Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht hat über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO nachträglich ausgesprochen, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die entscheidungswesentliche Frage, ob die Sorglosigkeit einer Geschädigten, die ohne Notwendigkeit ein (nur) auf einer Seite vorhandenes Geländer nicht benutzt und deswegen zu Sturz kommt, derart schwer sei, dass sie deren allfälligen Anspruch gegen die Gastwirtin, die die Stiege nicht beidseitig mit Handläufen ausgestattet hat, zum Erlöschen bringe, sei - soweit für das Berufungsgericht überblickbar - noch nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen worden.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin erhobene Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO kurz zu begründen ist:
1. Unstrittig ist, dass 1973 (Jahr der Erteilung der Baubewilligung) für das nunmehr der Beklagten gehörige Objekt betreffend jene Stiege, auf welcher die Klägerin im Jahr 2007 zu Sturz kam, die Anbringung eines zweiten (mauerseitigen) Handlaufs baurechtlich nicht vorgeschrieben war. Die (vbg) Verordnung der Landesregierung über die technischen Erfordernisse von Bauwerken (BTV 1986) normierte zum Unfallzeitpunkt unter dem Titel „Bauliche Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung“ (§ 39 BTV 1986) (ua) für Bauwerke, die jedermann unter den gleichen Bedingungen zugänglich und für mindestens 75 Besucher ausgelegt sind (§ 39 Abs 2 BTV 1986), dass Stiegen beidseitig mit abgerundeten Handläufen ausgestattet werden müssen (§ 39 Abs 3 lit c BTV 1986). Nach § 75 Abs 2 BTV 1986 galten allerdings für Bauwerke, die - wie das hier von der Beklagten betriebene Gasthaus - im Zeitpunkt des Inkrafttretens der BTV 1986 von der Baubehörde bereits bewilligt waren, die bis dahin wirksamen Vorschriften. Eine baurechtliche Verpflichtung der Beklagten zur beidseitigen Anbringung von Handläufen an der Stiege bestand daher zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin nicht.
2.1. Bei der Abgrenzung der aus einer vertraglichen Sonderverbindung entspringenden Schutz- und Sorgfaltspflichten sind zwar die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die von den Verwaltungsbehörden erteilten Bewilligungen bedeutsam; doch werden dadurch im Einzelfall die Grenzen der verkehrsüblichen und vom Erwartungshorizont der beteiligten Kreise als zumutbar umfassten Anforderungen nicht schlechthin abgesteckt, sondern lediglich der Mindeststandard der dem Verantwortlichen obliegenden Sicherheitsvorkehrungen umrissen. Die einmal erteilte Benützungsbewilligung kann daher - worin der Klägerin im Grundsatz durchaus beizupflichten ist - nicht für allemal entschuldigen, sondern es ist die bauliche Sicherheit laufend zu überprüfen, die Baulichkeiten sind dem Ergebnis der Kontrolle entsprechend einwandfrei instandzusetzen und es ist ganz allgemein der für die körperliche Sicherheit der Gäste maßgebliche, nach einschlägigen Gesetzen und anderen Vorschriften, aber auch nach dem jeweiligen Stand der Technik geltende Mindeststandard durch zumutbare Verbesserungsarbeiten einzuhalten. Dieser Mindeststandard ist herzustellen, sofern die Vorschriften die Sicherheitsanforderungen verschärfen (5 Ob 108/05a; 2 Ob 216/01f). Andererseits darf die den Gastwirt treffende Verkehrssicherungspflicht auch nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0023311). Welche Sicherungsmaßnahmen (namentlich einem Gastwirt) zumutbar und erforderlich sind, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0078150). Die dabei zu treffende Einzelfallbeurteilung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Beurteilungsfehler korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0078150 [T1]).
2.2. Das Erstgericht hat hier im Unterlassen der nachträglichen Anbringung eines zweiten, mauerseitigen Handlaufs keine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten erkannt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zu einer solchen Ausstattung bis zum Unfallzeitpunkt für die Beklagte - unstrittig - keine baurechtliche Verpflichtung bestand (s oben 1.), es sich beim Objekt der Beklagten um ein Ausflugsgasthaus handelt, welches „viel von Wanderern und Bikern frequentiert“ wird, sodass wohl vergleichsweise selten mit körperlich behinderten Gästen zu rechnen ist, und sich die betreffende Stiege nach baulicher Gestaltung und nach ihrem gesamten Erscheinungsbild wie eine für ein Wohnhaus typische Stiege darstellt. Wenn das Erstgericht bei dieser Sachlage eine Sorgfaltspflichtverletzung verneinte, dann stellt diese Rechtsansicht keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (und zu einer Korrektur Anlass gebende) Einzelfallbeurteilung dar.
2.3. Ob die beiden, über die Stiege zu erreichenden Gastzimmer nicht nur die 70 Verabreichungsplätze laut Gewerbeanmeldung aufweisen, oder ob, wie dies die Klägerin behauptet, insgesamt rund 90 Personen Platz finden, ist im Rahmen der Einzelfallbeurteilung (zu 2.2.) nicht entscheidungswesentlich.
2.4. Da sich bereits die vom Erstgericht zugrunde gelegte Verneinung einer Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten als nicht unvertretbare Einzelfallbeurteilung erweist, ist die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage nicht entscheidungswesentlich. Es kann daher dahin stehen, ob für den Fall der - hier eben nicht gebotenen - Bejahung einer Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten ein deren Haftung ausschließendes Eigenverschulden der Klägerin vorlag und ob diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts für die Klägerin überraschend und deshalb erörterungsbedürftig gewesen sein könnte.
3. Die Ausführungen der Klägerin, wonach die Beklagte die Stiege vor dem Unfall nicht gereinigt habe und die Klägerin aufgrund von auf der Stiege gelegenen Steinchen zu Sturz gekommen sei, was zumindest im Sinn eines Anscheinsbeweises angenommen hätte werden müssen, sind eine unzulässige Bekämpfung der Beweis- und Tatfrage (RIS-Justiz RS0112460; RS0040196; RS0022624 [T1]).
Die Revision ist somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und deshalb zurückzuweisen. Die relevierten (und schon vom Berufungsgericht verneinten) Verfahrensmängel liegen ebenfalls nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).
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