European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E120924
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Klägerin behauptet Schadenersatzansprüche gegenüber dem Beklagten, der nach Veräußerung der vom Nebenintervenienten in den gemieteten Räumlichkeiten betriebenen Rechtsanwaltskanzlei an ihn gemäß § 12a MRG nunmehr Hauptmieter sei, diese Unternehmensveräußerung aber nicht angezeigt habe.
Das Erstgericht sprach über Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten aus, dass zwischen den Streitteilen kein Mietverhältnis bestehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1.1. Die Beurteilung der Vorinstanzen, der Zwischenfeststellungsantrag sei zulässig, bewegt sich im Rahmen der Rechtsprechung. Danach sind Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Zwischenantrags 1. dass das Rechtsverhältnis oder Recht bestritten wurde, 2. dass es präjudiziell ist, 3. dass das Prozessgericht dafür zuständig ist und 4. dass die Entscheidung nicht in einem ausschließlich vorgeschriebenen Verfahren getroffen werden muss. Das Rechtsverhältnis oder Recht ist präjudiziell, wenn die Entscheidung des Prozesses ganz oder zum Teil von dessen Bestehen oder Nichtbestehen abhängt, ohne dass aber das Rechtsverhältnis oder Recht mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch ident ist (RIS‑Justiz RS0039539). Zulässig ist der Zwischenfeststellungsantrag dann, wenn er für das Hauptbegehren präjudiziell ist und die Zwischenfeststellungsentscheidung über den anhängigen Prozess hinauswirkt. Ein besonderes Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist hingegen nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0039600).
1.2. Die Gegenstand des Zwischenfeststellungs-antrags bildende Feststellung des Nichtbestehens eines Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen spricht über die präjudizielle Frage des – ex lege erfolgenden (RIS‑Justiz RS0124532) – Eintritts in den Mietvertrag gemäß § 12a Abs 1 MRG ab, der Ergebnis der von der Klägerin behaupteten Unternehmensveräußerung wäre. Als Vorfrage für das Bestehen des Schadenersatzanspruchs der Klägerin ist der Eintritt des Beklagten in das Bestandverhältnis nach § 12a Abs 1 MRG zu klären. Für die Entscheidung des Prozesses ist es daher wesentlich, ob der Beklagte im Sinn dieser Gesetzesstelle in das Mietverhältnis eingetreten ist oder nicht. Die von der Revision ins Treffen geführten theoretisch denkbaren weiteren Gründe für ein zwischen den Streitteilen bestehendes Bestandverhältnis (wie etwa eine Gesamtrechtsnachfolge) entbehren jeglicher Grundlage im Prozessvorbringen. Abgesehen davon wäre selbst im Fall, dass der Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten deshalb abzuweisen wäre, weil ein Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen aus anderen Gründen als der Unternehmensveräußerung nach § 12a Abs 1 MRG bestünde, die präjudizielle Frage nach einer Schadenersatzpflicht wegen Nichtanzeige der Unternehmensveräußerung geklärt und die Feststellung hätte eine über dem konkreten Prozess hinausgehende Wirkung. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen ist daher nicht zu erkennen.
2. Dass es sich bei der Vermietung von 140 bis 150 Bestandobjekten um unternehmerische Tätigkeit im Sinne einer selbständig organisierten Erwerbsgelegenheit mit entsprechenden Betriebsmitteln, Standort, Einrichtung und dergleichen (vgl RIS‑Justiz RS0068501) handelt, zieht die Revision zu Recht nicht in Zweifel. Die bloße Vermietung und Verpachtung von Räumlichkeiten bedarf, von der hier auszugehen ist (Hinweise auf ein Beherbergungsunternehmen, finden sich im Sachverhalt nicht) keiner Gewerbeberechtigung. Lediglich das Ausüben des Gewerbes der Immobilientreuhänder (§ 94 Z 35 GewO), das die Tätigkeiten der Immobilienmakler, der Immobilienverwalter und der Bauträger umfasst (§ 117 Abs 1 GewO) bedürfte einer entsprechenden Gewerbeberechtigung. Abgesehen davon, dass aus den Feststellungen keineswegs hervorgeht, dass der Nebenintervenient überhaupt das Gewerbe des Immobilientreuhänders im gemieteten Objekt ausgeübt hätte, lässt die Revision auch nähere Ausführungen vermissen, weshalb für die Beurteilung der Frage, ob in den gemieteten Räumen ein (weiteres) Unternehmen betrieben wird, auf das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung abzustellen wäre. Auch insoweit bedarf die Beurteilung der Vorinstanzen keiner Korrektur im Einzelfall.
3. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Veräußerung eines von mehreren in einheitlichen Mieträumen geführten selbständigen Betrieben nicht die Rechtsfolge des § 12 Abs 3 MRG (bzw nunmehr § 12a Abs 1 MRG) herbeiführt, sondern eine Zerlegung der Mietrechte bewirken würde, die ohne Mitwirkung des Vermieters nicht möglich sei. Mehrere gespaltene Schuldverhältnisse entstehen daher nicht (RIS‑Justiz RS0105078). Auch in der Entscheidung 5 Ob 145/06v wurde in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I23 § 12a MRG Rz 9; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4, § 12a MRG Rz 16) ausgesprochen, dass der Verkauf des – dort nur in einem Teil des Bestandobjekts betriebenen Frisiersalons – nicht den Rechtsübergang bewirken könne, weil die Rechtsfolgen des (damals) § 12 Abs 3 MRG bei Veräußerung eines von mehreren in einheitlichen Mieträumen geführten selbständigen Betrieben nicht eintreten.
Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass der Nebenintervenient im Bestandobjekt zwar einerseits eine Rechtsanwaltskanzlei geführt hatte, andererseits aber auch ein Hausverwaltungsunternehmen, in dessen Rahmen er die Vermietung und Verpachtung seiner eigenen Immobilien und derjenigen seiner Eltern betreute. Auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtete der Nebenintervenient per 31. 12. 2012, während er das Hausverwaltungsunternehmen nach wie vor im Bestandobjekt unverändert betreibt. Schon daraus ergibt sich, dass der Nebenintervenient entgegen den Revisionsausführungen kein einheitliches Unternehmen im Bestandobjekt betrieb – mag auch die rechtliche Grundlage für das Immobilienverwaltungsunternehmen seine Stellung als Rechtsanwalt gewesen sein. Dass hier jedenfalls kein vollständiger Unternehmensübergang vom Nebeninter-venienten auf den Beklagten erfolgte, sondern – allenfalls – nur der Teilbetrieb der Rechtsanwaltskanzlei an den Beklagten veräußert wurde, ist somit jedenfalls vertretbar und nicht korrekturbedürftig.
4. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Wenn die Vorinstanzen die Bestimmung im Mietvertrag, das Bestandobjekt dürfe „auch zu Kanzleizwecken“ verwendet werden, dahin auslegten, dass die Nutzung als Büro für ein Vermietungs‑ und Verpachtungsunternehmen eine dem Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei gleichwertige Verwendungsform sei, so ist dies keinesfalls unvertretbar. Auch eine Hausverwaltung oder eine unternehmerisch geführte Vermietung und Verpachtung kann schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter den Begriff der „Kanzleitätigkeit“ subsumiert werden. Im Übrigen ist die Frage, ob sich die Verwendung auch zu Zwecken einer Hausverwaltung mit dem vereinbarten Zweck deckt, allenfalls für ein Aufkündigungsverfahren relevant, nicht aber dafür, ob zwischen den Streitteilen überhaupt ein Bestandverhältnis besteht.
5. Für einen Machtwechsel im Sinn des § 12a Abs 3 MRG fehlt jede Grundlage. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, dass eine juristische Person oder eine unternehmerisch tätige eingetragene Personengesellschaft Hauptmieterin einer Geschäftsräumlichkeit ist und sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten entscheidend ändern. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bedarf es daher entweder einer juristischen Person oder einer eingetragenen Personengesellschaft als Hauptmieterin der Geschäftsräumlichkeit. Dafür fehlt hier jeder Anhaltspunkt. Zwar kann der Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte zu einer sogenannten Kanzleigemeinschaft nach der Rechtsprechung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts angesehen werden, bei der die verschiedenartigsten Gestaltungen möglich sind (RIS‑Justiz RS0022516). Jedenfalls ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aber weder juristische Person (RIS‑Justiz RS0022132) noch eingetragene Personengesellschaft, daran hat das GesbR-RG I BGBl 2014/83 nichts geändert (vgl § 1175 Abs 2 ABGB; Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB [Klang], § 1175 Rz 16 mwN). Selbst für den Fall, dass der Nebenintervenient und der Beklagte sich im Rahmen einer Kanzleigemeinschaft zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen hätten, wäre daher § 12a Abs 3 MRG auf Veränderungen im Rahmen dieser Gesellschaft nicht anzuwenden.
6. Die ausführlich begründete Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, bei Eingehen der Regiegemeinschaft zwischen dem Beklagten und dem Nebenintervenienten im Jahr 2005 sei nur dieser Mieter gewesen, er habe die Mietrechte am Bestandobjekt der Gesellschaft bzw dem Beklagten nicht einmal quoad usum zur Verfügung gestellt, wird in der Revision nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Für eine Änderung der Person des Mieters durch die Eintragung des Beklagten als Rechtsanwalt im Jahr 2005 (ohne Zustimmung der Mietvertragsparteien?) fehlt es an jeglichen Grundlagen in den Feststellungen, dies widerspricht überdies dem Vorbringen der Klägerin selbst, wonach der Beklagte sein Nutzungsrecht am Bestandobjekt vom Nebenintervenienten abgeleitet habe und bis zur Emeritierung des Nebenintervenienten 2012 ohne jedes Rechtsverhältnis zur Klägerin Nutzungsberechtigter in den Bestandräumlichkeiten gewesen sei. Die Veräußerung eines im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens von einem Mitmieter an den anderen Mitmieter könnte im Übrigen den Anhebungstatbestand des § 12a Abs 1 MRG gar nicht herstellen, weil es zu dessen Tatbestandsvoraussetzungen gehört, dass dem Vermieter ein anderer Mieter aufgedrängt wird (5 Ob 11/02g). Selbst wenn der Beklagte bereits Mitmieter gewesen sein sollte, könnte die Veräußerung der Rechtsanwaltskanzlei des Nebenintervenienten an ihn daher ein Mietzinsanhebungsrecht der Klägerin nicht begründen.
7. Dass der mittlerweilige Stellvertreter im Sinn des § 34 Abs 4 und § 28 Abs 1 lit h RAO lediglich den gesetzlichen Auftrag zur Fortführung der Rechtsanwaltskanzlei hat, allerdings kein Unternehmens‑ bzw Betriebsnachfolger ist, zieht die Revision nicht in Zweifel. Eine Veräußerung nach § 12a Abs 1 MRG setzt aber ein Rechtsgeschäft und nicht eine gesetzlich angeordnete Weiterführung des Unternehmens voraus (RIS-Justiz RS0108807; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht23 MRG § 12a Rz 12). Auch insoweit ist eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen nicht zu erkennen.
8. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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