European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127247
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG darf jegliche Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und keine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Wenn für eine Änderung – wie hier – auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, verlangt § 16 Abs 2 Z 2 WEG zusätzlich, dass die Änderung entweder der Übung des Verkehrs entspricht oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen muss (5 Ob 186/18s). Eine Abwägung der Interessen des die Änderung beabsichtigenden Wohnungseigentümers gegen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an der Unterlassung der Änderung ist aber nicht vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0083188). Der Umstand, dass die Antragsteller wegen der Inanspruchnahme allgemeiner Teile ein eigenes wichtiges Interesse an der geplanten Änderung darzulegen haben, bedeutet daher nicht, dass gegenläufige Interessen der Antragsgegner zumindest gleiches Gewicht haben müssten. Schon die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer allein steht vielmehr nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG der geplanten Änderung entgegen (RS0083240).
2. Grundsätzlich steht einer Änderung nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Wohnungseigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass ein Anspruch des Wohnungseigentümers auf Änderung zurückzustehen hat (RS0083236).
3. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt iSd § 16 Abs 2 WEG ist auf den Einzelfall abzustellen, wobei insbesondere auch im Zusammenhang mit der Frage der Interessenbeeinträchtigung alle in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen sind (RS0083309). Bei einer solchen Entscheidung besteht ein dem Außerstreitrichter vom Gesetzgeber eingeräumter Ermessensspielraum (RS0083309 [T13; T16]). Solange dieser Ermessensspielraum nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0083309 [T9]; RS0109643 [T10, T11, T12]). Nur in Fällen einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hätte der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen (5 Ob 186/18s). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
4. Die Erstantragstellerin plant ihr Wohnungseigentumsobjekt, eine ehemalige Tankstelle, baulich zu verschließen und darin drei Wohnungseigentumsobjekte, zwei Wohnungen und ein Büro, zu errichten. Durch die geplanten Umbauarbeiten käme es zu einer Umgestaltung der Außenanlagen. Es ist geplant, eine Grünfläche schräg bis auf das Niveau des Kellers abzugraben und einen an der Hauswand entlang führenden Weg zu schaffen, von dem aus der Eingang in die neuen Objekte erfolgen soll. Der Geländebruch soll durch eine Stützmauer abgefangen werden. Der derzeitige ebenerdige Zugang zum Gebäude soll durch eine Brückenkonstruktion ersetzt werden. Rechts von diesem Hauseingang befindet sich die Erdgeschoßwohnung der Erstantragsgegnerin. Die Umgestaltung der Grünfläche soll unmittelbar vor ihrer Loggia erfolgen.
Nach Auffassung des Rekursgerichts sei das Projekt in dieser Form schon mangels der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG nicht genehmigungsfähig. Es beeinträchtige die schutzwürdigen Interessen aller anderen Wohnungseigentümer wesentlich, wenn die Gesamtanlage derart geändert, der Außenbereich über nahezu die gesamte Südseite des Wohnhauses um ein ganzes Geschoß abgetragen, eine Grünfläche großflächig zerstört und der bisherige Hauszugang auf Erdniveau durch eine Brückenkonstruktion ersetzt werde. Besonders beeinträchtigt wäre freilich die Wohnung der Erstantragsgegnerin, vor deren Fenstern anstelle einer Grünfläche in Zukunft ein Zugangsweg zu drei Wohnungseigentumsobjekten wäre.
Diese Rechtsansicht des Rekursgerichts hält sich im Rahmen der von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätze und des ihm dabei eingeräumten Ermessensspielraums.
5. Gegenüber den Zweit- bis Zehntantragstellern(‑innen) begründete das Rekursgericht die Abweisung des Antrags auch damit, dass diesen die Antragslegitimation fehle. Diese Hilfsbegründung (vgl dazu 5 Ob 19/16d) kann nicht zum Gegenstand des außerordentlichen Rechtsmittels gemacht werden, weil sie für den Streitausgang nicht (mehr) erheblich ist (RS0042736 [T2]).
6. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.
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