OGH 5Ob220/00i

OGH5Ob220/00i13.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragsteller

1. Christine K*****, 2. Otto K*****, beide vertreten durch Mag. Roswitha Wallner, Mietervereinigung Österreichs, Wilhelmstraße 20-24, 1120 Wien, wider den Antragsgegner Karl O*****, wegen § 37 Abs 1 Z 6 iVm § 9 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. November 1998, GZ 41 R 431/98f-27, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 2. Juni 1998, GZ 8 Msch 17/97t-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache selbst unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind Hauptmieter der Wohnung top Nr 8-9 im Haus ***** in *****, welche im Alleineigentum des Antragsgegners steht. Derzeit ist der Wohnung eine WC-Anlage am Gang zugeordnet. Die Wohnung weist keine Dusch- oder Badegelegenheit auf.

Die Antragsteller beabsichtigen auf ihre Kosten den Einbau einer Dusche sowie einer WC-Anlage bei gleichzeitiger Herstellung einer Rigipswand zum benachbarten Zimmer und dem Einbau einer Türe zwischen Küche und dem neu zu schaffenden kleinen Vorraum. Das geplante Badezimmer soll eine Länge von 2,30 m und eine Breite von 1,90 m haben.

Der Antragsgegner, der unter Übersendung einer Planskizze um seine Zustimmung gebeten wurde, verweigerte diese.

Am 28. Februar 1997 riefen die Antragsteller die Schlichtungsstelle des MBA für den 12. Bezirk an und begehrten, gemäß §§ 9 und 37 MRG die fehlende Zustimmung des Hauseigentümers zur Durchführung der Arbeiten zum Einbau eines Badezimmers mit Toilettenanlage zu ersetzen.

In einer grundsätzlich zustimmenden Äußerung führte die MA 25 im Schlichtungsstellenverfahren aus, dass aufgrund der Gegebenheiten der Abwasserbeseitigungsanlage eine bestimmte Toilettenform, nämlich eine mit Fäkalienzerkleinerer notwendig wäre. Eine solche spezielle Toilettenausführung hat den Nachteil der Störungsanfälligkeit, wodurch die gesamte Hauskanalanlage beeinträchtigt werden kann. Ein störungsfreier Betrieb ist für vier oder mehr Jahre gewährleistet.

Durch Entscheidung der Schlichtungsstelle wurde die fehlende Zustimmung des Vermieters zum Einbau des Badezimmers mit Toilettenanlage auf Basis der vorgelegten Handskizze, allerdings ohne Detaillierung hinsichtlich der Toilettenausführung, ersetzt.

Gegen diese Entscheidung rief der Antragsgegner das Gericht an und begehrte die Abweisung des Antrags. Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens wurde das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt, wonach feststeht, dass die beabsichtigte Veränderung dem Stand der Technik entspricht und eine einwandfreie Ausführung der Veränderung gewährleistet sei, insbesondere ein die Hauskanalanlage nicht störender Betrieb möglich sei. Es erscheine möglich, eine WC-Anlage auch ohne die spezielle Ausführung mit Fäkalienzerkleinerer einzubauen.

Die Antragsteller verwiesen in der Folge darauf, dass von ihrem ursprünglichen Antrag keine bestimmte Toilettenform umfasst gewesen sei, sondern vielmehr die Errichtung eines Fäkalienzerkleinerers erst durch Vorschlag der MA 25 ins Spiel gebracht worden sei. Sie hätten ihr Begehren niemals darauf beschränkt.

Fest steht weiters, dass das ursprünglich vor der Schlichtungsstelle durch Bezug auf einen handschriftlichen Plan der Antragsteller gegenständliche Vorhaben einen Baderaum in Länge von 2,90 m und Breite von 1,20 m umfasste, während nunmehr im gerichtlichen Verfahren ein Plan vorgelegt wurde, in dem der Baderaum etwas kürzer und dafür etwas breiter angelegt ist, nämlich mit 2,30 m Länge und 1,90 m Breite.

Beide Vorinstanzen wiesen das Begehren der Antragsteller mit der Begründung zurück, dass die Antragsteller während des gerichtlichen Verfahrens ihren Antrag verändert hätten. Dies nicht nur hinsichtlich des Grundrisses des geplanten Badezimmers (vgl die Skizze 3 mit den Skizzen 1 und 2, sämtliche im Anhang an den erstgerichtlichen Beschluss), sondern auch in Hinblick auf die Art der einzubauenden WC-Anlage (zunächst mit nunmehr ohne Fäkalienzerkleinerer). Damit fehle es aber an der Anrufung der Schlichtungsstelle als zwingende Prozessvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren im Sinn des § 39 MRG. Im gerichtlichen Verfahren dürfe ein Antrag nicht mehr geändert, erweitert oder präzisiert werden. Geschehe dies, müsse dies zur Zurückweisung des Sachantrages führen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und - über Antrag nachträglich -, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO liege deshalb vor, weil durch höchstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht ausreichend geklärt sei, ob noch Identität des Anspruchs (hier Einbau eines Baderaums mit WC) gegeben sei, wenn die Art der beabsichtigten Ausführung im gerichtlichen Verfahren geändert werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller, der aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig ist.

Der Antragsgegner hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist im Sinn seines Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Gemäß § 39 Abs 1 MRG kann ein Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG bei Gericht nur dann eingeleitet werden, wenn die Sache (bei Vorhandensein einer Schlichtungsstelle) vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist. Die Anrufung der Schlichtungsstelle ist damit eine zwingende Prozessvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren. In ständiger Rechtsprechung wird daraus gefolgert, dass der bei der bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag, der dort noch beliebig verändert und erweitert werden kann, bei Gericht nicht mehr geändert oder erweitert, ausgedehnt oder präzisiert werden kann (MietSlg 42.396; WoBl 1992/108; WoBl 1993/123 = MietSlg 45.511; MietSlg 46.494; Würth/Zingher Miet- und WohnR20 Rz 3 zu § 39 MRG mwN). Ein Verstoß gegen die Beachtung dieser Grundsätze bewirkt Nichtigkeit der Entscheidung und hätte deren ersatzlose Beseitigung zur Folge (vgl 5 Ob 25/91). Eine dennoch vorgenommene Erweiterung oder Präzisierung eines Antrags hat demnach zur Zurückweisung des Sachantrags zu führen (WoBl 1992/108).

"Sache" im Sinn des § 39 MRG ist der das Verfahren einleitende Sachantrag mit dem maßgeblichen Tatsachenvorbringen.

Für die Identität der "Sache" komme es also entscheidend darauf an, dass vor Gericht derselbe Anspruch wie vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht wird, in welchem Fall vor Gericht auch noch ein ergänzendes Vorbringen zugelassen wurde (5 Ob 59/95 [Rückforderung einer Provision: ergänzendes Vorbringen zur unangemessenen Höhe] oder 5 Ob 345/98s [keine Identität bei verfahrenseinleitendem Antrag über Neufestsetzung des Betriebskostenanteils und infolge Unmöglichkeit der Feststellung des Nutzflächenschlüssels im gerichtlichen Verfahren Begehren auf Feststellung der mangelnden Fälligkeit sämtlicher Betriebskostenvorschreibungen]).

Keine besonderen Schwierigkeiten bedeutet die Feststellung der Identität, wenn das Begehren mit bestimmten Zinsterminen oder Abrechnungsperioden oder aber bei Rückforderungen der Höhe nach definiert ist (vgl Würth aaO Rz 3 zu § 39 MRG mwN).

Hinsichtlich anderer Begehren, etwa wie hier des Begehrens auf Ersetzung der Zustimmung des Vermieters zu einer vom Mieter auf seine Kosten beabsichtigten wesentlichen Verbesserung ist jedoch zu berücksichtigen, dass ganz grundsätzlich an die Bestimmtheit eines Begehrens im außerstreitigen Verfahren keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Das wurde für Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 und 12 MRG aber auch bereits für Verfahren nach Z 11 und Z 2 ausgesprochen (RIS-Justiz RS0070562). Für ein auf § 6 Abs 1 MRG gestütztes Begehren auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten wurde es für ausreichend erachtet, dass ein Mieter die vorzunehmenden Arbeiten nur ihrer Art nach bezeichnete und die Detaillierung des dem Vermieter zu erteilenden Instandhaltungsauftrags den Ergebnissen eines von der Schlichtungsstelle bzw vom Gericht einzuholenden Sachverständigengutachtens vorbehielt. Dies wurde damit begründet, dass der Mieter oft nur oberflächliche Schäden bemerke und mangels genauer Kenntnis ihres Umfangs und ihrer Ursachen nur vermuten könne, welche Arbeiten zur Schadensbehebung notwendig seien (5 Ob 146/00g). Es besteht kein sachlicher Grund, im Fall eines Antrags nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 9 MRG, womit der Mieter eine Verbesserung des Mietgegenstandes anstrebt, strengere Maßstäbe anzulegen. Auch in einem solchen Fall kann dem Mieter nicht zugemutet werden, vor Einleitung eines außerstreitigen Verfahrens durch Anrufung der Schlichtungsstelle ein Sachverständigengutachten einzuholen und alle denkbaren baurechtlichen Probleme bis ins Letzte klären zu lassen. Nur in einem solchen Fall könnte der Gefahr begegnet werden, dass sich bei Aufrechterhaltung des Verfahrensziels - hier Ersetzung der Zustimmung des Vermieters zum Einbau eines Duschraums mit WC - die Notwendigkeit geringfügiger Änderungen ergibt und, wenn der Mieter dem durch Anpassung seines Begehrens Rechnung trägt, dies zur Zurückweisung seines gesamten Antrags zu führen hätte. Ein solches Ergebnis ist mit den Zielen der Rechtspflege im außerstreitigen Verfahren unbeschadet der Notwendigkeit der strengen Beachtung des § 39 MRG nicht in Einklang zu bringen.

Weil, wie die Antragsteller in ihrem Rechtsmittel zutreffend ausführen, von ihrem ursprünglichen Antrag eine bestimmte WC-Ausführung überhaupt nicht umfasst war, gehen die Ausführungen der Vorinstanzen diesbezüglich ins Leere. Von Bedeutung ist daher nur noch die Frage, ob die geringfügige Änderung der Raumeinteilung die Identität des ursprünglichen Begehrens mit dem neuerlichen Begehren zerstört (dass die Antragsteller ihr Begehren diesbezüglich geändert hätten, geht im Übrigen nur aus den Ausführungen im Sachverständigengutachten hervor, eine formelle Änderung des Antrags erfolgte niemals).

Es ist zwar richtig, dass der ursprüngliche an die Schlichtungsstelle gerichtete Antrag durch die Vorlage der Handzeichnung (Beilage 3) des zu errichtenden Baderaums präzisiert war und durch die nun offenbar verfahrensgegenständliche Planzeichnung Beilage 2 ersetzt wurde, wobei eine minimale Verkürzung und minimale Verbreiterung des Raums mit einer Flächendifferenz von weniger als 1 m**2 die Folge ist. Diese Abweichung vom ursprünglichen Antragsinhalt ist so marginal, dass sie bereits vernachlässigbar ist, ohne dass geprüft werden müsste, ob technische Gesichtspunkte, die erst im Zug des Verfahrens hervorgekommen sind, dafür ausschlaggebend waren.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist dadurch die Identität des ursprünglichen und des neuen Begehrens nicht verlorengegangen.

Ausgehend von dieser Beurteilung erweist sich die Zurückweisung des Antrags als verfehlt.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren eine Sachentscheidung über das Begehren der Antragsteller zu fällen haben.

Der Revisionsrekurs war somit berechtigt.

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