Wohnungseigentumsvertrag aller Miteigentümer noch eine gerichtliche Entscheidung nach § 43 WEG vorliege. Es seien daher sowohl das Haupt- als auch der zweite Punkt des Eventualbegehrens abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil der Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung der Klägerin teilweise Folge. Die Abweisung der Hauptbegehren bestätigte das Berufungsgericht als Teil-Urteil. In Ansehung des zweiten Punktes des Eventualbegehrens hob es das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf. Das Hauptbegehren sei unschlüssig. Die Kaufverträge, zu deren Unterzeichnung der Beklagte in erster Instanz – unbekämpft und somit rechtskräftig – verpflichtet worden sei, enthielten grundsätzlich die Verpflichtung des Beklagten, die für die Wohnungseigentumsbegründung erforderlichen Unterschriften zu leisten. Der Beklagte habe als Vertragspartner des Wohnungseigentumsvertrags Anspruch darauf, dass der Vertragsentwurf keine Bestimmungen enthalte, die gegen gesetzliche Verbote verstoßen und könne die Unterfertigung derartiger Vertragsentwürfe ablehnen. Das Erstgericht habe lediglich einen der Einwände des Beklagten, nämlich dass Punkt 19.1. gegen § 38 Abs 1 WEG verstoße, geprüft, und nur zu dieser Vertragsklausel ausreichende Tatsachenfeststellungen getroffen. Das Berufungsgericht sei daher auf die Prüfung dieses Einwands beschränkt. Der in der Klausel 19.1. des Wohnungseigentumsvertrags thematisierte wechselseitige Verzicht auf Einsprüche, Einwendungen, Rechtsmittel in Bauverhandlungen, die der Beklagte zur Kenntnis nehmen solle, diene offenkundig dem Zweck der Beschleunigung der Fertigstellung der Bauvorhaben auf benachbarten Liegenschaften. Eine iSd § 38 WEG entsprechende Einschränkung von Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten, die einer vernünftigen Interessenabwägung entgegenstünden, könne allein darin nicht erkannt werden. Vorbringen inwieweit diese Klausel tatsächlich zu gravierenden Nachteilen des Beklagten führen könne, sei nicht erstattet worden. Die Abweisung des zweiten Punktes des Eventualbegehrens mit dieser Begründung sei daher zu unrecht erfolgt. Das angefochtene Urteil sei daher insoweit aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach – allfälliger – Verhandlung über die übrigen Einwände des Beklagten aufzutragen.
Das Rekursgericht erklärte den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss für zulässig. Es gebe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier entscheidungsrelevanten Frage, ob auch eine Vertragsklausel in einem Wohnungseigentumsvertrag, die zu keiner Einschränkung der Nutzung der Substanz des Wohnungseigentumsobjekts oder allgemeiner Teile des Hauses und keiner Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer untereinander oder im Verhältnis zum Wohnungseigentumsorganisator führt, unter die Nichtigkeitssanktion des § 38 Abs 2 WEG fallen könne.
Mit seinem – unrichtig als Revisionsrekurs bezeichneten – Rekurs beantragt der Beklagte, die Entscheidung des Berufungsgerichts über den zweiten Punkt des Eventualbegehrens [2.b.] abzuändern und die Entscheidung des Erstgerichts insofern wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht zulässig.
1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Rekurses an den Ausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Der Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt (§ 519 Abs 2 ZPO iVm § 502 ZPO). Das ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung des Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
2. Gegenstand des Rekursverfahrens ist das auf die Kaufverträge vom 31. 5. 2011 gestütze Eventualbegehren [2.b.] auf grundbuchstaugliche Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrags.Der Beklagteverpflichtete sich in diesen Kaufverträgen, gemeinsam mit den anderen Miteigentümern bzw Wohnungseigentumsbewerbern Wohnungseigentum für die Liegenschaft und an den wohnungseigentumstauglichen Objekten zu begründen und gegenüber den Verkäufern und allen künftigen Miteigentümern alle zur Bestimmung und Berichtigung der Miteigentumsanteile sowie zur Errichtung des Wohnungseigentumsvertrags und dessen grundbücherlicher Durchführung erforderlichen Urkunden ohne Säumnis in der jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Form zu unterfertigen, der verkaufenden Partei zur Verfügung zu stellen sowie alle sonst notwendigen Erklärungen über Aufforderung der verkaufenden Partei abzugeben. Daraus leiteten die Klägerin und die Vorinstanzen die Verpflichtung des Beklagten ab, den zur Grundlage des Eventualbegehrens gemachten, dem den Kaufverträgen angeschlossenen Entwurf entsprechenden Wohnungseigentumsvertrag in grundbuchsfähiger Form zu unterschreiben. Diese Verpflichtung und die Aktivlegitimation der Klägerin in Bezug auf den dazu korrespondierenden Anspruch sind im Rekursverfahren nicht strittig.
3. Einzige im Rekursverfahren strittige und von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilte Frage ist, ob (schon allein) die im Wohnungseigentumsvertrag enthaltene Vertragsbestimmung Punkt 19.1. [„XIX. Einsprüche Bauverfahren] über den Verzicht auf Einsprüche, Einwendungen, Rechtsmittel in Bauverfahren, die bestimmte Nachbarliegenschaften betreffen, nach § 38 WEG als nichtig und unwirksam zu qualifizieren ist und daher den Beklagten von der Verpflichtung befreit, den Wohnungseigentumsvertrag zu unterschreiben. Wenn das Berufungsgericht meint, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der weiteren Einwände des Beklagten noch nicht genügend geklärt ist, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179).
4. Ein Vertragspartner hat grundsätzlich Anspruch darauf, dass ein Vertragsentwurf keine Bestimmungen enthält, die entweder gegen bereits bestehende Vereinbarungen oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Er kann daher die Unterfertigung derartiger Entwürfe ablehnen (RIS-Justiz RS0017260). Es soll niemand in die Lage gebracht werden, sich auf die Rechtsunwirksamkeit einer von ihm selbst unterschriebenen Vertragsklausel berufen zu müssen (RIS‑Justiz RS0083111 [T1]). Das gilt auch für den Wohnungseigentumsvertrag; enthält dieser rechtsunwirksame Bestimmungen besteht keine Pflicht des beklagten Wohnungseigentumsbewerbers zur Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrags und dessen Zustimmung kann auch nicht durch Urteil ersetzt werden (vgl 5 Ob 37/13x).
5. Nach der Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG sind Vereinbarungen oder Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken, rechtsunwirksam. § 38 WEG richtet sich gegen die Aufhebung oder Beschränkung der einem Wohnungseigentümer gesetzlich zustehenden Nutzungsrechte oder Verfügungsrechte (RIS-Justiz RS0083359), wobei die Einschränkung durch die wirtschaftliche, organisatorische und wissensmäßige Übermacht des Wohnungseigentumsorganisators begründet ist (5 Ob 185/98m = RIS-Justiz RS0083359 [T1]). Voraussetzung der Rechtsunwirksamkeit einer Vereinbarung gemäß § 38 WEG ist, dass dadurch eine unbillige, einer vernünftigen Interessenabwägung widersprechende Beschränkung von Nutzungs- und Verfügungsrechten der Wohnungseigentümer bewirkt wurde (5 Ob 246/09a = RIS-Justiz RS0083359 [T2]). Die Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG bezieht sich also nur auf unbillige, einer vernünftigen Interessenabwägung widersprechende Aufhebungen und Beschränkungen, nicht aber auch auf solche, die ein Wohnungseigentumsbewerber auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich nehmen würde (RIS-Justiz RS0083371). Wer sich auf die Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG (und nicht auf eine der in § 38 Abs 1 WEG aufgezählten Vertragstypen) stützt, den trifft die Beweislast, dass eine konkrete Vereinbarung als unbillige Aufhebung oder Beschränkung der Rechte des Wohnungseigentumsbewerbers unter die Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG fällt (4 Ob 576/80 = RIS-Justiz RS0040166 [T1]).
6. Ob eine konkrete Vereinbarung als unbillige Aufhebung oder Beschränkung der Rechte des Wohnungseigentumsbewerbers unter die Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG fällt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl 5 Ob 152/16p). Dieser Frage kommt daher in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 ZPO zu (RIS-Justiz RS0021095). Eine aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende auffallende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt hier nicht vor. Dieses hat die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen der Rechtsunwirksamkeit einer Vereinbarung gemäß § 38 Abs 1 WEG entwickelten Grundsätze zutreffend dargestellt und auf den vorliegenden Einzelfall jedenfalls vertretbar angewandt. Es kann zwar auch der Wohnungseigentumsvertrag nach § 38 WEG zu beurteilen sein (5 Ob 223/05p; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, WEG4 § 38Rz 1). Bei dem mit der inkriminierten Bestimmung überbundenen Verzicht geht es aber um das Recht eines Dritten, das bereits im Jahr 2010 begründet wurde, sodass zwischen dem Abschluss des Verzichtsvertrags mit dem Eigentümer der Nachbarliegenschaften und der Veräußerung der Liegenschaft und der Vorbereitung der Wohnungseigentumsbegründung kein unmittelbarer zeitlicher Konnex besteht. Angesichts der Rechtsstellung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren und seiner subjektiv-öffentlichen Rechte sind die Folgen eines Verzichts auf Einsprüche, Einwendungen, Rechtsmittel in Bauverhandlungen für einen derart Verzichtenden im Allgemeinen weder unüberschaubar noch so gravierend, dass dieser den Rahmen des Verkehrsüblichen verlässt und eine unbillige, jeder vernünftigen Interessensabwägung widersprechende Beschränkung der dem Wohnungseigentümer nach dem Gesetz zustehenden Verfügungsrechte bedeutet. Dies umso mehr, als aufgrund der vereinbarten Wechselseitigkeit auch die Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft grundsätzlich spiegelbildlich den selben Vorteil – wie das Berufungsgericht zutreffend festgehalten hat, ist das in erster Linie die Beschleunigung der Baubewilligungsverfahren – daraus ziehen. Ein Vorbringen dazu, dass und inwiefern dies im konkreten Fall anders sei und dieser von ihm anzuerkennende und genehmigende Verzicht tatsächlich zu gravierenden Nachteilen des Beklagten führen könnte, hat der Beklagte im Verfahren vor dem Erstgericht nicht erstattet.
7. Der Rekurs ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 519 Abs 2 ZPO iVm § 502 ZPO zurückzuweisen.
8. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet auch hier ein Kostenersatz statt, wenn – wie hier – der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0123222, RS0035976 [T2]).
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