OGH 5Ob12/23k

OGH5Ob12/23k18.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ * KG *, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch Dr. Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 12.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. November 2022, GZ 2 R 89/21h‑22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 17. Mai 2021, GZ 51 C 644/20x‑11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00012.23K.0418.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte war bis 20. 5. 2020 zu 80/276 Anteilen Miteigentümerin einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum begründet ist. Mit diesen Anteilen ist das ausschließliche Nutzungsrecht an der Wohnung W4 und dem Garagenplatz G3 verbunden. Mit Kaufvertrag vom 24. 4. 2020 hat sie ihre Miteigentumsanteile an eine nicht verfahrensbeteiligte Partei verkauft. Die restlichen 196/276 Anteile an der Liegenschaft stehen je zur Hälfte im Eigentum von Eigentümerpartnern, einem Ehepaar; mit ihnen ist Wohnungseigentum an den Wohnungen W1, W2 und W3 sowie an den Garagenabstellplätzen G1 und G2 verbunden.

[2] Für die Eigentümergemeinschaft ist kein Verwalter bestellt. Über Initiative der beiden Eigentümerpartner fand am 24. 11. 2018 eine Eigentümerversammlung statt, die die Organisation der Verwaltung zum Thema hatte. Die anwesenden Eigentümer (die Eigentümerpartner) beschlossen, dass kein Verwalter zu bestellen ist. Die Frau bevollmächtigte ihren Mann, sie in Angelegenheiten der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft zu vertreten.

[3] Mit Schreiben vom 30. 12. 2019 informierte der Mann die Beklagte über die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen, übermittelte ihr eine auf Anboten für diese Arbeiten basierende Investitionsvorschau für das Jahr 2020 und setzte sie davon in Kenntnis, dass geplant sei, die Vorhaben mittels Sondervorschreibung zu finanzieren. Mit einem weiteren Schreiben vom 11. 3. 2020 forderte er die Beklagte zur Leistung einer (ersten) Sondervorschreibung von 12.000 EUR auf das Rücklagenkonto der Eigentümergemeinschaft auf.

[4] Die Beklagte hat diese Vorschreibung erhalten; ihr ging keine Beschlussfassung durch die Miteigentümer voraus.

[5] Die Klägerin begehrt die Zahlung von 12.000 EUR. Die Eigentümergemeinschaft werde durch die nach Miteigentumsanteilen berechnete Mehrheit der Wohnungseigentümer vertreten, die durch die beiden Eigentümerpartner repräsentiert werde.

[6] Die Beklagte bestritt – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – die Aktivlegitimation der Klägerin und wendete ein, dass die von der Klägerin beabsichtigten Sanierungsarbeiten nicht erforderlich seien.

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da weder über die Klageeinbringung noch die Bevollmächtigung des Klagevertreters ein wirksamer Beschluss gefasst worden sei, fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation.

[8] Im ersten Rechtsgang hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichts und das ihm zugrunde liegende Verfahren aus Anlass der Berufung der Klägerin als nichtig auf und wies die Klage zurück. Diesen Beschluss behob der Oberste Gerichtshof mit Entscheidung zu 5 Ob 207/21h ersatzlos und trug dem Berufungsgericht die inhaltliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin auf.

[9] Mit seiner nunmehr bekämpften Entscheidung änderte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts ab, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 12.000 EUR sA und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Die Bildung einer angemessenen Rücklage zähle zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung. Solange die entsprechende Willensbildung der Mehrheit keine Änderung – etwa durch einen Beschluss des Außerstreitrichters – erfahren habe, sei die Beklagte als Miteigentümerin daran gebunden. Dies gelte nach der Entscheidung zu 5 Ob 207/21h auch für einen „Dominator“-Beschluss. Die von den (hier:) Mehrheitseigentümern namens der Eigentümergemeinschaft als Sondervorschreibung zur Finanzierung der anstehenden Sanierungsmaßnahmen geforderte Zahlung sei ein solcher Beitrag zur Rücklage. Eine Änderung der Willensbildung der Mehrheit über die Sondervorschreibung werde von der Beklagten nicht behauptet; die Fristen für die Anfechtung sowohl eines Mehrheitsbeschlusses als auch einer bloßen Maßnahme des Mehrheitseigentümers seien jeweils abgelaufen. Als diejenige Mit- und Wohnungseigentümerin, die im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsschuld im Grundbuch als Eigentümerin des entsprechenden Anteils eingetragen gewesen sei, schulde die Beklagte die ihr vorgeschriebenen Beiträge zur Deckung der Liegenschaftsaufwendungen einschließlich der Beiträge zur Rücklage. Die Revision sei zulässig, weil die Rechtsprechung zur Frage, ob eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung vom Mehrheitseigentümer („Dominator“) auch ohne vorherige Beschlussfassung gegenüber den weiteren Miteigentümern (also im Innenverhältnis) wirksam gesetzt werden könne, nicht einheitlich erscheine.

[10] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen:

Rechtliche Beurteilung

[11] 1. Der Fachsenat hat zu Fragen der Wirksamkeit von Verwaltungsmaßnahmen, die weder auf einer Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung noch auf einem sonst, etwa auf schriftlichem Weg, zustande gekommenen Beschluss (§ 24 Abs 1 erster Satz WEG), sondern auf einer Willensbetätigung des Mehrheitseigentümers (hier: der Eigentümerpartner) beruhen („Dominatorentscheidung“), in seinem Aufhebungsbeschluss zu 5 Ob 207/21h ausführlich Stellung genommen (Rz 12 bis Rz 28). Darauf kann zunächst verwiesen werden.

[12] 2. Auch der Oberste Gerichtshof ist an seine in derselben Rechtssache in der zu einem Aufhebungsbeschluss ausgesprochenen Rechtsansicht gebunden (RIS‑Justiz RS0007010 [T7]; RS0043752 [T1]), weswegen eine nochmalige Behandlung dieser Frage zu keinem anderen Ergebnis führen kann. Schon aus diesem Grund stellt sich die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erachtete Frage nicht. Darüber hinaus entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Fachsenats, dass die Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft (auch) in einem bloßen Willensakt des Mehrheitseigentümers bestehen kann; kommt es zu einer fristauslösenden Bekanntmachung eines solchen „Beschlusses“, richtet sich die Anfechtung formell nach Beschlussrecht. Sonst bleibt dem Minderheitseigentümer nur die Vorgangsweise nach § 30 Abs 2 WEG (RS0121904). Die Entscheidung zu 5 Ob 133/09h, in der die Passivlegitimation des Mehrheitseigentümers zur Unterlassung von Störungshandlungen zu beurteilen war, verweist zwar ganz allgemein auf das Erfordernis eines rechtswirksamen Beschlusses und dessen Bekämpfbarkeit nach den §§ 24, 29 und 30 WEG, ohne dabei jedoch konkret auf die Frage der Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft durch einen Willensakt des Mehrheitseigentümers Stellung zu nehmen, von der die Frage der Anfechtung einer solchen Entscheidung zu trennen ist. Eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung, wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf diese Entscheidung meint, ist damit nicht erkennbar.

[13] 3. Primärer Zweck der Rücklage ist nach § 31 WEG die Vorsorge für künftige Aufwendungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats liegt eine Leistung in die Rücklage aber auch bei Bevorschussung eines bestimmten Erhaltungsaufwands vor (für viele 5 Ob 161/19s mwN).

[14] 3.1 Die von der Beklagten als Sondervorschreibung zur Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen geforderte Einmalzahlung von 12.000 EUR ist ein solcher Beitrag zur Rücklage.

[15] 3.2 Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Fristen für die Anfechtung einer „Dominatorentscheidung“ nach § 24 Abs 6 WEG ebenso abgelaufen ist, wie die Frist zur Vorgangsweise gegen eine bloße Maßnahme des Mehrheitseigentümers nach § 30 Abs 2 WEG (vgl zum Minderheitsrecht auf gerichtliche Kontrolle der Verwaltungsführung durch einen Mehrheitseigentümer allgemein RS0122085).

[16] 3.3 Nach Verstreichen der Anfechtungsfrist oder dem rechtskräftigen Scheitern der Anfechtung ist ein Mehrheitsbeschluss über die Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten trotz etwaiger formeller oder inhaltlicher Mängel rechtsgültig und endgültig bestandskräftig (RS0122765 [T4]; RS0118450 [T1]). Sowohl die Wohnungseigentümer als auch ein Verwalter sind – bis zu einem etwaigen Widerruf im Weg einer neuerlichen Beschlussfassung (vgl dazu RS0131552) – daran gebunden. Die im Anfechtungsverfahren zu klärenden Fragen sind diesem vorbehalten (RS0122765).

[17] 3.4 Die vom Verwalter aufgrund eines nicht mehr bekämpfbaren Beschlusses vorgeschriebenen Beiträge zur Sonderrücklage sind für die Mit- und Wohnungseigentümer bindend (RS0083581 [T9]). Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Fachsenats auch für eine „Dominatorentscheidung“ (5 Ob 126/19v mit Verweis auf RS0121904).

[18] 3.5 Soweit die Beklagte in ihrer Revision die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen und damit der Sondervorschreibung bezweifelt, spricht sie keine Fragen an, die im streitigen Verfahren zu klären wären, und kann damit auch keine Fragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.

[19] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[20] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Beklagten nicht zulässig ist, und damit Anspruch auf den Ersatz ihrer darauf entfallenden Kosten.

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