Spruch:
Um eine gemischte Schenkung annehmen zu können, muß nicht nur ein objektives Mißverhältnis der ausgetauschten Werte vorliegen, sondern müssen die Parteien auch die teilweise Unentgeltlichkeit des Übereignungsvorganges gewollt und dies erkennbar zum Ausdruck gebracht haben
OGH 23. März 1976, 5 Ob 255/75 (OLG Wien 4 R 157/75; LGZ Wien 37 d Cg 60/75)
Text
Franz R und seine Gattin Anna waren je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 37 des Grundbuches über die KG H. Mit dem am 14. September 1956 unterfertigten und am 19. November 1956 vom Bezirksgericht Schwechat gerichtlich bestätigten Adoptionsvertrag haben die genannten Eheleute den Kläger an Kindesstatt angenommen, ihn jedoch in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 9. Dezember 1963 mit der Begründung enterbt, daß er sie im Notstand hilflos gelassen habe. Am 18. August 1968 starb Anna R; ihr Nachlaß wurde zur Gänze ihrem Witwer Franz R eingeantwortet. Dieser setzte in seinem Testament vom 27. Oktober 1971 den - mit ihm nicht verwandten - Beklagten zum Alleinerben ein und übergab ihm auf Grund des Leibrentenvertrages vom 26. November 1971 die Liegenschaft EZ 37 des Grundbuches über die KG H gegen Bezahlung einer wertgesicherten Leibrente von monatlich 5000 S. Der Beklagte räumte Franz R das lebenslängliche unentgeltliche Wohnungsrecht an dem zur übergebenen Liegenschaft gehörigen Haus H Nr. 37 ein und verpflichtete sich, ihn unentgeltlich zu betreuen und die Kosten seines Begräbnisses zu bezahlen. Franz R ist am 24. August 1972 verstorben; sein Nachlaß wurde dem Beklagten mit Beschluß des Bezirksgerichtes Schwechat vom 11. Oktober 1974 zur Gänze eingeantwortet. Die zu der Liegenschaft EZ 37 des Grundbuches über die KGH gehörenden Grundstücke waren zur Zeit der Errichtung des Leibrentenvertrages und zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz verpachtet.
Die von Franz R nach dem Tode seiner Gattin gegen den nunmehrigen Kläger eingebrachte Klage auf Feststellung, daß seine Enterbung zu Recht erfolgt sei-, wurde rechtskräftig abgewiesen. Wegen Verjährung des Anspruches erfuhr die Klage des nunmehrigen Klägers gegen Franz R auf Bezahlung des Pflichtteiles in Höhe von 103 620 S das gleiche Schicksal.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger zuletzt, den Beklagten zur Zahlung von 33 478.70 S bei Exekution in sein gesamtes Vermögen und von weiteren 381 521.30 S bei Exekution in die Liegenschaft EZ 37 des Grundbuches über die KG H zu verurteilen. Franz R habe nach Übergabe der Liegenschaft EZ 37 des Grundbuches über die KGH kein weiteres Vermögen besessen; im Verlassenschaftsverfahren habe sich deshalb nur mehr ein reiner Nachlaß in der Höhe von 33 478.70 S ergeben. Mit Rücksicht auf die bei Vertragsschluß nur mehr geringe Lebenserwartung Franz Rs sowie im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse des Falles handle es sich bei dem Leibrentenvertrag mit dem Beklagten um eine Schenkung. Er, der Kläger, begehre deshalb vom Beklagten als dem Erben nach Franz R im Sinne des § 951 ABGB den ihm entgangenen Pflichtteil. Die dem Beklagten zukommende Liegenschaft sei mit 950 000 S zuzüglich eines weiteren Betrages von 100 000 S aus dem Abverkauf des Wohnhauses zu bewerten. Davon sei der Wert der Leibrente mit 220 000 S abziehen. Die Hälfte des Wertes der Schenkung von 830 000 S, also 415 000 S, werde als Pflichtteil geltend gemacht.
Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt. Der Leibrentenvertrag mit Franz R sei mangels Schenkungsabsicht der Parteien als Kaufvertrag zu beurteilen. Er habe Franz R, um den sich der Kläger nicht gekümmert habe, seit Ende 1968 gegen ein tägliches Entgelt von 80 S betreut. Anläßlich des Verkaufes des zu übergebenen Liegenschaft gehörenden Hauses am 12. April 1972 sei vereinbart worden, daß Franz R ihm, dem Beklagten, die bis dahin aufgelaufenen Betreuungskosten von 87 600 S und ein zugezähltes Darlehen von 50 000 S zuzüglich 9000 S an Zinsen zurückzuzahlen habe. Als Gegenleistung für die Liegenschaftsübergabe sei auch die Übernahme der kostenlosen Betreuung des Franz R durch ihn, den Beklagten, anzusehen. Der Verkauf des zur übergebenen Liegenschaft gehörenden Hauses durch Franz R an einen Dritten um 300 000 S sei nach Abschluß des Leibrentenvertrages erfolgt; aus diesem Erlös seien die genannten Schulden Franz Rs sowie seine weitere Schuld von 50 000 S an Rechtsanwaltskosten bezahlt worden.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 310 000 S, hievon 276 521.30 S unter Beschränkung der Exekution auf die Liegenschaft EZ 37 des Grundbuches über die KG H, und wies das Mehrbegehren von 105 000 S ab und stellte im wesentlichen fest:
Der Kläger war im Alter von vier Jahren als Fürsorgekind in die Pflege und Erziehung der Ehegatten R gekommen. Von 1939 an bis zu seiner Einberufung zur Deutschen Wehrmacht im Jahre 1942 war der Kläger im Landwirtschaftsbetrieb der Eheleute R tätig. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft verrichtete der Kläger vom 1. Oktober 1946 bis 30. September 1960 einen Großteil der in dem Landwirtschaftsbetrieb anfallenden Arbeiten. Wegen schwerer Differenzen mit seinen Adoptiveltern, dem Ehepaar R, stellte der Klager schließlich seine landwirtschaftliche Tätigkeit im Betrieb der Eheleute R ein und zog von ihnen fort. Nach dem Tod seiner Frau bedurfte Franz R dringender Betreuung. Da er diese nicht finden konnte, erklärte sich der Beklagte dazu gegen ein tägliches Entgelt von 80 S bereit. Der Beklagte - besuchte Franz R täglich dreimal und blieb mitunter 1 1/2 Stunden bei ihm. 1963 gewährte der Beklagte ihm ein Darlehen von 50 000 S mit einer Verzinsung von 6% p. a., damit er nach den USA reisen konnte Anfangs 1970 annoncierte Franz R in der Zeitung "Der Österreichische Bauernbundler" seine Absicht, die Liegenschaft gegen Leibrente zu veräußern. Verschiedene Kaufinteressenten boten ihm nur Leibrente von 3 000 S bis 3 500 S und ein Ehepaar, das eine Leibrente von monatlich 5 000 S bot, erschien Franz R finanziell nicht genug sicher. Schließlich einigte sich der Beklagte, der auf Grund der Annonce ebenfalls als Interessent aufgetreten war, mit Franz R und es wurde der eingangs angeführte Leibrentenvertrag am 26. November 1971 errichtet.
In der Kanzlei des Vertragserrichters Rechtsanwalt Dr. M war von einen Schenkungsabsicht Franz Rs nicht die Rede; eine solche war auch nicht erkennbar. Der Beklagte sorgte für die Wäsche und für die Haustiere (Hund und Katze) Franz Rs, die Mahlzeiten nahm dieser jedoch ständig im Gasthaus ein.
Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen Franz R und dem Beklagten war für jenen eine Lebenserwartung von 4.31 bis 4.41 Jahren anzunehmen. Der Rechnungszinsfuß beträgt bei einer Verzinsung mit 4% p. a. 44 088 und bei einer Verzinsung mit 5% p. a. 43 226. Die Leibrente ist deshalb mit 220 000 S zu bewerten. Die Verpflichtung des - Beklagten zur Betreuung Franz Rs ist bis zur Errichtung des Leibrentenvertrages mit 2 400 S monatlich zu veranschlagen. Dieser Satz ist auch als Gegenleistung für die im Leibrentenvertrag übernommene Betreuung Franz Rs angemessen. Die sonstigen Leistungen des Beklagten auf Grund des Leibrentenvertrages sind daher gemäß § 273 ZPO mit dem Betrag von 110 000 S anzunehmen.
Zur Zeit des Abschlusses des Leibrentenvertrages standen dem Beklagten gegen Franz R eine Darlehensforderung von 50 000 S einschließlich Zinsen und eine weitere Forderung von 87 600 S für die durchgeführte Betreuung zu. Einige Monate nach Abschluß dieses Vertrages - noch vor dessen Verbücherung - ersuchte Franz R den Beklagten um seine Zustimmung zur Veräußerung des zur Liegenschaft gehörenden Hauses an den Nachbarn Fritz K, damit er aus dem Verkaufserlös Rechtsanwaltskosten in der Höhe von 50 000 S bezahlen könne. Der Beklagte war damit einverstanden, der Leibrentenvertrag wurde bezüglich des Grundstückes Nr. 313 Baufläche mit Haus K-Nr. 37 und 314 Garten aufgehoben; Franz R verkaufte diese Grundstücke um den Preis von 300 000 S an Fritz (und Rosa) K. Von dem Verkaufserlös bezahlte Franz R seine Schulden an den Beklagten und die Rechtsanwaltskosten von etwa 50 000 S. Bezüglich des Restbetrages von 11 000 S zirka vereinbarten Franz R und der Beklagte, daß dieser Betrag vorläufig Franz R zur Auszahlung allfälliger Pflichtteilsansprüche des Klägers aus der Verlassenschaft nach Anna R zur Verfügung bleiben, aber an den Beklagten fallen solle, wenn der Kläger mit seiner Pflichtteilsklage nicht durchdringt. Nach Abweisung der Pflichtteilsklage des nunmehrigen Klägers bezahlte Franz R dem Beklagten mindestens 100 000 S gleichsam als Entgelt für die Aufhebung des Leibrentenvertrages in Ansehung des Hauses. Franz R wohnte in seinem Haus auch nach dessen Verkauf an K, war bis zu seinem Tode rüstig und starb nach Einnahme einer Mahlzeit in einem Gasthaus offenbar an einem Schlaganfall. K hatte für das Haus einen Überpreis bezahlt. Der Wert der vom Beklagten von Franz R übernommenen Liegenschaft betrug per 26. November 1971 1 070 557 S (Verkehrswert). Unter Berücksichtigung eines angemessenen Abzuges von 10% des ermittelten Liegenschaftswertes zufolge des Verkaufes des gesamten Besitzes auf einmal ist der vom Kläger mit 950 000 S angegebene Wert als angemessen zu bezeichnen. Die Veräußerung des Wohnhauses nach Vertragsschluß an K wurde durch Zahlung des erwähnten Betrages von rund 100 000 S aus dem Verkaufserlös an den Beklagten hinreichend ausgeglichen. Berücksichtigt man die mit insgesamt 330 000 S einzuschätzenden Gegenleistungen des Beklagten für Leibrente und sonstige Leistungen an Franz R, so verbleibt ein Restbetrag von 620 000 S, der dem Beklagten ohne Gegenleistung zugeflossen ist.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Kläger als der einzige Noterbe nach Franz R Anspruch auf die Hälfte dieses Betrages, also auf 310 000 S, habe, der gemäß § 785 ABGB in den Nachlaß einzurechnen sei. Hingegen sei der Franz R dem Beklagten aus dem Verkaufserlös des Hauses bezahlte Betrag von 100 000 S nicht in das Nachlaßvermögen einzubeziehen. Der Beklagte hafte mit Rücksicht auf die von ihm abgegebene bedingte Erbserklärung nur bis zu dem festgestellten Aktivstand des Nachlasses von 33 478.70 S mit seinem gesamten Vermögen, für den Restbetrag aber nur mit dem übernommenen Nachlaßvermögen.
Der Berufung des Beklagten gegen den dem Klagebegehren teilweise stattgebenden Ausspruch des erstgerichtlichen Urteiles gab das Berufungsgericht Folge, indem es auch diesen Teil des Klagebegehrens abwies.
Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte zur rechtlichen Beurteilung des Streitfalles aus:
Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes seien die Vorschriften des ABGB über den Schenkungspflichtteil (§§ 785 und 951) nur auf Schenkungen anzuwenden, also auf Verträge, durch welche jemanden eine Sache unentgeltlich überlassen werde (§ 938 ABGB). Damit ein Vertrag als Schenkung qualifiziert werden könne, müßten sich die Vertragspartner darüber einig sein, eine Sache unentgeltlich zu überlassen bzw. anzunehmen. Über die Frage der Unentgeltlichkeit entscheide daher grundsätzlich der übereinstimmende Parteiwille. Eine Schenkung ohne Schenkungswille komme nicht in Betracht. Das Gesetz kenne aber auch den Begriff der gemischten Schenkung, § 935 ABGB nehme darauf ausdrücklich Bezug. Es könne in einem solchen Fall der entgeltliche Vertragsteil verschiedenen Vertragstypen zugeordnet werden, am häufigsten stelle er einen Kauf- oder Tauschvertrag dar. Nicht jeder zweiseitige Vertrag, der dem einen Teil einen größeren Vorteil bringe als dem anderen, dürfe aber als Schenkung des Mehrwertes angesehen werden. Vielmehr müßten die wesentlichen Begriffsmerkmale der Schenkung erfüllt sein; es müsse vor allem der übereinstimmende Parteiwille vorliegen, das Übermaß unentgelt zuwenden bzw. annehmen zu wollen. Insbesondere zwischen nahen Angehörigen könne es vorkommen, daß die Schenkungsabsicht hinsichtlich des Mehrwertes gelegentlich verschleiert werde; dann seien die Regeln über das Scheingeschäft anzuwenden. Der OGH habe sich in den Entscheidungen SZ 19/128 und SZ 23/232 besonders ausführlich mit der Rechtsnatur der bäuerlichen Übergangsverträge befaßt und sei dabei zu dem wesentlichen Ergebnis gekommen, daß ein solcher Vertrag im Zweifel keine Schenkung darstelle; derartige Verträge seien unter Berücksichtigung der bäuerlichen Lebensordnung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles unter Bedachtnahme auf die Existenzrücksichten des Unternehmers dahin zu würdigen, inwieweit sie entgeltliche bzw. unentgeltliche Geschäfte darstellen.
Der hier zu beurteilende Leibrentenvertrag stelle nicht nur einen Übergabsvertrag schlechthin, sondern zugleich auch einen aleatorischen synallagmatischen Vertrag dar, der im § 1269 ABGB ausdrücklich zu den Glücksverträgen gezählt werde. Der OGH habe, vornehmlich in der Entscheidung SZ 27/227, ausführlich dargelegt, daß bei einem solchen Vertrag das Verhältnis der beiderseitigen Leistungen zueinander insbesondere nach den Grundsätzen der Versicherungsmathematik abgeschätzt werden könne; es sei dann eine gemischte Schenkung anzunehmen, wenn das vom Übernehmer zu leistende Entgelt nicht einmal die Hälfte des Liegenschaftswertes erreiche oder doch erheblich hinter diesem zurückbleibe. Es komme immer darauf an, ob vertragschließenden Parteien die Schenkung einer auf diese erheblichen Wertdifferenz beabsichtigten. Der im § 785 ABGB geforderten Schenkungsabsicht sei jedoch schon dann Genüge geleistet, wenn zwischen der Leistung des Übergebers und der Gegenleistung des Übernehmers ein erhebliches Mißverhältnis bestehe, über das sich der Übergeber klar gewesen sein müsse. Die Schenkungsabsicht müsse von den Parteien ausdrücklich oder stillschweigend erklärt worden sein. Der geäußerte oder angenommene Schenkungswille stelle die Voraussetzung für eine Anrechnung auf den Pflichtteil und damit für den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten nach § 951 ABGB dar. In der Regel komme es dem Übergeber eines Bauerngutes nicht auf eine schenkungsweise Zuwendung, sondern auf die vereinbarte Gegenleistung an; er handle daher gewöhnlich nicht in Schenkungsabsicht. Sei diese Absicht nicht erwiesen, dann müsse schon aus diesem Gründe dem auf § 951 ABGB gestützten Klagebegehren ein Erfolg versagt bleiben. Mangels festgestellter Schenkungsabsicht könne keine Rede davon sein, daß etwa durch eine scheinhalber vereinbarte Gutsübergabe eine verdeckte Schenkung vorliege. Diese Grundsätze müßten noch viel eher für einen Leibrentenvertrag gelten, dessen Abschluß wegen des ihm innewohnenden aleatorischen Charakters ein viel größeres Risiko darstelle als Übergabsvertrag, in dem ein bestimmter Übernahmspreis oder sonstige, ganz bestimmte Leistungen an den Übergeber vorgesehen seien. Daraus ergebe sich, daß bei der rechtlichen Beurteilung des Vertrages dahin, ob er eine reine oder auch nur eine gemischte Schenkung darstelle, nicht nur das Verhältnis des Wertes der beiderseits erbrachten bzw. übernommenen Leistungen, sondern auch - und in erster Linie - der Parteiwille bei Vertragsabschluß maßgeblich sei, dem das Erstgericht im vorliegenden Fall bei der rechtlichen Beurteilung zu wenig Bedeutung beigemessen habe. Die Feststellungen des Erstgerichtes böten nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, daß Franz R und der Beklagte bei Abschluß des Leibrentenvertrages eine gemischte Schenkung bzw. deren Annahme beabsichtigten bzw. daß dem Veräußerer ein derartiger Vertragszweck auch nur klar sein hätte müssen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes habe Franz R den Beklagten unter mehreren Bewerbern als jenen ausgesucht, der ihm als der verläßlichere Vertragspartner von zwei Bestbietern erschienen sei. Es sei auch durchaus naheliegend gewesen, daß bei Veranschlagung des Wertes der beiderseitigen Leistungen von dem im Verlassenschaftsverfahren nach Anna R ermittelten Liegenschaftswert ausgegangen worden sei, weil die Schätzung durch zwei aus dieser Gegend stammende fachkundige Personen damals noch nicht lange zurückgelegen sei und offenbar auch die bäuerlichen Lebensverhältnisse entsprechend berücksichtigt habe. Ein Vergleich des damals ermittelten Schätzwertes mit dem vom Erstgericht festgestellten Wert der Gegenleistungen des Beklagten ergebe keine solche Differenz, die aus zwingenden Gründen nur mit einer vom Übernehmer wenigstens hingenommenen Schenkungsabsicht erklärt werden könne. Schließlich habe Franz R bei der Auswahl eines geeigneten Übernehmers auch berücksichtigen müssen, daß er von diesem u. a. höchstpersönliche Leistungen erwarte, nämlich eine entsprechende Betreuung, für die ein besonderes Vertrauensverhältnis offenbar wesentlich gewesen sei. Auch dieser Umstand könne bei der Beurteilung des Wertes der zu übergebenden Sache durch den Übergeber nicht übersehen werden. Trotz der festgestellten erheblichen Differenz zwischen dem Verkehrswert der dem Beklagten übergebenen Liegenschaft zur Zeit des Vertragsabschlusses und dem Wert der von letzterem übernommenen Gegenleistungen unter Berücksichtigung des Parteiwillens bei Abschluß des Leibrentenvertrages sei dieser Vertrag nicht als eine gemischte Schenkung zu werten, so daß dem Kläger keine Ansprüche nach den §§ 785 und 951 ABGB gegen den Beklagten zustunden.
Der Oberste Gerichtshof hob über Revision des Klägers das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Berufungsgericht ist zunächst in der Ansicht beizustimmen, daß der auf die Vorschriften der §§ 785 und 951 ABGB über den Schenkungspflichtanteil gegrundete Anspruch des Klägers, der auch gegen den Erben als Beschenkten unmittelbar geltend gemacht werden kann (8 Ob 83/72; 1 Ob 222/75), eine Vermögensverschiebung voraussetzt, die ganz oder teilweise vom Tatbestand der Schenkung im Sinne des § 938 ABGB erfaßt wird. Ob der von der Vermögensverschiebbung betroffene Wert zur Gänze oder - bei der gemischten Schenkung teilweise Gegenstand einer Schenkung war, kann nicht allein danach beurteilt werden, daß der Empfänger des Vermögenswertes mangels Erbringung einer Gegenleistung objektiv in seinem Vermögen bereichert ist, vielmehr mußte auch das Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung vorhanden sein, welches ausdrücklich oder schlüssig erklärt worden sein muß (vgl Koziol - Welser, Grundriß[3] I, 151; Larenz, Schuldrecht[10] II, 126; Soergel - Siebert, BGB[10], Schuldrecht I, 719; Palandt, BGB[35] 482). Auch dies wurde vom Berufungsgericht im Grundsätzlichen richtig erkannt. Es muß demnach nicht nur der Zuwendende, sondern auch der Empfänger der Zuwendung damit erkennbar einverstanden gewesen sein, daß die Zuwendung umentgeltlich erfolgt, daß ihr also keine oder keine wirtschaftlich beachtliche Gegenleistung gegenüberstehen soll. Dies gilt auch für die gemischte Schenkung, die - abgesehen vom Ausschluß der Anfechtung nach § 934 ABGB durch § 935 ABGB Gesetz nicht geregelt ist (Koziol - Welser, 151): hier ist entscheidend daß die Parteien einen Teil einer Leistung als geschenkt ansehen wollten (Koziol - Welser, 151; Larenz, 333; Soergel - Siebert, 723; Palandt, 484). Es kann daher eine gemischte Schenkung keinesfalls schon deshalb angenommen werden, weil die Leistung der einen Seite objektiv wertvoller ist als die der anderen (Koziol - Welser, 151), weil das Entgelt für eine Leistung bewußt niedrig, unter ihrem objektiven Wert angesetzt wurde (Larenz, 334), weil sich ein Vertragspartner mit einer unter dem Wert seiner Leistung liegenden Gegenleistung begnügte oder sich die Partner des objektiven Mißverhältnisses ausgetauschten Werte bewußt waren (Soergel - Siebert,724). Es darf nämlich nicht außer acht gelassen werden, daß die Parteien in der Bestimmung darüber, was sie als "äquivalent" ansehen, frei sind (Larenz, 334). Die Parteien müssen sich des doppelten Charakters der Leistung als teilweise entgeltlich und teilweise unentgeltlich bewußt gewesen sein, beide die teilweise Unentgeltlichkeit des Übereignungsvorganges gewollt und dies auch erkennbar zum Ausdruck gebracht haben (Larenz, 334). Die Notwendigkeit der subjektiven Voraussetzungen des Schenkungstatbestandes - auch bei der gemischten Schenkung - wurde vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch immer anerkannt (8 Ob 51/70; 7 Ob 152/72; SZ 44/30; 6 Ob 126/72; 5 Ob 123/74; 3 Ob 214/74 u. a.).
Es ist freilich zu bedenken, daß die Schenkungsabsicht der Parteien aus verschiedenen Gründen, so etwa auch zum Zwecke der Verkürzung des Pflichtteiles eines Erben des Schenkers, gelegentlich dadurch verschleiert werden kann, daß die Schenkung in ein Geschäft anderer Art, insbesondere in ein entgeltliches Geschäft, gekleidet wird. Eine derartige verschleierte Schenkung ist jedoch von der gemischten Schenkung, bei der ein entgeltliches mit einem unentgeltlichen Geschäft verbunden ist, zu unterscheiden; sie unterliegt, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, den Regeln über das Scheingeschäft, allenfalls über das Umgehungsgeschäft.
Aus den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles, zu denen unter anderen auch ein krasses Mißverhältnis der wechselseitigen Leistungen zählen kann (8 Ob 51/70; 6 Ob 152/72; 5 Ob 123/74; 3 Ob 214/74, SZ 44/30 u. a.), läßt sich allerdings das Vorliegen der Schenkungsabsicht der Vertragsparteien auch erschließen für sich allein aber wird dieser Umstand in der Regel nicht ausreichen, den Tatbestand der gemischten Schenkung zu erfüllen. Jedenfalls ist bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfang in einem Leibrentenvertrag Elemente einer gemischten Schenkung vorhanden sind, der aleatorische Charakter dieses Vertrages zu berücksichtigen (5 Ob 223/67). Ob die aufgezeigte subjektive Voraussetzung des Schenkungstatbestandes im Einzelfall vorliegt, fällt jedoch in das Gebiet der Tatsachenfeststellungen (6 Ob 45/71; 7 Ob 179/72; 5 Ob 210, 211/73; 8 Ob 144/74 u. a.), wie überhaupt der Schluß von bestimmten Tatsachen auf die Absicht der Parteien als tatsächliche Feststellung zu werten ist EvBl. 1951/356; RZ 1974, 54 u. a.; zuletzt 1 Ob 135/75).
Das Erstgericht hat wohl festgestellt, daß anläßlich der Errichtung des Leibrentenvertrages in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. M von einer Schenkungsabsicht des Franz R nicht gesprochen worden und eine derartige Absicht auch nicht erkennbar gewesen sei; es hat aber auch die Vermutung geäußert ("Es dürfte richtig sein .."), daß dem Beklagten die Schenkungsabsicht des Franz R nicht bekannt oder zumindest nicht klar gewesen sei, und ist damit offenkundig vom Vorhandensein einer Schenkungsabsicht Rs ausgegangen. Infolge dieses Widerspruches über die Schenkungsabsicht Rs bei Vertragsschluß einerseits und des mangelnden Feststellungswertes der Vermutung über die subjektive Einstellung des Beklagten zu der "Schenkungsabsicht" Rs andererseits durfte das Berufungsgericht nicht seiner Entscheidung die Annahme zugrunde legen, das Erstgericht habe festgestellt, daß Franz R und der Beklagte bei Abschluß des Leibrentenvertrages nicht beabsichtigten, Vermögenswerte zu schenken bzw. anzunehmen. Dies wurde vom Revisionswerber mit Recht gerügt. Keinesfalls können jedoch die verschiedenen vom Berufungsgericht angestellten Beweiserwägungen, warum die subjektive Schenkungsvoraussetzung nicht angenommen werden könne, eine geeignete Grundlage für eine originäre Feststellung dieser - unrichtig dem Erstgericht unterstellten - Tatsachenannahme abgeben, denn dazu hätte es einer Beweiswiederholung vor dem Berufungsgericht bedurft. Die dadurch bewirkte Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes wurde vom Revisionswerber gerügt, so daß sie auch vom OGH wahrgenommen werden muß.
Mit Recht rügt der Revisionswerber auch, daß das Erstgericht durch die Unterlassung der Verlesung des wesentlichen Inhaltes der Akten 19 Cg 163/69 gegen das Gebot der "Unmittelbarkeit" (richtig: Mundlichkeit), verstieß - und das Berufungsgericht sich mit diesem Verfahrensmangel nicht auseinandergesetzt hat.
Für den Fall der Annahme einer gemischten Schenkung käme auch der vom Revisionswerber als unrichtig bekämpften Feststellung des Erstgerichtes über den Schätzwert der dem Beklagten zugekommenen
Schenkung rechtliche Bedeutung für die Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruches zu. Das Berufungsgericht hatte die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes ohne Begründung als "unbedenklich" übernommen. Auch in dieser Beziehung wird vom Revisionswerber mit Recht ein Verfahrensmangel gerügt.
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