European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00099.16M.0524.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger ist aufgrund eines Kaufvertrags seit 1995 Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung. Es handelt sich dabei um die ehemalige Ehewohnung der 1928 geborenen Beklagten, zu deren Gunsten aufgrund eines Scheidungsfolgenvergleichs seit 1986 das unentgeltliche Fruchtgenussrecht auf Lebenszeit einverleibt ist.
In diesem Vergleich verpflichtete sich die Beklagte, „ für alle mit dem Betrieb und der Erhaltung der Wohnung verbundenen Kosten, also insbesondere Betriebskosten und Steuern, allein aufzukommen “. Sie zahlte bis zum Erwerb der Wohnung durch den Kläger im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit nur verbrauchsabhängige Kosten, der liegenschaftbezogene Anteil wurde vom damaligen Eigentümer, ihrem Sohn, beglichen. Nach dem Erwerb der Wohnung durch den Kläger übergab dieser der Beklagten stets persönlich die Vorschreibungen der Hausverhaltung (auch) für die Betriebs- und Instandhaltungskosten. Die Beklagte, die bis Oktober 2012 in der Wohnung lebte und seitdem in einem Altersheim wohnt, zahlte bis zu ihrem Auszug die aushaftenden Beträge direkt an die Hausverwaltung. Nach ihrem Auszug mietete ihr Sohn die Wohnung von ihr und kümmerte sich seitdem als ihr Bevollmächtigter um deren finanzielle Angelegenheiten.
Seit Ende 2012 kam es zu Unregelmäßigkeiten bei der Bezahlung der Betriebskosten. Der Kläger musste für diese Kosten in Vorleistung treten und die Betriebskosten mit (teils anwaltlichen) Mahnschreiben einfordern. Die Nachzahlung für das Jahr 2011 sowie die Vorauszahlungen für Juli, August, Oktober und November 2012 wurden verspätet geleistet, sodass dem Kläger Mahnspesen entstanden. Von Dezember 2012 bis Juni 2013 erfolgten verminderte und teilweise ebenfalls verspätete Zahlungen, die erst später ausgeglichen wurden. Von Juli 2013 bis April 2014 wurde pünktlich und vollständig gezahlt, seitdem wurden die Zahlungen von der Beklagten zur Gänze eingestellt. Der Sohn der Beklagten vertrat diesbezüglich die Ansicht, dass die liegenschaftbezogenen Betriebskosten nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien nicht von der Beklagten zu zahlen seien. Weiters unterscheidet er zwischen den Kosten für die Wohnung und Kosten für die Allgemeinflächen. Letztere habe die Beklagte seiner Ansicht nach jedenfalls nicht zu zahlen.
Der Kläger begehrte zuletzt 3.487,61 EUR an rückständigen Betriebskosten und dehnte die Klage während des Verfahrens auf die Feststellung der Aufhebung (bzw die Unwirksamerklärung) des Fruchtsgenussrechts, auf die Löschung des Wohnrechts und die Räumung der Wohnung aus. Der Beklagten sei das Verhalten ihres Sohnes als Vertreter zurechenbar. Das Fruchtgenussrecht sei aus wichtigem Grund vorzeitig beendet worden, weil die Beklagte seit sechs Monaten keinerlei Zahlungen mehr leiste.
Die Beklagte wandte ein, dass sie nur für alle mit dem Betrieb und der Erhaltung der Wohnung verbundenen Kosten, nicht aber für jene der Liegenschaft aufkommen müsse. Ihr seien über Jahre falsch berechnete Beträge und Kosten verrechnet worden, welche sie im guten Glauben korrekt bezahlt habe. Ihr Sohn sei nicht befugt gewesen, als Vertreter für die sie einzuschreiten. Sämtliche Vorschreibungen, die er eventuell erhalten habe, hätte er an die Beklagte weiterleiten müssen.
Mit Beschluss vom 15. 5. 2015 wurde der Rechtsanwalt Mag. Michael Gruber für die Beklagte als Verfahrenssachwalter und als einstweiliger Sachwalter zur Vertretung im gegenständlichen Verfahren bestellt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Nach dem Vertragstext sei eindeutig, dass die Beklagte auch für liegenschaftsbezogene Betriebskosten aufzukommen habe. Der Kläger habe die von der Beklagten zu tragenden Betriebskosten im Ausmaß von insgesamt 3.487,61 EUR beglichen. Die fortwährende Nichtzahlung der Betriebskosten berechtige den Kläger zur Auflösung des Fruchtgenussverhältnisses, weshalb auch dem Räumungs- und Löschungsbegehren stattzugeben sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Zahlungsbegehren und wies die übrigen Begehren ab. In Anbetracht des Alters und der eingeschränkten Möglichkeit der Beklagten, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, könne ihr die Nichtzahlung der Betriebskosten durch ihren Sohn jedenfalls bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils über den Zahlungsanspruch nicht als derart schwere Verfehlung vorgeworfen werden, die eine Auflösung rechtfertige. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand der nicht in einem Geldbetrag bestehenden Begehren jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und betrachtete die ordentliche Revision zunächst nicht als zulässig. Über einen Antrag nach § 508 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erachtete, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber vorliege, ob die Nichtzahlung der eingeklagten Beträge nur dann einen wichtigen Grund für die Auflösung eines Fruchtgenusses bildet, wenn ein rechtskräftiges Urteil über die Zahlungsansprüche vorliegt.
Die Entscheidung über das Zahlungsbegehren erwuchs in Rechtskraft.
Gegen den abweisenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine vollständige Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
1. Im ABGB ist das Erlöschen eines dinglichen Wohnrechts aus wichtigen Gründen nicht ausdrücklich geregelt. Im Weg der Analogie hat die Rechtsprechung eine außerordentliche Aufkündigung auch solcher Rechtsverhältnisse aus sehr schwerwiegenden Gründen, gleichsam als äußerstes Notventil, bejaht (RIS-Justiz RS0011875 [T4, T7]; RS0018813; RS0011519). Die Auflösung von verbücherten und daher auf eine stärkere Bindung abzielenden Wohnungsrechten erfordert, dass die dafür in Betracht kommenden Gründe ein noch höheres Gewicht haben müssen als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen allgemein genügen (RIS-Justiz RS0011875 [insb T7]; RS0018813). Ob ein derartig schwerwiegender Grund im Einzelfall vorliegt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RS0018842 [T4], RS0018813 [T2]) und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.
2. Nach der Rechtsprechung können wohl auch wiederholte Zahlungsrückstände des Fruchtgenussberechtigten einer Eigentumswohnung einen besonders wichtigen Grund bilden, der den Eigentümer berechtigt, selbst das Dauerrechtsverhältnis des Fruchtgenusses vorzeitig aufzulösen (5 Ob 81/83; 9 Ob 233/01g; 9 Ob 16/08f; 10 Ob 42/11s; 3 Ob 116/15b; RIS-Justiz RS0011875 [T3]; Mayerhofer , Abstehen vom Vertrag aus wichtigem Grund bei Dienstbarkeiten, JBl 1974, 593 [601] mwN).
3. Die Beurteilung des Zweitgerichts, das aufgrund der vom Einzelfall geprägten Umstände sowohl das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes als auch die Unzumutbarkeit der weiteren Fortsetzung des Wohnungsrechts verneint hat, ist ungeachtet des (überschaubaren) Zahlungsrückstands vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
4. Ob ein schwerwiegender Grund für eine vorzeitige Auflösung des Fruchtgenussrechts nur dann vorliegt, wenn bereits ein rechtskräftiges Urteil über den Zahlungsrückstand vorliegt, was aus der bisherigen Rechtsprechung nicht abzuleiten ist (vgl zB 9 Ob 233/01g; 9 Ob 16/08f; 10 Ob 42/11s), musste mangels Präjudizialität nicht geprüft werden und kann daher keine erhebliche Rechtsfrage begründen. Selbst wenn man diese Frage zu Gunsten des Klägers verneint, wäre für ihn nichts gewonnen, weil die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses nach vertretbarer Rechtsansicht bereits daran scheitert, dass kein ausreichend schwerwiegender Grund vorliegt.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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