OGH 5Ob108/24d

OGH5Ob108/24d30.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G*, 2. P*, 3. J*, 4. H*, 6. C*, 7. R*, 8. C*, alle vertreten durch Blum Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. K* GmbH, *, 2. D*, 3. D*, 4. E*, 5. J*, 6. R*, 7. H*, 8. A* OG, *, 9. T* OG, *, alle vertreten durch Dr. Michael Brandauer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 19. März 2024 GZ 2 R 42/24b‑38, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 11. Dezember 2023, GZ 3 C 316/22y‑34, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00108.24D.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 1.973,04 EUR (darin 328,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft, auf der die Erstbeklagte eine Ferienwohnungsanlage errichtet hat. Die Beklagten sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Nachbarliegenschaft, die vor der Wohnungseigentumsbegründung im Alleineigentum der Erstbeklagten gestanden war.

[2] Das Erstgericht wies das Begehren auf Feststellung, die auf einem näher bezeichneten Grundstück der Kläger einverleibte Dienstbarkeit der Flächennutzung gemäß Punkt 2.3. des näher bezeichneten Dienstbarkeitsvertrags zugunsten des Grundstücks der Beklagten sei unwirksam und im Grundbuch zu löschen, mangels Aktivlegitimation der Kläger ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision zu, weil zur Frage oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle, ob jeder einzelne Wohnungseigentümer die Unwirksamkeit eines Nutzungsvorbehalts nach § 38 WEG auch dann geltend machen könne, wenn damit keine Bevorzugung des Wohnungseigentumsorganisators oder der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft, sondern einer Nachbarliegenschaft begründet werde.

[4] In ihrer Revision streben die Kläger eine Abänderung im Sinn einer Klagestattgebung an und stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

[5] Die beklagten Parteien beantragen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[7] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Auf die in der Zulassungsbegründung genannte Rechtsfrage kommt es aus rechtlichen Gründen nicht an, sodass selbst für den Fall, dass die vom Berufungsgericht dazu geäußerte Rechtsansicht überraschend gewesen sein sollte, kein relevanter Verfahrensmangel vorliegen kann. Die angeblich unterlassene Erörterung der Auffassung, die Einschränkung des Klagebegehrens auf „mit Wirkung zwischen den Streitteilen“ würde zu einer rechtlich unzulässigen grundbuchswidrigen Eintragung führen, ist nicht relevant. Einerseits handelt es sich dabei um eine nicht tragende Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, andererseits müsste das von den Klägern formulierte Begehren ohne diese Einschränkung ebenso mangels Aktivlegitimation zur Abweisung des Klagebegehrens führen.

[8] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung (RS0111271) liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn Fragen bloß theoretischer Natur gelöst werden sollen. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]). Dies ist bei der vom Berufungsgericht zur Begründung seines Zulassungsausspruchs aufgeworfenen Frage der Anwendung des § 38 WEG auf den hier zu beurteilenden Dienstbarkeitsvertrag der Fall, weil es den Klägern jedenfalls an der Aktivlegitimation für diese Klage fehlt.

[9] 2.2. Die Revision bezweifelt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht, das Klagebegehren sei eine negatorische Klage nach § 523 ABGB. Unstrittig ist auch, dass die Klage nur von einem Teil der Mit‑ und Wohnungseigentümer eingebracht wurde, die in Summe über 1024/2432‑Anteile an der Liegenschaft verfügen.

[10] 2.3. Zwar wird bei Miteigentümern nach einhelliger Auffassung grundsätzlich auch jeder allein als berechtigt angesehen, Eingriffe in sein Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren (RS0013417; RS0012114), sofern er sich damit nicht in Widerspruch zu den übrigen Miteigentümern setzt (RS0012114 [T1, T17, T23]). Demgemäß hat jeder einzelne Mit- oder Wohnungseigentümer zur Verteidigung und Durchsetzung seiner aus dem Eigentumsrecht erfließenden Befugnisse gegen Personen, die das Eigentum stören oder sich ein das Eigentum beschränkendes Recht anmaßen, die Klage auf Unterlassung und Wiederherstellung des vorherigen Zustands (RS0012114 [T4]). Dies gilt auch für den Unterlassungs- und Wiederherstellungsanspruch aus einer Grunddienstbarkeit (RS0012114 [T3]).

[11] 2.4. Eine Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB muss aber dann gegen sämtliche Miteigentümer einer Liegenschaft gerichtet oder von sämtlichen Miteigentümern einer Liegenschaft erhoben werden, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses notwendigerweise auf sämtliche Miteigentümer erstreckt und bei isolierter Entscheidung die Gefahr unlösbarer Verwicklungen bestünde (RS0101793; RS0035479; RS0012106).

[12] 2.5. Verlangt der Kläger also eine Entscheidung des Gerichts über den (Nicht‑)Bestand des vom Beklagten angemaßten Rechts, ist zu fragen, ob das betreffende Recht auch wirklich nur ihm gegenüber verneint werden kann. Das Bestehen einer Grunddienstbarkeit, die nur den Miteigentumsanteil des Klägers am dienenden Grundstück belastet, nicht aber die ideellen Anteile der übrigen Miteigentümer, ist – abgesehen von hier nicht vorliegenden Sonderfällen im Wohnungseigentum (vgl 5 Ob 238/18p) – rechtlich unmöglich (5 Ob 2036/96i mwN). Ebenso wie einer von mehreren Miteigentümern allein für das gemeinschaftliche Gut keine Grunddienstbarkeiten erwerben kann (RS0012092), kann die Dienstbarkeit eines im Miteigentum stehenden dienenden Guts nur durch alle Miteigentümer eingeräumt werden (RS0011528 [T1, T3, T7]). Beim Rechtsstreit zwischen servitutsberechtigten Liegenschaftseigentümern des herrschenden Guts und den Liegenschaftseigentümern des dienenden Guts über Bestand und Ausmaß der Servitut ist daher im Fall einer Personenmehrheit aufgrund der Miteigentümereigenschaft ein Anspruch nur von und gegen alle zu verfolgen, sie bilden eine einheitliche Streitpartei (RS0101793). Auch die Klage auf Löschung einer das gemeinsame Gut belastenden (Grund‑)Dienstbarkeit ist von allen Miteigentümern zu erheben (RS0101793 [T5]).

[13] 2.6. Dies gilt nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts ungeachtet des Umstands, dass die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit von Mietverträgen und Nutzungsvorbehalten nach § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 an sich jedem Wohnungseigentumsbewerber und späteren Wohnungseigentümer zusteht (RS0083427), sodass auch einzelne Wohnungseigentümer zur Klageführung selbst betreffend Vereinbarungen aktivlegitimiert wären, die auch für weitere Wohnungseigentümer gelten (5 Ob 103/99d; 5 Ob 223/05p). Eine sich aus § 38 Abs 1 WEG 2002 ergebende Nichtigkeit führt mangels Geltendmachung durch sämtliche Anteilseigner zu einer bloß relativen Nichtigkeit, auf die sich auch nur die klagenden Wohnungseigentumsbewerber berufen könnten (RS0126363).

[14] 2.7. Dass diese Rechtsprechungsgrundsätze aber dann nicht anzuwenden sind, wenn es – wie hier – bei der zu beseitigenden Vereinbarung um eine einverleibte Grunddienstbarkeit geht, zumal eine relative Nichtigkeit einer einverleibten Grunddienstbarkeit nur gegenüber einem von mehreren Anteilseignern materiell‑rechtlich nicht in Betracht kommt, liegt auf der Hand. Darauf berufen sich die Revisionswerber in ihrem Rechtsmittel auch gar nicht.

[15] 2.8. Zwar käme zur Beseitigung einer infolge Verstoßes nach § 38 WEG 2002 nichtigen Vereinbarung nach deren Verbücherung allenfalls die Löschungsklage in Betracht (vgl 5 Ob 158/05d). Auch die Klage auf Löschung einer das gemeinsame Gut belastenden Dienstbarkeit ist aber eine Verfügung über Gemeinschaftsgut, die von allen Miteigentümern zu erheben wäre (5 Ob 216/98w; Egglmeier‑Schmolke in Schwimann/Neumayr TaKom8 § 828 ABGB Rz 9). Da eine Grunddienstbarkeit immer nur auf dem gesamten Grundbuchskörper lasten kann (RS0013190 [T3]), muss die Belastung einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft mit einer Grunddienstbarkeit notwendigerweise für alle Miteigentumsanteile gleich sein (RS0013190 [T4]). Die – von den Klägern nur im Rahmen ihrer Verfahrensrüge angesprochene – Wertung ihres Klagebegehrens als solches einer Löschungsklage würde bei Klagestattgebung daher zu einer rechtlich unzulässigen grundbuchswidrigen Eintragung führen (vgl RS0060300). Auch das Begehren der Löschungsklage hätte sich somit einerseits auf die gesamte Liegenschaft zu beziehen und würde andererseits eine Klageführung durch alle Miteigentümer erfordern.

[16] 2.9. Ob einzelne Wohnungseigentümer allenfalls (nur) das Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der eingeräumten Dienstbarkeit gestützt auf § 38 WEG erheben könnten, bedarf – mangels jeglicher Ausführungen hiezu in der Revision – keiner näheren Erörterung.

[17] 3. Damit war die Revision zurückzuweisen.

[18] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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