OGH 5Ob38/22g

OGH5Ob38/22g21.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*, 2. H*, ebenda, beide vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei J*, vertreten durch Linsinger & Partner, Rechtsanwälte OG in St. Johann im Pongau, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert 14.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2021, GZ 53 R 198/21f‑18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 29. Juli 2021, GZ 15 C 341/20y‑12, abgeändert wurde den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00038.22G.0421.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.119,44 EUR (darin 186,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind je zur Hälfte, der Beklagte alleine Eigentümer von Liegenschaften, die zuvor im ideellen Miteigentum ihrer Rechtsvorgänger gestanden hatten. Das Miteigentum wurde durch einen Realteilungsvertrag der Rechtsvorgänger am 8. 2. 1994 aufgehoben, an der Bewirtschaftung der einzelnen Grundstücke der Liegenschaften änderte sich dadurch nichts. Strittig ist die Benützung des sogenannten „E*wegs“, der zu Beginn über im Alleineigentum des Beklagten stehende Grundstücke und im weiteren Verlauf zu Grundstücken der Kläger führt. Hinsichtlich dieses Almwegs war es noch vor der Realteilung im Jahr 1987 aufgrund eines Übereinkommens der damaligen Rechtsvorgänger der Streitteile zur Begründung eines land‑ und forstwirtschaftlichen Bringungsrechts gekommen. Tatsächlich nutzten die Rechtsvorgänger der Streitteile und auch diese selbst den Almweg für land‑ und forstwirtschaftliche Zwecke, zum Viehtrieb, für jagdliche und für Freizeitzwecke.

[2] Die Kläger begehren die Feststellung der Dienstbarkeit des unbeschränkten Geh‑ und Fahrtrechts mit Fahrzeugen aller Art und des Viehtriebs auf diesem in der Natur ersichtlichen Weg im näher bezeichneten Umfang sowie die Einverleibung dieser Dienstbarkeit.

[3] Das Erstgericht gab der Klage statt. Da die im Begehren angeführten Grundstücke des Beklagten vom Beginn des Bestehens des E*wegs (1987/1988) bis zum Zeitpunkt der Realteilung im Jahr 1994 offenkundig durch Wegeanlage und Verkehr den Liegenschaften der Kläger gedient hätten und sich nach Realteilung daran nichts geändert habe, sei unmittelbar durch den Übertragungsakt eine außerbücherliche Dienstbarkeit entstanden.

[4] Das Berufungsgericht wies die Klagebegehren ab. Im Rahmen umfassender rechtlicher Prüfung sei aufzugreifen, dass die Grundsätze der sogenannten „Eigentümerservitut“ bei der hier zu beurteilenden Realteilung nicht anzuwenden seien, weil die Aufschließung durch den Almweg als Bringungsanlage nach dem Salzburger Güter‑ und SeilwegeG 1970 (GSG) erfolgt sei. Damit scheide auch die schlüssige Einräumung einer Wegeservitut oder einer Dienstbarkeit des Viehtriebs durch die Nutzung nach Abschluss des Realteilungsvertrags aus. Im Übrigen könne die vom Erstgericht festgestellte Nutzung durch die Kläger und ihre Rechtsvorgänger nicht zur Begründung einer Dienstbarkeit des unbeschränkten Geh‑ und Fahrtrechts mit Fahrzeugen aller Art auf diesem Weg führen. Zwar könne eine nur beschränkte Dienstbarkeit nach jüngerer Rechtsprechung gegenüber der begehrten unbeschränkten ein Minus bilden; gerade hier sei aber nicht erkennbar, dass die Kläger auch an der Bestimmung einer eingeschränkten Dienstbarkeit ein Interesse hätten, sodass selbst für den Fall, dass durch den Übertragungsakt eine außerbücherliche Dienstbarkeit entstanden sein sollte, eine nur teilweise Klagestattgebung nicht in Betracht komme.

[5] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR übersteigend. Die ordentliche Revision ließ es zu. Der Oberste Gerichtshof sei noch nicht mit der Frage befasst gewesen, ob die Grundsätze des Entstehens einer außerbücherlichen „Eigentümerservitut“ auch dann gelten, wenn es sich bei einem zum Teil über fremden Grund führenden Weg um eine Bringungsanlage handelt. Hiezu stelle sich auch die von der Rechtsprechung noch nicht behandelte Frage, ob beim Begehren auf Feststellung und der Einverleibung der Dienstbarkeit eines unbeschränkten Geh‑ und Fahrtrechts eine nur teilweise Klagestattgebung in Betracht komme.

[6] Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, in der sie die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils anstreben, hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[7] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0088931).

[9] 2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Die Revisionswerber meinen, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts bezüglich der Entstehung der Dienstbarkeit bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften, von denen eine offenkundig der anderen diene, sei (auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs mit einer Bringungsanlage) in der Berufung unangefochten geblieben. Die im Fall einer gesetzesgemäß ausgeführten Rechtsrüge notwendige umfassende („allseitige“) Überprüfung im Instanzenzug (vgl RS0043352) kennt zwar Ausnahmen. Sie betrifft aber nur Fälle, in denen sich das Rechtsmittel nur noch auf eine von mehreren selbständigen Forderungen oder Gegenforderungen bezieht oder ein Anspruch aus mehreren selbständigen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet oder bestritten wird und sich die Rechtsausführungen nur auf eine dieser Tatsachen beziehen (RS0043338; vgl auch Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 503 Rz 137). Dass die Nutzung des Almwegs durch die Kläger und ihre Rechtsvorgänger auf der Einräumung des Bringungsrechts beruhte und dessen Umfang ausschließlich durch den Bescheid der Agrarbehörde bestimmt sei, hat der Beklagte aber eingewendet. Auch die Bestreitung der Offenkundigkeit der behaupteten Dienstbarkeit hat er damit begründet. Von einem „selbständigen Teilbereich“ (vgl RS0043573), den das Berufungsgericht nicht im Rahmen allseitiger rechtlicher Prüfung aufgreifen hätte dürfen, kann daher keine Rede sein.

[10] 3.1. Zur ersten Zulassungsfrage argumentieren die Revisionswerber damit, der Almweg sei nach den Feststellungen nicht nur für land‑ und forstwirtschaftliche, sondern auch für jagdliche und Freizeitzwecke genutzt worden, weshalb eine „entsprechende Offenkundigkeit der Dienstbarkeit vorliege“. Das eingeräumte Bringungsrecht werde durch die Einräumung eines unbeschränkten Geh‑ und Fahrtrechts und des Rechts des Viehtriebs nur ergänzt, die begehrte Dienstbarkeit bilde dazu ein Plus. Aus diesen Gründen seien die Grundsätze der „Eigentümerservitut“ anzuwenden.

[11] 3.2. Auf diese Argumentation und auch die diesbezügliche Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts ist nicht näher einzugehen, weil es darauf für die rechtliche Beurteilung nicht ankommt. Selbst wenn man – mit dem Erstgericht und den Revisionswerbern – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von einer Anwendbarkeit der Grundsätze der sogenannten „Eigentümerservitut“ auch in einem Fall ausginge, in dem die hiefür verlangte Offenkundigkeit durch eine von der Agrarbehörde bescheidmäßig eingeräumte Bringungsanlage vermittelt wird, rechtfertigte auch dies – worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist – aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen die Feststellung und Einverleibung der begehrten unbeschränkten Dienstbarkeit nicht. Nähere Ausführungen dazu sind daher entbehrlich.

[12] 4.1. Zur zweiten Zulassungsfrage des Berufungsgerichts meinen die Revisionswerber, nach ständiger Rechtsprechung sei auch bei Feststellungsklagen der Zuspruch eines „Minus“ zulässig, ohne dass dabei § 405 ZPO verletzt werde. Ausgehend von der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts liege „zumindest eine beschränkte Dienstbarkeit“ vor. Dass die Kläger ein Interesse daran dartun müssten, stehe im Widerspruch zu höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

[13] 4.2. Auch bei konfessorischen Feststellungsbegehren in Bezug auf Dienstbarkeiten lässt die neuere Rechtsprechung einen Teilzuspruch (Minderzuspruch oder Minus) zu (4 Ob 93/13z mit ausführlicher Darstellung der hiezu ergangenen Entscheidungen; vgl auch RS0037485). Eine solche Einschränkung kann sich auf die räumliche Ausdehnung, den sachlichen Umfang oder auf den Zeitraum der Ausübung beziehen. Immer vorausgesetzt ist, dass das Minus im geltend gemachten Begehren „eingeschlossen“ ist (vgl RS0037476). Dem Begehren ist in einem solchen Fall bloß in einem eingeschränkten Umfang stattzugeben. Ob in diesem Sinn im Verhältnis zur klageweise beanspruchten Dienstbarkeit ein Minus oder Aliud vorliegt, hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls und zwar insbesondere vom Parteivorbringen ab (4 Ob 93/13z; 8 Ob 13/14s), sodass dies im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft.

[14] 4.3. Dass – im Gegensatz zur Auffassung der Revisionswerber – für die Beurteilung eines Minderzuspruchs auch bei konfessorischen Dienstbarkeitsklagen sehr wohl auf ein sich aus dem Vorbringen der Kläger hiezu ergebendes Interesse abzustellen ist, entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 104/14y). Ein Interesse der Kläger an der Festellung einer Einverleibung einer nur beschränkten Dienstbarkeit lässt sich nach der im Einzelfall nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts aus ihrem Prozessvorbringen aber nicht ableiten. Aus der Revision wird nicht klar, in welchem Umfang konkret die Kläger nun eine eingeschränkte Dienstbarkeit festgestellt und einverleibt haben wollen. Worin konkret das von ihnen ins Treffen geführte „Minus“ bestehen sollte, haben sie schon im Berufungsverfahren nicht dargetan, entsprechende Ausführungen fehlen auch in der Revision (die etwa davon spricht, die Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts für jagdliche Zwecke sei nach der Auffassung des Berufungsgerichts weder ausdrücklich noch schlüssig eingeräumt worden). Auch die Revisionsanträge bieten dazu keine näheren Aufschlüsse. Davon auszugehen, hier sei aus dem Vorbringen der Kläger abzuleiten, sie hätten nur an einer Gesamtstattgebung Interesse (weshalb aus Sicht der Partei eine – hier nicht näher konkretisierte – Teilstattgebung kein Minus, sondern ein Aliud zum Gewollten wäre [4 Ob 93/13z]), bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall.

[15] 5. Die von den Revisionswerbern behauptete Ersitzung einer unbeschränkten, über das eingeräumte Bringungsrecht hinausgehenden Dienstbarkeit muss schon daran scheitern, dass angesichts des ideellen Miteigentums der Rechtsvorgänger der Streitteile bis zum Jahr 1994 Ersitzung schon mangels Ablaufs der 30‑jährigen Ersitzungszeit ausscheidet. Die Entscheidung 7 Ob 267/08b ist deshalb nicht einschlägig.

[16] 6. Die Auffassung des Berufungsgerichts, aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen käme überhaupt nur eine beschränkte Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts in Betracht, versuchen die Revisionswerber unter Hinweis darauf zu widerlegen, der Rechtsvorgänger der Kläger und sie selbst hätten den Almweg für land‑ und forstwirtschaftliche Zwecke, zum Viehtrieb, für jagdliche und zu Freizeitzwecken begangen und befahren. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine völlig unbeschränkte Nutzung dieses Weges (so etwa auch für gewerbliche oder touristische Zwecke) sei damit nicht festgestellt, ist aber nicht zu beanstanden.

[17] 7. Weder aus der Kostentragung für die Errichtung der Bringungsanlage noch aus der Duldung deren Errichtung ist notwendigerweise darauf zu schließen, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks, der dies duldet, mit der rechtsgeschäftlichen Begründung einer Dienstbarkeit einverstanden wäre (RS0011650; RS0114010 [T2]). Ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag käme nämlich nicht bereits durch die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs des dienenden Gutes, sondern erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille der (jeweils) Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (RS0111562). Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge – anders als hier – eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (vgl RS0044358 [T14, T23] zu Dienstbarkeitsverträgen). Davon auszugehen, der Rechtsvorgänger des Beklagten und auch dieser selbst habe durch die bloße Duldung des Befahrens der Bringungsanlage durch die Kläger bzw deren Rechtsvorgänger – in Kenntnis des eingeräumten Bringungsrechts – noch nicht ohne vernünftigen Grund daran zu zweifeln (§ 863 ABGB) zu erkennen gegeben, mit der Einräumung einer unbeschränkten Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts über seine Grundstücke einverstanden zu sein, ist keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[18] 8. Damit war die Revision zurückzuweisen.

[19] 9. Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Kläger dem Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen. Er hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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