OGH 5Ob149/14v

OGH5Ob149/14v26.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Andreas W*, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. Gerald K*, 2. Slobodan M*, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Gesamtstreitwert 20.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2013, GZ 16 R 81/13v‑36, mit dem über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Jänner 2013, GZ 54 Cg 70/12d‑32, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:E108892

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

I. Die Revision wird ‑ soweit sie das Begehren auf Unterlassung der Benutzung des Wohnungseigentumsobjekts W2 zu anderen als zu Wohnzwecken betrifft ‑ als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Revision teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend bestätigt, dass die Entscheidung als

Teilurteil

lautet:

„1. Die Beklagten sind schuldig, es zu unterlassen, die Wohnungseigentumsobjekte des Hauses *, W17 und 18 zu anderen als zu Wohnzwecken zu nutzen oder nutzen zu lassen.

2. Der Erstbeklagte ist schuldig, es zu unterlassen, in die Bausubstanz des Hauses *, einzugreifen, indem er die Mauer der Nachbarliegenschaft *, öffnet oder durchbricht.

3. Der Erstbeklagte ist schuldig, den ursprünglichen konsensmäßigen Zustand der Mauer im Kellergeschoß des Hauses * in * zur Nachbarliegenschaft * in * wiederherzustellen, dies binnen sechs Wochen ab Rechtskraft des Urteils.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Hinsichtlich des das Geschäftslokal 3 betreffenden Unterlassungsbegehrens werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang dem Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien.

Der Kläger erhob mehrere Unterlassungs‑ und ein Wiederherstellungsbegehren: Beide Beklagte sollten verpflichtet werden, es zu unterlassen, die Wohnungseigentumsobjekte W2, 17 und 18 zu anderen als zu Wohnzwecken sowie das Geschäftslokal 3 zu anderen als zu Geschäftsraumzwecken, insbesondere zum Zweck eines Beherbergungsbetriebs zu nutzen oder nutzen zu lassen. Vom Erstbeklagten begehrte der Kläger überdies die Unterlassung des Eingriffs in die Bausubstanz des Hauses durch Öffnung oder Durchbrechung zur Nachbarliegenschaft und die Wiederherstellung des ursprünglichen konsensmäßigen Zustands der Mauer im Kellergeschoss.

Der Kläger berief sich auf eine ohne Zustimmung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer erfolgte Widmungsänderung der betroffenen Wohnungs-eigentumsobjekte. Der erstbeklagte Wohnungseigentümer des Objekts W2 sei alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die im Nachbarhaus ein Hostel betreibe. Mit Unterstützung und Duldung des zweitbeklagten Wohnungseigentümers der Objekte W18 und 17 sowie G3 habe er den Geschäftsbetrieb des Hostels auf die betroffenen Wohnungseigentumsobjekte ausgedehnt, was zu einer inakzeptablen Belastung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer führe. Der Erstbeklagte habe zudem eine Feuermauer im Kellergeschoss zum Nachbargrundstück durchbrochen und eine Verbindungstür eingebaut.

Die Beklagten wendeten ‑ soweit noch relevant ‑ ein, dass die Wohnungseigentumsobjekte von den jeweiligen Mieterinnen und Mietern genutzt würden, welche häufig Besuch von Freunden und Verwandten hätten. Ein Durchbruch zum Nachbarhaus sei nicht erfolgt.

Das Erstgericht gab sämtlichen Begehren statt. In seiner rechtlichen Beurteilung ging es von einer widmungswidrigen Nutzung der Räumlichkeiten und einem eigenmächtigen Eingriff in die Bausubstanz des Hauses aus.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ über Abänderungsantrag (§ 508 ZPO) nachträglich die ordentliche Revision zu. Rechtlich bejahte es das Vorliegen eines unberechtigten Eingriffs in das Eigentumsrecht sowie der Wiederholungsgefahr.

Die Beklagten beantragen in ihrer Revision die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinn einer Abweisung der Klagebegehren. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der vom Berufungsgericht freigestellten Revisionsbeantwortung, das gegnerische Rechtsmittel mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen oder mangels Berechtigung abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

I. Nach Einlangen der vom Berufungsgericht freigestellten Revisionsbeantwortung der Kläger wurden die Akten dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. Dieser stellte mit Beschluss vom 30. 6. 2014 (5 Ob 217/13t) die Akten dem Berufungsgericht zurück und trug diesem eine Bewertung jedes einzelnen Entscheidungsgegenstands auf.

Das Berufungsgericht „verdeutlichte“ seinen ursprünglichen Bewertungsausspruch dahingehend, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der Unterlassung der Benutzung des Wohnungseigentums-objekts W2 5.000 EUR nicht und hinsichtlich der übrigen Begehren jeweils 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige.

Entsprechend dieser Bewertung ist die Revision hinsichtlich des auf das Wohnungseigentumsobjekt W2 bezogenen Unterlassungsbegehrens nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Der nachträgliche Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts ändert daran nichts.

Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung nicht auf die Problematik der Bewertung mehrerer gegenüber verschiedenen Beklagten erhobenen Begehren, die verschiedene Wohnungseigentumsobjekte betreffen, und als Konsequenz daraus auch nicht auf eine allfällige absolute Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihm keine anteiligen Kosten für seine Rechtsmittelbeantwortung zu ersetzen sind (vgl RIS‑Justiz RS0124565).

II. In Ansehung der nicht das Wohnungseigentumsobjekt W2 betreffenden Begehren ist die Revision zulässig und teilweise im Sinn einer Aufhebung berechtigt.

1. In diesem Verfahren über die Klage eines Mit- und Wohnungseigentümers auf Unterlassung oder Beseitigung rechtswidriger Änderungen durch andere Mit‑ und Wohnungseigentümer ist nach überwiegender neuer Rechtsprechung, die auch der erkennende Senat vertritt (5 Ob 25/08z; 5 Ob 40/12m; 5 Ob 73/14t), ausschließlich die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung zu prüfen (RIS‑Justiz RS0013665 [T15]; RS0083156 [T6, T14, T20]).

1.1 Eine eigenmächtige und rechtswidrige Widmungsänderung kann im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 in der Änderung des Gegenstands und der Betriebsform des in einem Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens bestehen, weil dadurch Rechte und rechtlich geschützte Interessen sowohl der Gemeinschaft als auch jedes einzelnen Mit‑ und Wohnungseigentümers berührt werden können (RIS‑Justiz RS0083132; 5 Ob 59/05w = immolex 2005, 279 [Prader]; 5 Ob 122/05k = immolex 2005, 308 [Prader]; 5 Ob 241/09s = wobl 2010, 45/18 [Illedits]). Die Zulässigkeit einer Widmungsänderung ist so zu beurteilen, dass man die gültige Widmung des betreffenden Objekts der beabsichtigten Verwendung gegenüberstellt (RIS‑Justiz RS0101800 [T4]).

1.2 Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der im Nachbarhaus situierte Beherbergungsbetrieb, ein Hostel zu nicht mehr genau feststellbaren Zeiträumen in den Jahren 2008 bis 2012 unter anderem auf die als Wohnungen gewidmeten Wohnungseigentumsobjekte W2, 17 und 18 sowie auf das als Geschäftslokal gewidmete Wohnungs-eigentumsobjekt G3 ausgedehnt. Die Nutzung der betroffenen Räumlichkeiten im Rahmen des Hostelbetriebs führte zu einer überdurchschnittlich starken Verschmutzung des Stiegenhauses, zu Lärm und zu einer Überfüllung der Mülltonnen. Um die Erfordernisse eines Beherbergungsbetriebs zu erfüllen, wurden die Räumlichkeiten umgebaut. Von der Straße wurde ein Eingang zum Objekt G3 geschaffen und es wurde ein Steckkartenschloss angebracht. Von dem im Keller gelegenen Wohnungseigentumsobjekt W2, das der Erstbeklagte als Werkstätte nutzte, ließ er einen Durchbruch zum Nachbarhaus (dem Hostel) herstellen.

1.3 Inhaltlich befassen sich die Beklagten in der Revision zur Frage der Genehmigungsbedürftigkeit nur mehr mit der Verwendung des Wohnungseigentumsobjekts G3, die sie nicht als bewilligungspflichtige Widmungsänderung qualifizieren. Die von den Vorinstanzen bejahte Genehmigungsbedürftigkeit der Nutzung der übrigen als Wohnungen gewidmete Objekte sowie des geschaffenen Durchbruchs zum Nachbarhaus ziehen sie demnach (zu Recht) nicht mehr in Zweifel.

1.4 Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs ist bei einer unspezifischen Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts als Geschäftslokal die Umwandlung des Gegenstands und der Betriebsform eines dort geführten Unternehmens erst dann genehmigungsbedürftig im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002, wenn dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (5 Ob 241/09s; 5 Ob 172/10w = wobl 2012, 150/55 je mwN).

1.5 Für den Betrieb eines Hostels mag typisch sein, dass sich im Haus eine Vielzahl häufig wechselnder Gäste, also hausfremder Personen aufhält, was schutzwürdige Interessen der anderen Mit‑ und Wohnungseigentümer insbesondere an Sicherheit und Ruhe beeinträchtigen kann. Für die Beurteilung, ob dadurch die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden, sind aber ‑ wie die Revisionswerber zu Recht darlegen ‑ Feststellungen zur ursprünglichen Verwendung des betroffenen Geschäftslokals notwendig, die hier zur Gänze fehlen. Ein „Vorher‑Nachher‑Vergleich“ ist Grundlage für die abschließende Klärung der Frage einer wesentlichen, nicht mehr verkehrsüblichen Beeinträchtigung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer.

2. Im Unterlassungsprozess hat der Beklagte den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0005402). Bestreitet er das Vorliegen der Wiederholungsgefahr, muss er besondere Gründe darlegen, die eine solche Wiederholung in Zukunft als völlig ausgeschlossen oder doch zumindest als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0012064 [T14]). In der höchstgerichtlichen Judikatur wird darauf abgestellt, ob dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS0012087).

2.1 Die Beklagten haben von Anfang an den Vorwurf einer widmungswidrigen Führung eines Beherbergungsbetriebs bestritten und versucht, den Gästeverkehr samt seinen negativen Auswirkungen mit häufigen Besuchen von Freunden und Verwandten diverser Mieter der Wohnungseigentumsobjekte zu erklären. Ihr ernstlicher Wille, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen, ist in diesem Bestreitungsvorbringen keinesfalls zu erkennen. Wenn sie meinen, die Wiederholungsgefahr bestehe deshalb nicht, weil zum Zeitpunkt der Klagseinbringung im Jahr 2010 keine Störung mehr vorgelegen habe, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Entgegen ihrem Vorwurf sind die Tatsachenfeststellungen zur Ausweitung des Hostelbetriebs auf die betroffenen Wohnungs-eigentumsobjekte des benachbarten, hier gegenständlichen Hauses, durch das Vorbringen des Klägers gedeckt und damit nicht „überschießend“. Das Vorbringen des Klägers, wonach der Beherbergungsbetrieb nunmehr auf die im Erdgeschoß gelegenen Wohnungseigentumsobjekte ausgedehnt worden sei, lässt keinesfalls zwingend nur die von den Beklagten gewünschte Interpretation zu, dass vor der Einbringung der Klage gar keine Störungshandlungen stattgefunden haben sollten. Abgesehen davon ist diese Interpretation der Beklagten für die Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr nicht relevant, zumal die Störungshandlungen nach den Feststellungen des Erstgerichts tatsächlich gesetzt wurden, wenn auch nicht exakt feststeht, zu welchen Zeitpunkten.

3. Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Ergebnis: Nur in Ansehung des Wohnungseigentumsobjekts G3 kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Eigentumsfreiheitsklage des klagenden Mit‑ und Wohnungseigentümers berechtigt ist. In diesem Umfang erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig, während die Stattgebung der übrigen die Wohnungseigentumsobjekte W17 und 18 betreffenden Unterlassungsbegehren sowie des Beseitigungsbegehrens mit Teilurteil zu bestätigen ist.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO.

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