Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts, wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts, soweit er Änderungen des Gutsbestandes der EZ ***** GB ***** betrifft, zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung durch das Erstgericht aufgehoben wird.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Das Vermessungsamt Braunau am Inn legte dem Erstgericht den Anmeldungsbogen GZ A-35/06 vom 3. 4. 2006 betreffend die Herstellung der Anlage „R*****-Straße“ vor und bestätigte zugleich, dass es sich um eine Straßenanlage handelt.
Das Erstgericht verbücherte den Anmeldungsbogen auftragsgemäß und ordnete dabei ua die Abschreibung von Trennstücken aus Grundstücken an, welche zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ ***** GB ***** gehören. Diese Liegenschaft steht aufgrund eines Übergabsvertrags vom 13. 5. 2003 im grundbücherlichen Eigentum der Rechtsmittelwerberin Margarethe G*****.
Das Rekursgericht gab dem von dieser erhobenen Rekurs, soweit er sich gegen die Abschreibung der Trennstücke 76, 79 und 99 richtete, nicht Folge und wies ihn im Übrigen mangels Beschwer der Rechtsmittelwerberin (insoweit rechtskräftig) zurück. Das Rekursgericht bezog sich in der Sache auf die zu 5 Ob 108/06b (= NZ 2007, 120 [Hoyer, NZ 2007, 127] = JBl 2007, 526 [Holzner] = MietSlg 58.521) eingeleitete Judikaturwende in Richtung eines erweiterten Rechtsschutzes im Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG, sah aber deshalb keinen Bedarf nach Klärung der Zustimmung der Buchberechtigten zur Rechtsabtretung, weil diese von der Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel nicht ausdrücklich bestritten worden sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, „weil sich im Fall einer den Rekursausführungen zu unterstellenden tatsächlichen Bestreitung einer - hier: vom Rechtsvorgänger der Rekurswerberin - erklärten Zustimmung zur verfahrensgegenständlichen Rechtsabtretung gerade auch unter Bedachtnahme auf die zitierte aktuelle oberstgerichtliche Rechtsprechung (5 Ob 108/06b) eine zur Aufhebung der bekämpften Entscheidung führende abweichende Einschätzung ergeben könnte“.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin Margarethe G***** mit dem Antrag auf Abänderung dahin, „dass der Antrag auf Übertragung der (ihr) gehörigen Trennstücke 76, 79 und 99 abgewiesen (werde)“. Hilfsweise stellt die Rechtsmittelwerberin auch einen Aufhebungsantrag.
Die Marktgemeinde H***** erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und in seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt, weil das Rekursgericht betreffend die unterstellte Zustimmung der Liegenschaftseigentümerin zur Grundabtretung die Rekursausführungen in rechtlich verfehlter Weise und damit nicht mehr vertretbar ausgelegt hat.
1. Das Rekursgericht und die Parteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass hier die erst seit 1. 1. 2009 - demnach erst nach Verfahrenseinleitung und nach der Entscheidung des Erstgerichts - geltende Rechtslage aufgrund der Grundbuchsnovelle 2008 (GB-Nov), BGBl I 2008/100, nicht anzuwenden ist, sodass der Liegenschaftseigentümerin vor dem Erstgericht noch nicht die Möglichkeit offen stand, fehlendes Einvernehmen über die Grundabtretungen geltend zu machen. Auszugehen ist daher (noch) von den in 5 Ob 108/06b (= NZ 2007/677 [GBSlg] [zust Hoyer] = Zak 2007/79, 53) zum Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG aF entwickelten Grundsätzen.
2. Zum Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG auf Basis der somit hier noch maßgeblichen Rechtslage vor der GB-Nov 2008 ist der erkennende Senat in der nun schon mehrfach zitierten Entscheidung 5 Ob 108/06b aus dort näher dargelegten Gründen zum Ergebnis gekommen, dass Buchberechtigten auch noch im Rekursverfahren der Einwand offen stehe, es sei weder Einvernehmen über die Rechtsabtretung bzw den Rechtsverlust noch ein - hier offenbar unstrittig nicht durchgeführtes - Enteignungsverfahren erfolgt. Werde ein solcher Einwand erhoben, habe das Grundbuchsgericht den Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen, das erzielte Einvernehmen oder das erfolgte Enteignungsverfahren urkundlich nachzuweisen. Unterbleibe dieser Nachweis, habe das Grundbuchsgericht gemäß § 28 LiegTeilG die Herstellung der Grundbuchsordnung zu veranlassen (so auch 5 Ob 60/07w; 5 Ob 126/08b; vgl auch Rassi, Judikaturwende im Sonderverfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG, Zak 2007, 247 ff).
3. Das Rekursgericht hat hier deshalb keine Notwendigkeit für eine solche Verfahrensergänzung erkannt, weil die Liegenschaftseigentümerin ein erzieltes Einvernehmen nicht ausdrücklich („nicht einmal konkret“) bestritten habe. Dieses Ergebnis ist aber angesichts der Rekursausführungen der Liegenschaftseigentümerin nicht vertretbar (ja geradezu aktenwidrig). In ihrem Rekurs führte die Liegenschaftseigentümerin nämlich auszugsweise Folgendes aus:
„...
Ich habe keine Zustimmung zu den Ergebnissen der vorliegenden Vermessung gegeben. Ich habe auch keine Unterschrift geleistet. ... Da keine Zustimmung meinerseits vorliegt, ist die Verbücherung nicht gerechtfertigt und damit auch der Beschluss aufzuheben. Ohne meine Zustimmung ist kein Einvernehmen im Sinne des Vermessungsgesetzes und des Liegenschaftsteilungsgesetzes anzunehmen.
...
Selbst wenn mein Rechtsvorgänger eine Zustimmung zu einer Straßenverlegung gegeben hätte, war er in Irrtum geführt worden.
..."
Aus diesen Rekursausführungen muss - wie im Revisionsrekurs mit Recht geltend gemacht wird - der Schluss gezogen werden, dass die Liegenschaftseigentümerin ein mit ihr bzw ihrem Rechtsvorgänger erzieltes Einvernehmen bestreitet. Dies muss - 5 Ob 108/06b folgend - zur Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts führen, und zwar jedenfalls hinsichtlich aller Bestandsänderungen, die den im Eigentum der Rechtsmittelwerberin stehenden Grundbuchskörper betreffen (vgl 5 Ob 126/08b; RIS-Justiz RS0066245).
4. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren allen Beteiligten die Möglichkeit zu eröffnen haben, das Einvernehmen der Beteiligten betreffend die hier strittigen Grundabtretungen - urkundlich - nachzuweisen. Dabei wird auch von der Rechtsmittelwerberin im Revisionsrekurs nicht in Frage gestellt, dass insoweit ein mit ihrem Rechtsvorgänger erzieltes Einvernehmen grundsätzlich ausreichen kann. Gelingt der urkundliche Nachweis des Einvernehmens, ist die Verbücherung des Anmeldungsbogens (auch) hinsichtlich der die Liegenschaft der Rechtsmittelwerberin betreffenden Bestandsänderungen vorzunehmen, andernfalls wird das Erstgericht die Herstellung der Grundbuchsordnung zu veranlassen haben.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 78 AußStrG iVm § 32 Satz 2 LiegTeilG.
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