European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00032.08D.0415.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 371,52 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 61,92 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Hauses G***** in 1010 Wien. Die Antragsgegnerin ist Mieterin der in diesem Haus gelegenen Wohnung Nr 13.
Am 1. 7. 2005 fand ein Verwalterwechsel statt. Die neue Hausverwaltung führte eine angekündigte Hausbegehung durch, um den Zustand des Hauses und der Bestandobjekte zu ermitteln. Dabei sollte auch festgestellt werden, ob nicht Schäden bestünden, die von der Antragstellerin zu beheben wären.
Der konkrete Anlass für den Wunsch nach einer Begehung war der Verwalterwechsel.
Die Antragsgegnerin verweigerte der neuen Hausverwaltung ein Betreten der Wohnung, da nach ihrer Rechtsansicht keine Verpflichtung dazu bestand.
Zuvor hatte die Antragsgegnerin im Jahr 1998/1999 einer (damals neu bestellten) Hausverwaltung Zutritt zu ihrer Wohnung gewährt.
Als im Jahr 2002 ein Wasserschaden in der gegenständlichen Wohnung auftrat, wollte die Antragsgegnerin die Kosten der Instandsetzung von der Antragstellerin refundiert haben. Trotz Besichtigung durch den Versicherer der Antragstellerin kam es nie zu einer Refundierung des Schadens, sodass die Antragsgegnerin den Schaden in der Folge selbst behob.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte die Antragstellerin, die Antragsgegnerin zur Duldung des Betretens ihrer Wohnung zu verpflichten und stützte sich dabei auf die Bestimmung des § 8 Abs 2 MRG. Die Besichtigung sei erforderlich, weil es einen Verwalterwechsel gegeben habe und der Zustand der Wohnung aufgrund des angeblichen Wasserschadens unklar sei.
Die Antragsgegnerin bestritt das Begehren und beantragte dessen Abweisung. Die Antragstellerin habe keine wichtigen Gründe für die Notwendigkeit des Betretens der Wohnung der Antragstellerin geltend gemacht. Bei der Behauptung, einen Wasserschaden besichtigen zu müssen, handle es sich nur um einen Vorwand. Der Schaden sei bereits im Jahr 2001 eingetreten und durch fünf Jahre hindurch von der Antragstellerin trotz Aufforderung nicht behoben worden. Ein Verwalterwechsel allein rechtfertige nicht das Begehren auf Betreten der Wohnung eines Mieters.
In der mündlichen Verhandlung vom 19. 10. 2006 stützte daraufhin die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch auf die Bestimmung des § 10 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrags und beantragte die Überweisung der Rechtssache in das streitige Verfahren. Gleichzeitig formulierte sie ein Urteilsbegehren dahin, dass die Beklagte für schuldig erkannt werde, die Besichtigung ihres Bestandobjekts durch die klagende Partei zur Feststellung des Erhaltungszustands binnen 14 Tagen zuzulassen.
Die Antragsgegnerin sprach sich gegen die Änderung des Antrags aus.
Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin auf Überweisung der gegenständlichen Rechtssache ins streitige Verfahren ab und fasste gleichzeitig einen Sachbeschluss, mit dem das Begehren der Antragstellerin abgewiesen wurde.
Die von der Antragstellerin vorgenommene Klagsänderung, mit der diese ihr Begehren auf eine vertragliche Vereinbarung anstelle der Bestimmung des § 8 MRG gestützt habe, sei nicht nur ohne Zustimmung der Antragsgegnerin unzulässig, sondern stehe einer solchen Änderung überdies die Bestimmung des § 39 MRG entgegen. Bei vorgeschalteter Schlichtungsstelle könne ein Sachantrag vor Gericht nicht mehr geändert, sondern allenfalls eingeschränkt oder konkretisiert werden. Eine gänzliche Änderung der Anspruchsgrundlage und der sie begründenden Tatsachen sei unzulässig. Dadurch könne auch keine Änderung der Verfahrensart herbeigeführt werden.
In der Hauptsache erachtete das Erstgericht, dass nach den maßgeblichen Feststellungen keine wichtigen Gründe vorlägen, dem Vermieter das Betreten der Wohnung zu gestatten. Ein Verwalterwechsel sei per se kein wichtiger Grund im Sinn des § 8 Abs 2 MRG. Die Behauptung der Antragstellerin, die Besichtigung wegen eines aus dem Jahr 2001 stammenden und sanierten Wasserschadens vornehmen zu wollen, hielt das Erstgericht für vorgeschoben.
Einem gegen den bezeichneten Beschluss und den Sachbeschluss erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
Maßgeblich dafür, welche Verfahrensart anzuwenden sei, sei der Inhalt eines von einer Partei gestellten Entscheidungsbegehrens und das Sachvorbringen. Bei Bestehen miteinander konkurrierender Anspruchsgrundlagen müsse sich der Kläger oder Antragsteller bei der Wahl des Verfahrens entscheiden, worauf er sein Begehren gründen wolle. Er könne sich nicht im selben Verfahren subsidiär auf einen anderen Rechtsgrund stützen, der in einer anderen Verfahrensart zu erledigen sei.
Im vorliegenden Fall habe sich die Antragstellerin zunächst zutreffend auf die Bestimmung des § 8 Abs 2 MRG berufen und folgerichtig einen Antrag an die Schlichtungsstelle gestellt. Im gerichtlichen Verfahren habe sie dann nur mehr die vertragliche Regelung des § 10 des Mietvertrags herangezogen, ihr Begehren ausschließlich darauf gestützt und damit ihre bereits getroffene Entscheidung hinsichtlich der Wahl des Verfahrens unzulässigerweise abgeändert.
Ein nicht gerechtfertigter, im außerstreitigen Verfahren erhobener Antrag sei abzuweisen und nicht ins streitige Verfahren zu überweisen, selbst wenn sich im Verfahren herausstelle, dass der Anspruch aufgrund einer Parteienvereinbarung zu Recht bestehe (MietSlg 41.370).
In der Sache selbst teilte das Rekursgericht die Ansicht des Erstgerichts, dass die Tatsache eines Verwalterwechsels keinen wichtigen Grund im Sinn des § 8 Abs 2 MRG darstelle. Darüber hinaus habe die Antragstellerin keinen konkret begründeten Anlass für eine Befürchtung bezeichnet, dass notwendige Erhaltungsarbeiten in der Wohnung anstünden, was ein wichtiges Interesse im Sinn des § 8 Abs 2 MRG begründen könnte (MietSlg 41.212).
Zu Recht habe daher das Erstgericht den Sachantrag abgewiesen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 10.000 EUR nicht übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Zulässigkeit der Änderung der Anspruchsgrundlage, aus der zwingend eine Änderung der Verfahrensart erfolge, fehle, soweit überblickbar, höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Gegen diesen Beschluss und Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Sachbeschlusses im Sinn seiner Aufhebung, Zulassung der Klagsänderung und Erlassung eines Auftrags an das Erstgericht, das Verfahren fortzusetzen. Im Weiteren wird beantragt, das bisherige Verfahren, soweit es der Prüfung des Sachverhalts nach § 8 Abs 2 MRG gedient habe, mangels bestehenden Antrags als nichtig aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.
1.) Zur Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels:
Gegenstand der Anfechtung ist einerseits ein Beschluss, für dessen Anfechtung die 14‑tägige Rekursfrist des § 65 AußStrG gilt, andererseits ein Sachbeschluss, für dessen Anfechtung davon abweichend die Rekursfrist vier Wochen beträgt (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG). Das gegenständliche Rechtsmittel wurde nicht innerhalb der zweiwöchigen Revisionsrekursfrist, sondern lediglich innerhalb der vierwöchigen Frist des § 37 Abs 3 Z 16 MRG erhoben.
Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung gilt dann, wenn in eine Ausfertigung mehrere Entscheidungen mit unterschiedlichen Rechtsmittelfristen aufgenommen wurden, für deren Anfechtung einheitlich die längste der in Frage kommenden Rechtsmittelfristen (RIS‑Justiz RS0041696; 7 Ob 65/99f = JBl 2001, 62; 6 Ob 823/83 = MietSlg 36.781). Dieser Grundsatz wurde auch im Außerstreitverfahren nach § 37 MRG vor Inkrafttreten des WohnAußStrBeglG und der WRN 2006 angewendet (vgl 5 Ob 13/92, 1008/92 = MietSlg 44.536). Dass nunmehr zufolge § 37 Abs 3 MRG für das besondere wohnrechtliche Außerstreitverfahren, soweit nicht Ausnahmen statuiert sind, die Bestimmungen des AußStrG gelten, gebietet keine andere Betrachtungsweise. Diese Rechtsprechung ist daher auch weiterhin anzuwenden (vgl Feil/Marent, AußStrG2 Rz 1 zu § 46 AußStrG).
Damit erweisen sich die Rechtsmittel der Antragstellerin insgesamt als rechtzeitig.
2.) Für die Beurteilung, ob über ein Begehren im Außerstreitverfahren oder im Rechtsweg zu entscheiden ist, sind der Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhaltsbehauptungen entscheidend (vgl 5 Ob 77/91, 78/91 = WoBl 1991/145 = MietSlg 43.294/22; 7 Ob 613/93 = MietSlg 45.463; 7 Ob 598/95 = MietSlg 48.392; 5 Ob 2131/96k = WoBl 1997/10 = MietSlg 48.395; 4 Ob 322/98a = WoBl 1999/67 = MietSlg 50.474).
Die Geltendmachung von Ansprüchen aus konkreten Vereinbarungen ist zum Unterschied von jenen, die sich unmittelbar auf das Gesetz und im Besonderen auf § 37 MRG gründen, dem streitigen Verfahren vorbehalten (vgl 6 Ob 206/00p = MietSlg 52.440; 5 Ob 170/01p = MietSlg 53.432; 4 Ob 322/98a = WoBl 1999/67 = MietSlg 50.474).
Demnach hat die Antragstellerin ihr ursprüngliches Begehren (Ausübung des Betretungsrechts nach § 8 Abs 2 MRG) zutreffend im außerstreitigen Wohnrechtsverfahren, eingeleitet durch einen Antrag an die Schlichtungsstelle, geltend gemacht.
In diesem außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG hätte die Antragstellerin zufolge §§ 39 f MRG ihr Begehren vor Gericht nicht mehr ändern (auf einen völlig neuen Rechtsgrund stützen) können, ohne dass dies zur Zurückweisung des Sachantrags geführt hätte (vgl Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und WohnR21 Rz 3 zu § 39 MRG mit ausführlichen Rechtsprechungshinweisen; 5 Ob 220/00i = MietSlg 53.461: zur Zurückweisung des Sachantrags).
Dem Inhalt des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 19. 10. 2006 ist nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin ihr auf § 8 Abs 2 MRG gestütztes verfahrenseinleitendes Begehren förmlich zurückgezogen hätte.
Eine derartige Zurücknahme eines Antrags wäre nunmehr zufolge § 11 AußStrG bis zur Entscheidung des Gerichts erster Instanz ohne weiteres zulässig gewesen. Trotz Fehlens einer entsprechenden Bestimmung wurde aber auch schon früher im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren die Zulässigkeit der Zurücknahme des Sachantrags bejaht (vgl 3 Ob 523/94 = MietSlg 46/10), im Rechtsmittelstadium jedoch an die Zustimmung des Antragsgegners bzw einen Verzicht auf den Anspruch geknüpft (vgl 5 Ob 144/97f).
Als reines Antragsverfahren wäre das Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 5 MRG mit der Zurücknahme des Antrags beendet, ohne dass es eines Anspruchsverzichts oder einer Zustimmung des Gegners bedürfte (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG Rz 1 zu § 11).
Eine Rückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags wäre aber mit einer Kostenersatzpflicht verbunden gewesen, was offenkundig vermieden werden sollte.
Soweit sich die Antragstellerin im Revisionsrekurs darauf beruft, das entsprechende Begehren sei nicht mehr aufrecht, darüber hätte keine Entscheidung gefällt werden dürfen, ist ihr das Fehlen einer verfahrensbeendenden Rückziehungserklärung entgegen zu halten. Zu Recht und in der Sache richtig - was im Übrigen nicht mehr bestritten wird - haben daher die Vorinstanzen mit Sachbeschluss den verfahrenseinleitenden Sachantrag mangels Anspruchsgrundlage abgewiesen.
Was die nach Ansicht der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung am 19. 10. 2006 zu Protokoll gegebene, auf ein vertragliches Betretungsrecht gestützte Klage betrifft, ist es - entgegen der Rechtsmeinung der Vorinstanzen - nicht § 39 MRG, der dieser Vorgangsweise entgegensteht (vgl 5 Ob 74/84 = MietSlg 36.483/47), sondern es lassen die prozessrechtlichen Bestimmungen der §§ 207 ff ZPO, die zufolge § 22 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren anzuwenden sind, eine derartige Änderung eines bereits in Verhandlung gezogenen Sachantrags nicht zu. Für neue Sachanträge, die ein selbständiges Verfahren bedingen, bedarf es eines eigenen Anbringens außerhalb des Verhandlungsprotokolls (vgl 5 Ob 63/01b).
Es steht zwar Parteien frei, bei Bezirksgerichten ihre Gesuche auch mündlich zu Protokoll zu erklären (§ 10 Abs 1 AußStrG). Sachanträge, die ein selbständiges Verfahren bedingen, sind aber nach den Bestimmungen der §§ 207 ff ZPO nicht im Verhandlungsprotokoll zu beurkunden, sondern bedürfen eines eigenen (protokollarischen oder schriftlichen) Sachantrags (vgl 5 Ob 63/01b mwN). Das Verhandlungsprotokoll hat nämlich nur den Gang und die mündliche Verhandlung über den Streitgegenstand zu beurkunden.
Das in das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19. 10. 2006 aufgenommene Begehren wurde daher zu Recht nicht als zu Protokoll gegebene Klage oder sonstiger neuer Sachantrag behandelt, woraus sich ergibt, dass dieses Rechtsschutzbegehren auch nicht in das streitige Verfahren zu überweisen war.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.
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