European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00040.22A.0601.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Erstantragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Antragsgegnerin, eine Bauvereinigung nach dem WGG, plante und errichtete als Bauberechtigte auf der Liegenschaft EZ * mit dem Grundstück Nr 427/1 (insgesamt 7.718 m²) eine aus insgesamt vier Wohnhäusern bestehende Wohnhausanlage. Die Gebäude wurden in den Jahren 2009 bis 2013 fertiggestellt. Die vier Wohnhäuser mit je zwölf Wohnungen samt Grünflächen sind architektonisch (mit nur geringen baulichen Abweichungen) annähernd gleich ausgestattet und im Wesentlichen gleich groß. Alle vier Wohnhäuser befinden sich auf dem Grundstück Nr 427/1, sind baulich voneinander getrennt, aber durch auf dem Grundstück verlaufende Wege miteinander verbunden. Sämtliche Gebäude werden über eine zentrale Heizungsanlage im Haus „C“ beheizt, das zuerst (im Jahr 2009) fertig gestellt war; sonst werden sie getrennt versorgt (Wasser/Strom). Förderungen nach dem NÖ WFG 2005 erfolgten hinsichtlich der einzelnen Wohnhäuser gesondert.
[2] Im Dezember 2006 beantragte die Antragsgegnerin für das „Objekt 1182, 12 Wohneinheiten (...) Haus C, 1. BA“ eine Grundsteuerbefreiung (Beil ./16). Mit Bescheid vom 17. April 2018 bewilligte die Stadtgemeinde * für den Zeitraum 1. Jänner 2010 bis 31. Dezember 2029 auf der Grundlage des NÖ WFG 2005 eine Grundsteuerbefreiung „für die Liegenschaft EZ *, Grundstück Nr. 427/1“. Für den Zeitraum 1. Jänner 2010 bis 31. Dezember 2011 bemaß sie diese mit 54 %, für 1. Jänner 2012 bis 31. Dezember 2012 mit 26,93 % und im Zeitraum 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2029 mit 17,09 %. Die Grundsteuerbefreiung wurde wegen der nachfolgenden Errichtung der weiteren drei Häuser der Wohnhausanlage, die keiner Grundsteuerbefreiung unterlagen, reduziert (Beil ./F). Für den Zeitraum bis zur Bescheiderlassung 2018 errechnete sich eine Gutschrift aus der Grundsteuerbefreiung von insgesamt 6.911,92 EUR (Beil ./L). Bereits zu Beginn des Jahres 2018 wurden die Grundsteuervorschreibungen der letzten fünf Jahre neu aufgerollt, woraus sich für die Liegenschaft eine Nachzahlung von 15.650 EUR ergab (Beil ./E).
[3] Die Betriebskosten wurden für die Wohnhausanlage – soweit eindeutig zuordenbar – getrennt nach Bauabschnitten abgerechnet, sonst werden sie im Verhältnis der Nutzwerte aufgeteilt (Haus „C“ = 1124, Haus „D“ = 1129, Haus „B“ = 1131 und Haus „A“ = 1128). Die Antragsgegnerin schrieb die Grundsteuer „seit jeher und auch im Jahr 2018“ im Verhältnis der Nutzwerte aller Objekte zu der auf die gesamte Liegenschaft entfallenden Steuerlast vor. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und allen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten über einen von § 16 WGG abweichenden Aufteilungsschlüssel gibt es nicht. Auch im Jahr 2018 wurde die durch Bescheid festgelegte Grundsteuer nach diesem Schlüssel rechnerisch richtig auf die einzelnen Wohnhäuser aufgeteilt. Für das Haus „C“ ergab sich für das Jahr 2018 eine Belastung durch Grundsteuer im Rahmen der Betriebskosten von 3.253,09 EUR.
[4] Die Antragsteller sind Mieter im zuerst fertiggestellten Haus „C“.
[5] Die Antragsteller begehrten, die von der Antragsgegnerin in der Betriebskostenabrechnung verrechnete Grundsteuer zu überprüfen und die Vermieterin zur Rückzahlung der Überschreitungsbeträge zu verpflichten. Wegen der baulichen Trennung und der nicht gleichzeitigen Errichtung der vier Wohnhäuser seien für die Grundsteuer abgesonderte Abrechnungseinheiten zu bilden. Nur wegen der (mit 1. Jänner 2011 in Kraft getretenen) Novellierung des NÖ WFG, mit der die Möglichkeit einer solchen Grundsteuerbefreiung aufgehoben wurde, sei die teilweise Grundsteuerbefreiung wegen der „rechtzeitigen“ Fertigstellung des von ihnen bewohnten Gebäudes „C“ gewährt worden. Aus diesem Grund könne nur dieses Objekt in den Genuss der Grundsteuerbefreiung gelangen; auch unter Berücksichtigung der späteren Grundsteuernachforderung entspreche das der Billigkeit.
[6] Die Antragsgegnerin wendete ein, die nicht nach Bauabschnitten getrennt vorgeschriebene Grundsteuer müsse – wie allgemein – auf die gesamte Liegenschaft aufgeteilt werden. Die Grundsteuer falle liegenschaftsbezogen an; eine Zuordnung zu einem der Häuser sei nicht möglich.
[7] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[8] Ein Abweichen vom Grundsatz der Einheit der Grundbuchseinlage hinsichtlich der für die gesamte Liegenschaft vorgeschriebenen Grundsteuer bzw von deren Gutschrift sei hier nicht geboten; die vier auf dem Grundbuchskörper errichteten Wohnhäuser seien eine einheitliche Wohnhausanlage. Mit der Novellierung des NÖ Wohnungsförderungsgesetzes 2005 zum 1. Jänner 2011, LGBl 8302‑3, sei die Möglichkeit einer Grundsteuerbefreiung weggefallen; eine fiktive Berechnung einer Steuerbefreiung nur für das Haus „C“ führte aber zu einer Divergenz zwischen den so ermittelten und den tatsächlich durch Bescheid festgelegten Abgabenschulden für die Wohnhausanlage; außerdem sei die auf das Haus „C“ entfallende Steuerlast durch die Aufteilung auf alle Objekte absolut betrachtet gesunken.
[9] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erstantragstellers teilweise Folge und stellte fest, dass die Antragsgegnerin bei der Vorschreibung der Betriebskosten des Jahres 2018 für „Grundsteuer“ den Antragstellern gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß im Umfang der auf sie entfallenden Betriebskostenanteile für den Zeitraum bis zur Fertigstellung der gesamten Anlage (im Jahr 2013) um insgesamt 1.358,84 EUR überschritten habe. Die Steuergutschrift für die Zeit bis zur Fertigstellung des zweiten Hauses im Juni 2011 betreffe allein das Haus „C“, weil damals ein anderes noch nicht existiert habe; erst nach der Fertigstellung des vierten Hauses (ab 18. Juli 2013) verteile sich die für die gesamte Liegenschaft gewährte Gutschrift im Verhältnis der Nutzwerte aller vier Häuser, während für die zeitlich davor liegenden Zeiträume (des dritten und vierten Bauabschnitts) eigene Abrechnungseinheiten zu bilden und die anteilige Gutschrift auf die damals existierenden Häuser aufzuteilen sei. Durch die [rechnerisch näher aufgeschlüsselte, im Revisionsrekursverfahren ihrer Ermittlung und Berechnung nach nicht in Zweifel gezogene] Verrechnung einer geringeren Gutschrift für das Haus „C“ sei daher das gesetzliche Zinsausmaß für die Antragsteller um insgesamt 1.358,84 EUR überschritten worden.
[10] Nachträglich ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die förderrechtliche Begünstigung eines von mehreren auf einer Liegenschaft errichteten Gebäuden einer Gleichstellung aller auf dem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke entgegenstehe.
[11] Der Erstantragsteller beantragt in seinem Revisionsrekurs die Abänderung dahin, dass die gesamte Grundsteuergutschrift von 6.911,92 EUR nur dem Haus „C“ zugute komme und daher in diesem Umfang bei Vorschreibung der Betriebskosten des Jahres 2018 eine Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes festgestellt werde.
[12] Die Antragsgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 3 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig.
[14] 1.1 Grundsätzlich sind gemäß § 16 Abs 1 WGG die Gesamtkosten des Hauses nach den Nutzflächen verhältnismäßig auf alle in Bestand gegebenen Räumlichkeiten des Hauses aufzuteilen. Das WGG definiert den Begriff „Haus“ selbst nicht. § 16 Abs 1 WGG regelt aber ähnlich wie § 17 Abs 1 MRG grundsätzlich die Verteilung der Betriebskosten nach Nutzflächen; daher kann – soweit es den gesetzlichen Nutzflächenschlüssel betrifft – zur Definition des auch in § 16 WGG verwendeten Begriffs „Hauses“ auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 17 MRG zurückgegriffen werden (5 Ob 151/14p = RIS‑Justiz RS0129714).
[15] 1.2 Nach der Rechtsprechung zu § 17 Abs 1 MRG ist der Begriff des „Hauses“ zwar nicht strikt liegenschaftsbezogen zu sehen, weshalb bei der Auslegung dieses Begriffs der Verkehrsanschauung mehr Bedeutung zukommt als dem Prinzip der Einheit der Grundbuchseinlage. Grundsätzlich ist aber auf die Liegenschaft, also auf den Grundbuchskörper abzustellen (RS0069823 [T1]). Unter „Haus“ sind zwar in der Regel alle vermietbaren Teile eines Grundbuchskörpers zu verstehen. Doch ist eine Ausnahme von dieser Regel in den Fällen zu machen, in denen mehrere abgesonderte Gebäude vorhanden sind, die zueinander nicht im Verhältnis von Haupt‑ und Nebensache stehen und von denen jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Sache bildet, sodass die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Gleichstellung aller auf einem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke unbillig erscheinen lassen (RS0069949; RS0079849). Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung, ob mehrere Gebäude auf einer Liegenschaft gesondert abgerechnet werden dürfen, sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs insbesondere ihr Alter, ihre bauliche Trennung, ihr Erhaltungszustand und die Lage der Versorgungsleitungen (RS0067347 [T4]; RS0069823 [T5]). Es müssen aber nicht sämtliche Kriterien vorliegen (RS0069823 [T6]); es handelt sich um eine typische Einzelfallbeurteilung (5 Ob 220/18s mwN).
[16] 2.1 Die angefochtene Entscheidung steht mit diesen Grundsätzen im Einklang und der Revisionsrekurs zeigt keine Überschreitung des dem Rekursgericht bei dieser Beurteilung im Einzelfall zukommenden Ermessensspielraums auf: Sämtliche der vier als einheitliche Wohnanlage geplanten Häuser sind architektonisch und in ihrer Größe im Wesentlichen gleich, auch der Altersunterschied ist gering. Aus welchem Grund das zuerst errichtete Haus „C“ im Verhältnis zu den drei anderen der Wohnhausanlage eine wirtschaftlich selbständige Sache sein sollte, oder dass die Verweigerung getrennter Abrechnungseinheiten unbillig wäre, wird im Rechtsmittel nur behauptet und nicht näher begründet. Entgegen der Rechtsansicht des Erstantragstellers lässt sich – abgesehen von dem vom Rekursgericht in seiner Entscheidung berücksichtigten Zeitraum bis zur vollständigen Errichtung der gesamten Wohnhausanlage – im Gegenteil kein Argument dafür finden, dass die Gutschrift aus der Steuerbefreiung allein den Nutzungsberechtigten des zuerst errichteten Gebäudes zugute kommen müsste.
[17] 2.2 Gemäß § 17 NÖ Wohnungsförderungs-gesetz 2005, LGBl 8304-0, hatte die Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen für geförderten Wohnraum auf Antrag eine zeitlich befristete Grundsteuerbefreiung zu gewähren, wobei das Ausmaß und die Berechnung dieser Befreiung detailliert geregelt war. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2011 wurde diese Bestimmung aufgehoben (LGBl 8304-3). Auch diesen Umstand beachtete das Rekursgericht in seiner Entscheidung, indem es die antragsgemäß von der Stadtgemeinde bewilligte Steuerbefreiung jeweils anteilig (auch) für das zuerst errichtete Haus „C“ in Abzug brachte. Dem Argument der Antragsteller, wegen des Errichtungszeitpunkts vor der Novellierung habe die Steuerbefreiung ausschließlich den Nutzungsberechtigten des Hauses „C“ zugute zu kommen, hielt bereits das Rekursgericht die Tatsache entgegen, dass die Steuerbefreiung schließlich für die Liegenschaft (bzw die gesamte Wohnhausanlage, von der zunächst nur eines und in der Folge die drei weiteren Gebäude errichtet wurden) bewilligt wurde; so lautet auch ausdrücklich der Bescheid vom 17. April 2018. Im Übrigen ist schon dem Antrag der Antragsgegnerin zu entnehmen, dass es sich bei dem zuerst errichteten Gebäude, für das sie die Steuerbefreiung beantragte, um den „ersten Bauabschnitt“ handelte.
[18] 2.3 Die vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage, ob eine förderungsrechtliche Begünstigung (nur) eines von mehreren auf einer Liegenschaft errichteten Gebäuden einer Gleichstellung aller auf dem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke entgegenstehe, stellt sich nicht, weil eine solche Begünstigung nur eines Gebäudes hier gerade nicht stattgefunden hat, sondern die von der Antragsgegnerin beantragte Grundsteuerbefreiung für die gesamte Liegenschaft gewährt wurde. Damit erübrigen sich auch weitere Erörterungen zur Behauptung der Revisionsrekurswerber, wegen der Anknüpfung dieser Grundsteuerbefreiung an die Wohnbauförderung sei zwischen geförderten und nicht geförderten Gebäuden zu unterscheiden, denn dies steht im Widerspruch dazu, dass eine einheitliche Wohnhausanlage vorliegt.
[19] 2.4 Die vom Rekursgericht ermittelten Beträge zieht der Revisionsrekurswerber der Höhe und der Art ihrer Berechnung nach nicht in Zweifel.
[20] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (vgl RS0112296).
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