OGH 5Ob126/24a

OGH5Ob126/24a14.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. R*, und 2. L*, beide vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Grundbuchsberichtigung zu EZ *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen als Rekursgericht vom 16. Mai 2024, AZ 47 R 108/24s, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 5. April 2024, TZ 1138/2024, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00126.24A.1114.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

Urkunden

1) Vertrag vom 20.07.2023

2) Reisepass vom 6.05.2016

3) Grundstückswertberechnung vom 18.04.2023

4) Einantwortungsurkunde 5 A 374/49-5 vom 3.01.1950

5) Einantwortungsurkunde 1 A 338/56-5 vom 7.06.1956

6) Einantwortungsurkunde 1 A 709/77-8 vom 20.10.1977

7) Einantwortungsurkunde 1 A 82/97t-9 vom 6.06.1997

8) Geburtsurkunde L*S*,

geb. *1921

 

 

Bewilligt wird

 

in EZ * KG*

auf Anteil B-LNR 1

 

1 Anteil 1/4 (L*)

die Einverleibung des Eigentumsrechts für R*,

gemäß Vertrag vom 20.07.2023;

die Zusammenziehung der Anteile Zeile 1, 2

 

 

auf Anteil B-LNR 2

 

2 Anteil 1/4 (T*)

die Einverleibung des Eigentumsrechts für R*,

gemäß Vertrag vom 20.07.2023;

die Zusammenziehung der Anteile Zeile 1, 2

 

 

 

  

 

Hiervon werden verständigt:

1) Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt, 1020 Wien,

Praterstern 2/1/DG

2) Bundesministerium für Finanzen,

Johannesgasse 5, 1010 Wien.“

 

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

 

Begründung:

[1] Die beiden Antragsteller begehrten die Berichtigung des Grundbuchstands durch Einverleibung des Eigentumsrechts des Erstantragstellers an den beiden Viertelanteilen B-LNR 1 und B-LNR 2 der Liegenschaft EZ *. Der Erstantragsteller habe an der gesamten Liegenschaft originär Eigentum durch Ersitzung erworben. Für die Verbücherung des Eigentumsrechts des Erstantragstellers an den weiteren beiden Viertelanteilen dieser Liegenschaft (B-LNR 3 und 4) fehlten allerdings noch Urkunden für den Nachweis der Erbrechtsnachfolge in grundbuchsfähiger Form.

[2] Im Antrag erklärte der Rechtsanwalt der Antragsteller mit Hinweis auf § 12 GrEStG, er werde die Grunderwerbsteuer für die Eigentumseinverleibung selbst berechnen und gemäß § 13 GrEStG fristgerecht abführen.

[3] Die Verlassenschaft („der Nachlass“) nach dem im Grundbuch zu einem Viertelanteil (B-LNR 1) der EZ *, einverleibten L* [sen.] wurde mit Einantwortungsurkunde vom 3. Jänner 1950 zu ¾ der (am Viertelanteil zu B-LNR 2 einverleibten) Witwe T* und zu ¼ dem Sohn L*S* (geboren am * 1921) eingeantwortet. Die Verlassenschaft („der Nachlass“) nach T* wurde mit Einantwortungsurkunde vom 7. Juni 1956 „zur Gänze“ dem Sohn L*S* (geboren am * 1921) eingeantwortet. Mit Einantwortungsurkunde vom 20. Oktober 1977 wurde die Verlassenschaft nach L*S* (geboren am * 1921) je zur Hälfte den beiden Kindern J* (geboren am * 1944) und L* (geboren am * 1946, [jun.], dem nunmehrigen Zweitantragsteller) eingeantwortet. Mit Einantwortungsurkunde vom 6. Juni 1997 wurde die Verlassenschaft der J* (geboren am * 1944) zur Gänze deren Bruder L* (geboren am * 1946, [jun.]), dem Zweitantragsteller, eingeantwortet.

[4] Mit notariell beglaubigt unterfertigtem Vertrag vom 20. Juli 2023 „zur Grundbuchsberichtigung“ anerkannten der Zweitantragsteller L* (geboren am * 1946, [jun.]) und drei weitere Personen, die laut Vertragsinhalt die Rechtsnachfolger nach den beiden an je einem weiteren Viertelanteil im Grundbuch zu B-LNR 3 und 4 der Liegenschaft einverleibten Personen sind, das alleinige, durch Ersitzung erworbene, außerbücherliche Eigentum des Erstantragstellers R* an der Liegenschaft EZ*, bestehend aus dem Grundstück *. Die aus einem Grundstück mit 21 m² bestehende, unbebaute Liegenschaft grenzt laut Vertragsinhalt unmittelbar an zwei Grundstücke einer Liegenschaft, die sich seit jeher im Eigentum und Besitz der Familie S* befindet; jedenfalls seit dem Jahr 1983 wurde das Grundstück * von der Familie S* gemeinsam mit deren eigenen Grundstücken als eine einheitliche Fläche genutzt. Durch den Vertrag vom 20. Juli 2023, in dem sämtliche Beteiligten mit gesonderten, beglaubigten Aufsandungserklärungen der Einverleibung des Eigentumsrechts des Zweitantragstellers zustimmten, soll die bücherliche Eintragung des außerbücherlich erworbenen Rechts des Erstantragstellers erreicht werden.

[5] Das Erstgericht wies den Antrag ab.

[6] In dem von den Antragstellern vorgelegten Vertrag vom 20. Juli 2023 seien vier Personen als Gesamtrechtsnachfolger der im Grundbuch eingetragenen Eigentümer genannt. Die dazu vorgelegten Einantwortungsbeschlüsse würden aber „keinerlei Verbücherungsklausel“ aufweisen und außerdem fehlten dazu die Unbedenklichkeitsbescheinigungen.

[7] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung.

[8] Der Inhalt des Vertrags vom 20. Juli 2023 sei kein konstitutives Anerkenntnis, weil darin keine neue selbständige Verpflichtung eingegangen werde. Deshalb liege kein gültiger Rechtsgrund im Sinn des § 26 Abs 2 GBG vor. Eine Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG setze voraus, dass die begehrte Eintragung nur deklarative Bedeutung habe. Der Nachweis der Ersitzung und damit die Unrichtigkeit des Grundbuchs sei aber „durch die bloßen Behauptungen in der Anerkenntnisurkunde“ (gemeint: im Vertrag vom 20. Juli 2023) nicht erbracht. Da die Liegenschaft in den mit dem Antrag vorgelegten Einantwortungsurkunden nicht angeführt werde, sei der Zwischenerwerb der Rechtsvorgänger daran und damit auch die Rechtsnachfolge des Zweitantragstellers nicht nachgewiesen.

[9] Der Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[10] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

[12] 1.1 Liegt ein Fall der nachträglichen außerbücherlichen Rechtsänderung vor, so erfolgt die Angleichung des Grundbuchs an die wahre Rechtslage nach den Regeln über die Grundbuchsberichtigung gemäß § 136 Abs 1 GBG. Eine nach dieser Bestimmung erwirkte Eintragung hat, weil lediglich die tatsächliche Rechtslage nachvollzogen wird, bloß deklarative Bedeutung (RS0079847 [T2]) und erfordert den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchstands. Dieser Nachweis tritt an die Stelle der sonst (§§ 31 ff GBG) geforderten urkundlichen Unterlagen und ist dann erbracht, wenn die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen ist (RS0061010 [T5]). Im Fall einer Ersitzung muss der Erwerber die Ersitzung durch eine beglaubigte Urkunde mit entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Gegners oder durch ein Feststellungsurteil nachweisen (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 136 GBG Rz 12 mwN).

[13] 1.2 Die für eine Berichtigung nach § 136 GBG erforderliche (öffentliche) Urkunde muss nicht den Erfordernissen zur Einverleibung (§ 33 GBG) entsprechen und auch nicht im Original vorgelegt werden. Die Bestimmung des § 87 GBG gilt für eine Berichtigung nach § 136 GBG nicht (RS0061070 [T1]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 136 GBG Rz 19).

[14] 1.3 Dass auch eine Aufsandungserklärung mit Hinweis auf den Rechtsgrund – etwa die Ersitzung des dinglichen Rechts – versehen mit einer dem § 31 Abs 1 GBG entsprechenden Beglaubigung als Urkunde im Sinn des § 26 Abs 1 GBG ausreichen kann, um die angestrebte Einverleibung im Grundbuch zu erreichen, hat der Fachsenat bereits ausgesprochen (vgl 5 Ob 186/22x mwN). Die von den Antragstellern vorgelegte Kopie des notariell beglaubigt unterfertigten Vertrags vom 20. Juli 2023 „zur Grundbuchsberichtigung“ ist entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts keine „bloße Behauptung“ ohne entsprechenden Nachweis. Der Vertragstext enthält neben den Anerkenntnis- und Aufsandungserklärungen aller Beteiligten samt Beglaubigung der Unterfertigungen klare Angaben über die jahrelange Nutzung der rund 21 m² großen, unbebauten Fläche, woraus sich nachvollziehbar die – von den Beteiligten ausdrücklich anerkannte – Ersitzung des Eigentumsrechts des Erstantragstellers ergibt. Die Urkunde entspricht damit den Voraussetzungen für die beantragte Berichtigung nach § 136 GBG.

[15] 1.4 Die auch für Eintragungen nach einem bereits außerbücherlich eingetretenen Erwerb erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (dazu Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 94 GBG Rz 168 mwN) kann gemäß § 160 Abs 1 Satz 2 BAO durch eine Selbstbemessungserklärung des Notars oder Rechtsanwalts im Sinn der §§ 11 ff GrEStG ersetzt werden (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 94 GBG Rz 180 mwN).

[16] 2.1 Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts benötigen die von den Antragstellern vorgelegten, aus den Jahren 1950 bis 1977 stammenden Einantwortungsurkunden keine Verbücherungsklausel. Nach der bis zum Inkrafttreten des AußStrG 2003 geltenden Bestimmung des § 174 Abs 2 AußStrG 1854 war eine Verbücherungsklausel nicht Inhalt der Einantwortungsurkunde. Soweit eine solche dennoch enthalten war, kam ihr für die grundbuchsrechtlichen Verfügungen keine konstitutive Wirkung zu (vgl RS0044159; RS0007908 [T2]). Der Entscheidung 5 Ob 45/95 lag ein anderer Sachverhalt zugrunde, denn dort war in der – zwar gemäß § 174 Abs 2 AußStrG 1854 nicht erforderlichen, aber in der Praxis häufigen – Verbücherungsklausel eine andere Liegenschaft genannt als die, zu der eine Einverleibung begehrt worden war; damit war im dort zu beurteilenden Fall die Rechtsnachfolge nicht hinreichend nachgewiesen. Demgegenüber ist im vorliegenden Fall durch die vorgelegten Einantwortungsurkunden über die mehrfache Erbfolge die Berechtigung des Zweitantragstellers zur vertraglichen Zustimmung betreffend die Ersitzung in der für das Grundbuchsverfahren erforderlichen Weise erwiesen. Der Umstand, dass die Liegenschaft EZ *, in den von den Antragstellern vorgelegten Einantwortungsurkunden der Jahre 1950 bis 1997 nicht genannt ist, steht daher einer Bewilligung des Einverleibungsgesuchs nicht entgegen.

[17] 2.2 Auch der weitere vom Rekursgericht herangezogene Abweisungsgrund liegt nicht vor, denn der Rechtsübergang auf den im „Vertrag zur Grundbuchsberichtigung“ vom 20. Juli 2023 genannten Zweitantragsteller (der in dritter Generation den gleichen Vornamen trägt wie sein zu B-LNR 1 eingetragener Großvater und der im zweiten Erbgang nach seiner zu B-LNR 2 eingetragenen Großmutter, nämlich nach seiner im Jahr 1997 verstorbenen Schwester, Erbe auch dieses Viertelanteils ist) ergibt sich aus den vorgelegten Einantwortungsurkunden. Damit ist die Erbfolge für die beiden Viertelanteile, auf die sich der Antrag bezieht, lückenlos nachgewiesen.

[18] 2.3 Wie erwähnt, hat der Rechtsanwalt der Antragsteller für die begehrte Einverleibung des Erstantragstellers eine Selbstbemessungserklärung abgegeben, sodass die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung der begehrten Einverleibung nicht entgegensteht. Dass sich trotz Ersitzung der gesamten Liegenschaft der Antrag nur auf die Viertelanteile B-LNR 1 und 2 bezieht, wurde mit den noch fehlenden grundbuchsfähigen Urkunden betreffend die Rechtsnachfolge nach den beiden im Grundbuch zu B-LNR 3 und 4 eingetragenen Personen erklärt.

[19] 3. In Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen war daher das Einverleibungsgesuch der Antragsteller zu bewilligen.

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