European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00128.24W.1218.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt von der beklagten Rechtsanwalts-GmbH die Herausgabe von Kostenersatzbeträgen aus mehreren Gerichtsverfahren, in denen sie als Nebenintervenientin der obsiegenden Partei beigetreten war. Die Vereinbarung über ihre rechtliche Beratung und Vertretung wurde mit dem (nunmehrigen) Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten abgeschlossen. Darin waren das für die anwaltlichen Leistungen zu verrechnende Honorar (nach einem Stundensatz), die monatliche Abrechnung sowie eine Zahlungsfrist geregelt; eine Regelung über die Verwendung gerichtlich zugesprochener Kostenersatzbeträge für den Fall strittiger Honorarforderungen enthielt diese Vereinbarung nicht. Die Klägerin bestreitet, dass die Vereinbarung später dahin abgeändert wurde, dass die Beklagte berechtigt sei, Kostenersatzleistungen zu vereinnahmen, soweit sie das vereinbarte (und von der Klägerin bezahlte) Stundenhonorar übersteigen.
[2] Weder die Beklagte noch ihr Geschäftsführer hinterlegten den strittigen Betrag bei Gericht.
[3] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 158.076,09 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 128.006,58 EUR sA ab. Die Klägerin habe die behauptete Abänderung der Honorarvereinbarung bestritten, sodass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den strittigen Betrag an sie auszufolgen oder zu hinterlegen.
[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[6] 1. Ein Rechtsanwalt hat, falls Richtigkeit und Höhe seiner Honorarforderung bestritten werden, entweder den bei ihm eingegangenen Betrag dem Klienten auszufolgen oder bei Gericht gemäß § 1425 ABGB zu erlegen. Er hat zu Gunsten strittiger Honorarforderungen kein Zurückbehaltungsrecht und kann im Fall der Bestreitung seiner Honorarforderung nur zwischen Rückzahlung oder gerichtlichem Erlag wählen (RS0033851 [T7]; vgl auch RS0056451). Hat der Rechtsanwalt nicht ordnungsgemäß bei Gericht erlegt, muss er die gesamten Beträge herausgeben, ohne dass er dieser Herausgabeverpflichtung seinen Kostenanspruch entgegensetzen könnte (RS0072014). Dabei besteht keine Obliegenheit des Mandanten zu einem unverzüglichen Bestreiten der Honorarforderung (vgl RS0056451 [T5]).
[7] Die Parteien streiten über die Frage der Richtigkeit der Honorarabrechnung für die anwaltlichen Leistungen – nicht zuletzt deswegen, weil der Geschäftsführer der Beklagten eine geänderte Vereinbarung über die Vorgangsweise bei der Abrechnung behauptet, die nach Ansicht der Klägerin nicht zustande gekommen ist. Die auf dem Konto der Beklagten eingegangenen Kostenersatzbeträge hätten daher nach ständiger Rechtsprechung zu § 19 Abs 3 RAO gerichtlich hinterlegt oder der Klägerin herausgegeben werden müssen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechen diesem Grundsatz. Soweit die Beklagte zu der von ihr behaupteten geänderten Vereinbarung Feststellungen vermisst, ignoriert sie, dass sie ihrer Verpflichtung zur Herausgabe der bei ihr eingegangenen Kostenersatzleistungen einen aus der strittigen Honorarvereinbarung abgeleiteten Anspruch gerade nicht entgegensetzen kann. Mit ihren wiederholten Verweisen auf das Fehlen von Feststellungen zu der ihrer Ansicht nach wirksam abgeschlossenen (Änderungs‑)Vereinbarung kann sie daher keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht und damit auch keinen (Feststellungs-)Mangel aufzeigen. Das gilt auch für den von ihr behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Verfahrensökonomie, der im Kern ebenfalls den Vorwurf betrifft, dass sich die Vorinstanzen mit der strittigen Abänderungsvereinbarung nicht auseinandergesetzt haben. Die von ihr in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung zu 6 Ob 312/04g betraf ein Verfahren über die Zustimmung zur Ausfolgung des von einem Rechtsanwalt gerichtlich hinterlegten Betrags und ist damit ebenso wenig einschlägig wie die Entscheidung zu 6 Ob 37/18m, in der eine (unstrittige) Vereinbarung zwischen zwei Rechtsanwälten auszulegen war. Die darin enthaltene Aussage, dass (allein) aus der Pflicht des Rechtsanwalts, fremdes Geld auf einem Anderkonto einzuzahlen bzw zu verwahren, nicht der Schluss gezogen werden könne, jedes auf einem Anderkonto liegende Geld sei automatisch Fremdgeld (6 Ob 37/18m = RS0126374 [T1]), kann damit nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Da es hier nicht um einen auf ihr Honorar geleisteten Vorschuss, sondern ausschließlich um von ihr einbehaltene Kostenersatzbeträge geht, lässt sich für ihren Standpunkt auch aus der Entscheidung zu 23 Os 2/16s nichts gewinnen.
[8] 2. Wenn ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter einschreitet, ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis, nicht jedoch die Erteilung einer Vollmacht (RS0035830). Aus § 30 Abs 2 ZPO ergibt sich, dass dem Rechtsanwalt grundsätzlich vertraut wird, wenn er ein Vollmachtsverhältnis behauptet. Dieses Vertrauen erstreckt sich im Allgemeinen auch darauf, dass die Bevollmächtigung von einer hierzu befugten Person erteilt wurde. Im Regelfall genügt daher auch bei juristischen Personen der bloße Hinweis auf die erteilte Bevollmächtigung (RS0035835). Der erleichterte Vollmachtsnachweis des § 30 Abs 2 ZPO befreit das Gericht zwar nicht von der Prüfung, ob tatsächlich Prozessvollmacht erteilt wurde, wenn sich aus der Aktenlage oder aus Gerichtsnotorietät Zweifel gegen eine solche Vollmachtserteilung ergeben. Es muss sich hier jedoch um konkrete Zweifel handeln. Bestehen solche nicht, dann hat eine Prüfung, ob tatsächlich Bevollmächtigung erteilt wurde, nicht zu erfolgen (RS0035833).
[9] Das Berufungsgericht sah – wie schon das Erstgericht – keinen Anlass, an der wirksamen Bevollmächtigung der Klagevertreterin zu zweifeln, und hat daher die von der Beklagten dagegen vorgetragenen Bedenken, die sie mit ihren erstinstanzlichen Argumenten gegen die (im Revisionsverfahren nicht mehr strittige) Aktivlegitimation der Klägerin vermischte, nicht geteilt. Indem sie sich damit begnügt, ihre schon im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente zu wiederholen, kann sie Bedenken gegen den im Sinn des § 30 Abs 2 ZPO erleichterten Vollmachtsnachweis und damit eine Fehlbeurteilung dieser Frage nicht aufzeigen. Auch aus der Aktenlage ist kein Grund für Zweifel an der Vollmachtserteilung erkennbar.
[10] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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