European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E115629
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die V* S* registrierte Genossenschaft mbH (folgend: GenmbH) war Eigentümerin der Liegenschaft EZ 448 Grundbuch * und verkaufte mit Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag vom 31. 3./17. 4. 1989 1524/2514‑Miteigentumsanteile an A* P*. Der Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag lautet auszugsweise:
„(…)
I.
(…) An der Liegenschaft … soll entsprechend dem Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am See vom 6. 8. 1986, Msch 11/86, Wohnungseigentum begründet werden.
Unter Berücksichtigung dieses Beschlusses verkauft und übergibt (die GenmbH) an A* P* und dieser kauft und übernimmt von der Erstgenannten 1524/2514 Anteile der Liegenschaft …
II.
(…)
Die Vertragsparteien sind darin einig, daß Gegenstand des Kaufvertrages auch das Hotelinventar ist.
III.
(…)
(Der Käufer) nimmt weiters zur Kenntnis, daß zugunsten der S* Comp. und der S* Co. eine Getränkebezugsverpflichtung besteht. Der Käufer tritt in die diesbezüglichen Verträge ein.
(…)
VIII.
Die Vertragsparteien vereinbaren, an der Liegenschaft … auf der Grundlage des oben erwähnten Beschlusses des Bezirksgerichtes Zell am See (…) Wohnungseigentum zu begründen. Sie stellen fest, daß die nachfolgend angeführten Mindestanteile an der Liegenschaft dem Verhältnis des Nutzwertes der im Wohnungseigentum stehenden Geschäftsräume und sonstigen Räumlichkeiten zur Summe der Nutzwerte aller Geschäftsräume oder sonstigen Räumlichkeiten auf dieser Liegenschaft entsprechen. Im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 räumen sich die Vertragsparteien das Wohnungseigentumsrecht, das ist das Recht, ein selbständiges Geschäft oder eine sonstige Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen, ein.
Sohin erteilen (...) (beide Vertragsparteien) ihre ausdrückliche Zustimmung, daß ob der Liegenschaft (...) bei den nachgenannten Miteigentumsanteilen das Wohnungseigentum einverleibt werde, und zwar wie folgt:
Top Widmung Name Nutzwert bzw. Liegenschaftsanteil
1 Geschäft (GenmbH) 990/2514
2 Geschäft (Käufer) 1524/2514
2514/2514
(…)“
Der Begründung von Wohnungseigentum lag die „Nutzwertfestlegung“ des Ing. H* H* aus dem Jahre 1986 zugrunde, in der das Objekt als „Geschäfts‑ und Wohnhaus“ bezeichnet wird. Nach dieser Nutzwertfestlegung umfasste die Top 1 (ua) folgende, unter dem Titel „Widmung“ aufgezählte Räumlichkeiten:
Im Kellergeschoß: Garage, Tresorvorraum, Tresor, Archiv, Aufenthaltsraum und Küche.
Im Erdgeschoß: Schalterraum, Arbeitsraum, Besprechungs‑ und Direktorszimmer.
Top 2 umfasste nach dieser Nutzwertfestlegung ua folgende Räume:
Kellergeschoß: Abstellraum Hotel, Magazin Hotel-Küche.
Erdgeschoß: WC, Vorraum, Küche, Stüberl.
1. Obergeschoß: Wohnräume (Eltern, Kinder, Gäste, Wohnzimmer, Küche, Bad, Flur, Garderobe, Vorraum), Schulungssaal.
2. Obergeschoß: diverse Zimmer jeweils mit Dusche und Vorraum.
In den Räumlichkeiten der Top 2 hatte zunächst die GenmbH ein Hotel samt Restaurant betrieben. In der Folge betrieb dort der Käufer ein Hotel. Im Jahr 1995 erwarb der Beklagte diese Anteile im Rahmen eines Versteigerungsverfahrens. Er vermietete die Räumlichkeiten, die sodann als Hotel- und Beherbergungsbetrieb sowie als Restaurant genutzt wurden.
Am 28. 4. 2009 schloss der Beklagte mit der Tante der Klägerin, einen Pachtvertrag über die der Top 2 zugeordneten Räumlichkeiten (ausgenommen zwei zu einer Kleinwohnung umgebauten Einzelzimmer mit je einem Nassraum im Dachgeschoß, der Schulungsraum und ein Zimmer im 1. Stock). Die Pächterin betrieb in den gepachteten Räumlichkeiten ein China‑Restaurant sowie eine Zimmervermietung.
Der Beklagte hat nunmehr die Räumlichkeiten der Top 2 an M* L* vermietet. Dieser hat mit dem Land Salzburg einen Vertrag geschlossen, der die Unterbringung von Flüchtlingen zum Gegenstand hat. Der Beklagte gab seinem Mieter vor, dass rund 40 Flüchtlinge in den Räumlichkeiten aufgenommen werden können. Bei den derzeit untergebrachten rund 40 Flüchtlingen handelt es sich sowohl um Flüchtlingsfamilien als auch um alleinstehende Flüchtlinge. Im Haus befinden sich fünf Küchen. Die Flüchtlinge versorgen sich selbst. Sie kochen selbst und räumen selbst auf. Der Schulungsraum im 1. Obergeschoß ist von der Vermietung an Flüchtlinge nicht umfasst. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoß dienen den Flüchtlingen als Aufenthaltsraum und zur Abhaltung von Sprachkursen. Auch die 100 m² große Wohnung im 1. Stock ist an M* L* vermietet, der diese ebenfalls an das Land Salzburg vermietete. Auch diese Wohnung, in der zuvor das Personal sowie der Betreiber des Hotelbetriebs wohnten, wird nun von Flüchtlingen bewohnt. Die Räumlichkeiten wurden vom Land Salzburg geprüft und für die Unterbringung von Flüchtlingen als geeignet befunden.
Die Klägerin kaufte ihre Miteigentumsanteile am 26. 3. 2014 von der GenmbH, die in diesen Räumlichkeiten zuvor eine Bankfiliale betrieben hatte. Die Pächterin der Klägerin betrieb in den Räumlichkeiten ein China-Restaurant.
Der Beklagte fragte die Klägerin nicht um ihre Zustimmung zur Vermietung an M* L*, zur Weitervermietung an das Land Salzburg und zur Unterbringung von Flüchtlingen im Objekt. Die Klägerin hätte dem auch nicht zugestimmt. Über den vom Beklagten zu 28 Msch 4/15d des Bezirksgerichts Zell am See gestellten Antrag, die Klägerin schuldig zu erkennen, der Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen im Wohnungseigentumsobjekt zuzustimmen, ist noch nicht abschließend entschieden.
Die Klägerin begehrte vom Beklagten zusammengefasst, es ohne entsprechende rechtmäßige Widmungsänderung zu unterlassen, in Top 2
einen Beherbergungsbetrieb zur Aufnahme und Verpflegung von Flüchtlingen zu betreiben (Hauptbegehren), und hilfsweise,
eine Vermietung zur Aufnahme von Flüchtlingen zu ermöglichen (Eventualbegehren).
Die Beherbergung von Flüchtlingen sei gegenüber der im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten und der sich aus dem Parifzierungsgutachten ergebenden Widmung sowie im Vergleich zur bisherigen Nutzung eine Widmungsänderung, der die Klägerin nicht zugestimmt habe und die auch nicht gerichtlich genehmigt sei. Die tage‑, allenfalls wochenweise Vermietung an Urlaubsgäste im Rahmen eines Hotelbetriebs sei eine völlig andere Verwendung als die dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen. Die Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts des Beklagten zur Flüchtlingsunterbringung sei unzumutbar, beeinträchtige den Restaurantbetrieb ihres Pächters und entwerte die Liegenschaft.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren. Bereits seine Rechtsvorgänger hätten das ihm eigentümliche Wohnungseigentumsobjekt als Hotel‑ und Gastgewerbebetrieb genutzt. Zuletzt habe die Tante der Klägerin bis Ende November 2014 als Pächterin im Objekt ein China-Restaurant sowie eine Appartementvermietung betrieben. Die nunmehrige Nutzung entspreche dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag, der aus dem Nutzwertgutachten ersichtlichen Widmung und der langjährig praktizierten Verwendung der Räumlichkeiten als Gastronomie‑ und Beherbergungsbetrieb. Die nunmehrige Verwendung der Top 2 sei daher nicht genehmigungsbedürftig und überdies verkehrsüblich, weil es keinen Unterschied mache, welche Personen welcher Herkunft aufgenommen werden. Eine Wertminderung des Wohnungseigentumsobjekts der Klägerin sei nicht zu erwarten.
Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und gab dem Eventualbegehren statt. Es war rechtlich der Ansicht, die Wohnungseigentumsobjekte seien vertraglich als „Geschäft" gewidmet. Im Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten seien bisher Hotel- und Beherbergungsbetriebe geführt worden. Die im Weg der Vermietung erfolgte Unterbringung von Flüchtlingen stelle eine Widmungsänderung dar, weil weder ein „Geschäft" noch ein Hotel‑ und Beherbergungsbetrieb vorliege. Die Interessen der Klägerin könnten schon dadurch berührt sein, dass in Teilen der Bevölkerung Vorbehalte gegen Flüchtlingsunterkünfte bestünden und daher das Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin im Fall eines Verkaufs im Wert gemindert sein könnte. Da der Beklagte selbst keinen Beherbergungsbetrieb zur Aufnahme und Verpflegung von Flüchtlingen betreibe, sei nicht das Hauptbegehren, sondern das Eventualbegehren berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen die Stattgebung des Eventualbegehrens Folge und wies auch dieses ab. Es war der Rechtsansicht, dass dann, wenn – wie hier – keine spezifische Geschäftsraumwidmung vorliege, die Änderung des Betriebsgegenstands für sich gesehen keine genehmigungsbedürftige Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 darstelle, sofern durch die geänderte Nutzung die Grenzen des Verkehrsüblichen nicht überschritten würden. Eine solche Verwendung außerhalb der Grenzen des Verkehrsüblichen liege aber weder ausgehend von der Widmung als „Geschäft" noch unter Berücksichtigung der bisher tatsächlich erfolgten Nutzung vor. Bund und Länder (ua das Land Salzburg) hätten gemäß Art 15a B‑VG eine Grundversorgungsvereinbarung geschlossen (BGBl I 2004/80) mit dem Ziel der bundesweiten Vereinheitlichung der Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die auch die Unterbringung in geeigneten Unterkünften unter Achtung der Menschenwürde und unter Beachtung der Familieneinheit umfasse. Am 1. 10. 2015 sei dann das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, BGBl I 2015/120, in Kraft getreten, wonach die Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder auch eine Aufgabe der Länder und der Gemeinden sei. Der Gesetzgeber habe durch Schaffung eines Gemeinderichtwerts von 1,5 % der Wohnbevölkerung eine gleichmäßige Verteilung im Bundesgebiet angestrebt, womit die Verwendung von Wohnraum in einer Gemeinde als Unterkunft für hilfs- und schutzbedürftige Fremde ebenso verkehrsüblich sei wie die Zurverfügungstellung von Wohnungseigentumsobjekten durch Private, um Gemeinden die Erfüllung der ihnen auferlegten Verpflichtung zu ermöglichen. Die Verkehrsüblichkeit einer derartigen Verwendung eines Wohnungseigentumsobjekts könne aber auch unter Berücksichtigung der aktuellen Flüchtlingssituation und des offenkundigen Bedarfs an Wohnraum für hilfs- und schutzbedürftige Menschen nicht fraglich sein. Die Parteien des Wohnungseigentumsvertrags hätten die Widmung des Wohnungseigentumsobjekts als „Geschäft" nicht weiter eingeschränkt, insbesondere keine auf bestimmte Personen oder Personengruppen beschränkte Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts vereinbart. Die mit der Nutzung durch Menschen verschiedenster Nationalitäten verbundene langjährige Verwendung des Wohnungseigentumsobjekts als Hotel‑ und Gastgewerbebetrieb ließe sich mit einer derartigen Einschränkung auch nicht vereinbaren. Die Klägerin mache auch nicht geltend, dass sie beim Kauf ihres Wohnungseigentumsobjekts mit dem Beklagten eine ihr Begehren begründende Widmungseinschränkung vereinbart habe. Die Verwendung des Wohnungseigentumsobjekts des Beklagten für die Unterbringung von Flüchtlingen im Weg der Vermietung liege somit innerhalb der unspezifischen vertraglichen Widmung des Objekts als „Geschäft" und sei auch verkehrsüblich. Das Ersturteil sei somit in Stattgebung der Berufung des Beklagten im Sinn der gänzlichen Abweisung der Klagebegehren abzuändern gewesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich bei der hier entscheidenden Frage der Verkehrsüblichkeit der Nutzungsänderung eines Wohnungseigentumsobjekts um eine solche des Einzelfalls handle.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte erstattete eine ihm freigestellte Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Klägerin zurück‑ bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Gemäß § 16 Abs 1 WEG 2002 kommt die Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts dem Wohnungseigentümer zu. Nach § 16 Abs 2 WEG 2002 ist ein Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt. Mangels Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer hängt das Recht des Wohnungseigentümers zur (Widmungs-)Änderung seines Objekts von bestimmten, in § 16 Abs 2 WEG 2002 abgestuft geregelten, Voraussetzungen ab (5 Ob 9/16h).
2. Durch die zuvor dargestellte Rechtslage sollen die anderen Wohnungseigentümer davor geschützt werden, dass durch Widmungsänderungen ihr Umfeld eigenmächtig unter Verletzung ihrer schutzwürdigen Interessen geändert wird (5 Ob 99/99s). Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig, also ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002, (Widmungs‑)Änderungen vornimmt, kann daher jeder einzelne Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg mit Klage nach § 523 ABGB vorgehen. Dass der Streitrichter in einem solchen Fall als Vorfrage für die Beurteilung eines Unterlassungs‑, Beseitigungs‑ oder/und Wiederherstellungsbegehrens nur die Genehmigungs-bedürftigkeit, nicht aber auch die Genehmigungsfähigkeit der Änderung zu prüfen hat (5 Ob 25/08z wobl 2009/54 [Vonkilch] = immolex 2008/151 [Edelhauser] = ecolex 2008/366 [Friedl]; 3 Ob 158/11y immolex 2012/37 [Neugebauer-Herl]; RIS‑Justiz RS0083156 [T14]), ist im Revisionsverfahren nicht strittig.
3. Die Notwendigkeit der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter besteht allerdings erst dann, wenn der Wohnungseigentümer tatsächlich eine (Widmungs‑)Änderung seines Objekts vornimmt, die dem § 16 Abs 2 WEG 2002 unterliegt (vgl 5 Ob 380/97m MietSlg 49.498). Nur dann steht nämlich der Klägerin als Mit‑ und Wohnungseigentümerin ein Unterlassungsanspruch zu (5 Ob 99/99s).
4. Nach vorliegender Rechtsprechung kann die Änderung eines im Geschäftslokal betriebenen Unternehmensgegenstands und seiner Betriebsform eine solche Widmungsänderung sein (5 Ob 227/04z). Ob dies zutrifft, also zur Prüfung, ob eine Widmungsänderung vorliegt, ist die Widmung des betreffenden Objekts der tatsächlichen Verwendung gegenüberzustellen (5 Ob 2075/96z WoBl 1998, 26 [Markl]; 5 Ob 99/99s; 5 Ob 207/01d; 3 Ob 158/11y immolex 2012/37 [Neugebauer-Herl]; 5 Ob 210/13p wobl 2014/103; RIS‑Justiz RS0101800 [T8]). Das erfordert einen Rückgriff auf die vertragliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag (3 Ob 158/11y immolex 2012/37 [Neugebauer-Herl]; 5 Ob 224/15z; RIS‑Justiz RS0120725 [T1]). Ansatzpunkt muss also zunächst sein, welche Widmung auf der Grundlage der darüber bestandenen vertraglichen Einigung der Mit‑ und Wohnungseigentümer für das betreffende Objekt besteht (5 Ob 227/04z; 5 Ob 210/13p). Dieser Widmungsakt gibt Auskunft über die zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern bestehende Rechtslage (5 Ob 99/99s; 5 Ob 122/05k).
5. Bei der Ermittlung der konkreten privatrechtlichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer über die Widmung eines bestimmten Objekts ist in der Regel eine weitgehend objektive Betrachtung angezeigt (5 Ob 277/04b; 5 Ob 224/15z). Das ändert aber nichts daran, dass deren Inhalt durch Auslegung nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB zu ermitteln ist (5 Ob 224/15z). Die Beschreibung des Wohnungseigentumsobjekts oder die Bezeichnung der betreffenden Räume und der daraus resultierende Verwendungszweck in einem Nutzwertgutachten kann ein bei der Auslegung zu berücksichtigender Aspekt sein (5 Ob 224/15z), soweit ein Konnex auf die Einbeziehung dieser Umstände in die Widmungsvereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer indiziert ist.
6. Besteht keine spezifische Geschäftsraumwidmung, war also kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt (5 Ob 227/04z). Es kann im Verlauf der Zeit auch zu Widmungsänderungen kommen, die ebenfalls eine Willenseinigung aller Mit- und Wohnungseigentümer erfordert, wenngleich diese grundsätzlich auch konkludent möglich ist (vgl 5 Ob 157/03d wobl 2003/193 [Call] mwN; RIS‑Justiz RS0120725 [T4, T9], RS0114928 [T1]). Soweit allerdings ein (konkludenter) Verzicht auf Verwendungsmöglichkeiten angenommen werden soll, die in einer unspezifierten Widmung Deckung finden, ist – schon nach allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen – besondere Vorsicht geboten (RIS‑Justiz RS0014190 [T3]; RS0014420; RS0014146 [T2]; RS0014157; vgl auch dazu 3 Ob 158/11y immolex 2012/37 [Neugebauer‑Herl]; ferner Vonkilch, wobl 2015/43 [Entscheidungsanmerkung]).
7. Im hier zugrunde liegenden Wohnungseigentumsvertrag ist das Objekt des Beklagten Top 2 – unspezifisch – als „Geschäft“ gewidmet. Der Wohnungseigentumsvertrag nimmt nicht konkret Bezug auf die „Nutzwertfestlegung“ aus dem Jahre 1986, sodass deren Einbeziehung in den Widmungsakt nicht zweifelsfrei belegt ist. Diese „Nutzwertfestlegung“ beschreibt im Übrigen unter der Bezeichnung „Widmung“ auch nur die spezifische, möglicherweise vom Errichter des Objekts für zweckmäßig erachtete Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit einzelner Räume, wie sich diese offenbar aus den Ausführungsplänen (Blg ./J) ergibt. Selbst wenn man aber auch diese „Nutzwertfestlegung“ in den vertraglichen Widmungsakt einbeziehen wollte, so folgt daraus eine gemischte Widmung zur Nutzung als Hotel‑ bzw Gasthausbetrieb (Keller‑ und Erdgeschoß), als Wohnraum‑ (1. Obergeschoß) und als Beherbergungsbetrieb (2. Obergeschoß; zur Zulässigkeit einer gemischten Widmung jüngst 5 Ob 224/15z). Dass betreffend diese Widmung eine spätere (konkludente) Änderung (Einschränkung) erfolgt sein sollte, kann weder dem Vorbringen der Klägerin noch den getroffenen Feststellungen entnommen werden.
8. Zu klären ist dann letztlich, ob die vom Beklagten vorgenommene und von der Klägerin bekämpfte Bereitstellung seines Objekts zur Unterbringung von Flüchtlingen eine Änderung der Verwendung ist, die, weil durch die bestehende Widmung nicht (mehr) gedeckt, nur nach Maßgabe des § 16 Abs 2 WEG 2002 zulässig ist:
8.1. Geht man von der vertraglichen Widmung des Objekts des Beklagten als „Geschäft" aus, so hält sich die Verwendung zur – regelmäßig unternehmerisch praktizierten – Unterbringung von Flüchtlingen im Rahmen der – unspezifischen – Geschäftsraumwidmung.
8.2. Berücksichtigt man zusätzlich die in der „Nutzwertfestlegung“ erfolgte Beschreibung der zum Objekt des Beklagten gehörenden Räume, dann ist von einer gemischten Widmung auszugehen, die jedenfalls auch die Nutzung als Beherbergungsbetrieb umfasst, sodass auch insoweit die Unterbringung von Flüchtlingen durch die bestehende Widmung gedeckt ist, besagte Verwendung also keine Widmungsänderung darstellt.
9. Das Berufungsgericht hat sich letztlich ausführlich mit der Frage der – von der Klägerin bestrittenen – Verkehrsüblichkeit der Flüchtlingsunterbringung befasst und diese im Hinblick auf die von Bund und Ländern (ua dem Land Salzburg) gemäß Art 15a B‑VG abgeschlossenen Grundversorgungsvereinbarung (BGBl I 2004/80) und dem Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs‑ und schutzbedürftigen Fremden (BGBl I 2015/120) sowie mit dem Hinweis auf die aktuelle Flüchtlingssituation mit dem offenkundigen Bedarf an Wohnraum für hilfs‑ und schutzbedürftige Menschen bejaht.
10. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage erachtete das Berufungsgericht wegen der in RIS‑Justiz RS0119528 enthaltenen Aussage für erforderlich, wonach dann, „wenn keine spezielle Geschäftsraumwidmung zwischen den Mit‑ und Wohnungseigentümern getroffen wurde, (…) die Umwandlung des Gegenstands und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens erst dann eine genehmigungsbedürftige Änderung (ist), wenn dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden“. Diese Aussage geht – soweit überblickbar – auf die Entscheidung 5 Ob 402/97x (MietSlg 49.499 und 49.500) zurück, die für die Einführung dieses Abgrenzungskriteriums keine besondere Begründung enthält, sondern lediglich auf die Vorentscheidungen wobl 1991/52 (= 5 Ob 48/89 MietSlg XLI/39) und wobl 1993/49 (5 Ob 1028/92) verweist.
11.1. In der Entscheidung 5 Ob 48/89 (wobl 1991/52 = MietSlg XLI/39) waren allerdings keine Geschäftsräume, sondern beabsichtigte Anbauten an einen Bungalow zu beurteilen und im Revisionsrekursverfahren war nur mehr das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 2 WEG 1975 dahin strittig, ob die dort unter Inanspruchnahme von gemeinsamen Teilen der Liegenschaft vorgenommenen baulichen Änderungen einem wichtigen Interesse der Wohnungseigentümer dienten.
11.2. Die Entscheidung 5 Ob 1028/92 (wobl 1993/49 [Call]) betraf einen Unterlassungsstreit, in dem der Oberste Gerichtshof die Annahme der Vorinstanzen, es habe eine Widmungsänderung eines Geschäftslokals vorgelegen, für vertretbar erachtete. Welche Widmung seinerzeit vorlag und worin die Änderung bestanden haben soll, lässt sich der Entscheidungsbegründung allerdings nicht entnehmen. Die zuvor wiedergegebene, in 5 Ob 402/97x enthaltene Aussage zu den Grenzen des Verkehrsüblichen im Zusammenhang mit einer Geschäftsraumwidmung findet sich in 5 Ob 1028/92 jedenfalls nicht.
11.3. Die den RIS‑Justiz RS0119528 einleitende Entscheidung 5 Ob 227/04z enthält zum herangezogenen Kriterium der Verkehrsüblichkeit nur neuerlich den Hinweis auf die Vorentscheidungen wobl 1991/52 und wobl 1993/49 sowie auf „5 Ob 380/97m; MietSlg 49.499 f“. In 5 Ob 380/97m wurde allerdings eine Widmungsänderung überhaupt verneint und „MietSlg 49.499 f“ geben Rechtssätze aus der Entscheidung 5 Ob 402/97x wieder.
12. Wollte man nun, wie dies der RIS‑Justiz RS0119528 nahezulegen scheint, selbst bei völlig unspezifischer Widmung jede Nutzungsänderung bei einem Geschäftsraum am (häufig wenig stringent eingegrenzten) Kriterium der Verkehrsüblichkeit messen und immer daran das Vorliegen einer zustimmungs- bzw genehmigungspflichtigen Widmungsänderung knüpfen, so wäre dies schon im Hinblick auf die allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung und überdies deshalb methodisch zweifelhaft, weil das Kriterium der Verkehrsüblichkeit im gegebenen Kontext gesetzlich eindeutig besetzt ist, nämlich nicht zur Klärung der Vorfrage, ob überhaupt eine Widmungsänderung vorliegt, sondern als eine mögliche Grundlage für eine Genehmigung von Änderungen im Anwendungsbereich des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002, der für eine bloße Widmungsänderung in der Regel nicht einschlägig ist.
13. Aus diesen Erwägungen folgt, dass der RIS‑Justiz RS0119528 zumindest soweit, als er selbst bei völlig unspezifischer Geschäftsraumwidmung ganz generell das Vorliegen einer Widmungsänderung am Kriterium der Verkehrsüblichkeit festmacht, einer gewissen einschränkenden Präsizierung bedarf. Da die Ermittlung des Inhalts einer privatrechtlichen Einigung der Mit‑ und Wohnungseigentümer über die Widmung eines bestimmten Objekts nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB bei in der Regel weitgehend objektiver Betrachtung zu erfolgen hat, kann insoweit, nicht allein, sondern nur als ein mögliches Auslegungskriterium, auch die Verkehrsüblichkeit für die Beurteilung mit herangezogen werden, ob eine vorgenommene oder beabsichtigte Änderung der Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts eine zustimmungs‑ bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung darstellt oder nicht. Diese Frage der Verkehrsüblichkeit einer Nutzungsänderung wird dann im bisher geübten Sinn eines Vorher‑Nachher‑Vergleichs bei einer ganz unspezifischen Geschäftsraumwidmung eine nur untergeordnete, bei der Beurteilung der Reichweite besonders spezifischer Widmungen eine wichtigere, nie aber eine allein entscheidende Rolle spielen.
14. Im vorliegenden Fall liegt eine völlig unspezifische bzw eine jedenfalls den Beherbergungsbetrieb einschließende Widmung des Wohnungseigentumsobjekts des Beklagten vor und es darf als allgemein bekannt gelten, dass Flüchtlinge nicht selten in Objekten untergebracht werden, die zuvor schon der (touristischen) Unterbringung von Fremden oder der Beherbergung auswärtiger Arbeitskräfte dienten. Auch Überlegungen der Verkehrsüblichkeit bilden bei dieser Sachlage, ohne dass insoweit auf die Bedeutung der vom Berufungsgericht herangezogenen gesetzlichen Grundlagen eingegangen werden müsste, keinen Anlass dafür, die Bereitstellung des Objekts des Beklagten zur Unterbringung von Flüchtlingen als eine zustimmungs- bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung zu erkennen. Liegt aber eine solche Widmungsänderung nicht vor, dann kommt es nicht darauf an, ob diese Art der Nutzung die Klägerin mehr beeinträchtigt als die bisherige und ob die Voraussetzungen nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 erfüllt sind. Das Berufungsgericht hat das Unterlassungsbegehren der Klägerin daher mit Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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