European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133001
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 5. 5. 2015 registrierten österreichischen Wortmarke KNABBER NOSSI in der Klasse 29 (Wurst, Würste und Wurstwaren; Snacks überwiegend bestehend aus Fleisch; vegetarische Wurstwaren).
[2] Die Registrierung der österreichischen Wortmarke KNABBER STRIZZI der Antragsgegnerin für die Klasse 29 (Fleisch; natürliche oder künstliche Wursthäute) wurde am 20. 8. 2019 veröffentlicht.
[3] Die Antragstellerin erhob (gestützt auf ihre ältere Wortmarke und zwei ältere Wortbildmarken, die ebenfalls die Wortfolge „Knabber Nossi“ enthalten) Widerspruch gegen die Registrierung der Marke der Antragsgegnerin und beantragte (im Wesentlichen gemäß § 29a Abs 1 iVm § 30 Abs 1 Z 2 und Abs 2 MSchG) die Aufhebung der Registrierung dieser Marke. Die angegriffene Marke und die für sie registrierten Waren seien den Widerspruchsmarken und den für sie eingetragenen Waren verwechselbar ähnlich. Zudem sei die Bekanntheit der Marken der Antragstellerin notorisch.
[4] Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr. Der Wortbestandteil KNABBER sei beschreibend und daher nur ein schwacher Markenbestandteil; der zweite Bestandteil NOSSI hebe sich deutlich von jenem der Antragsgegnerin STRIZZI ab.
[5] Die Rechtsabteilung des Patentamts wies den Widerspruch ab. Ausgehend von einer ähnlichen bis identen Warengruppe sei in der Gesamtbetrachtung das erste Wort der Widerspruchsmarken („Knabber“) als banaler und im Lebensmittelbereich häufig verwendeter Begriff nicht relevant kennzeichnungskräftig, sondern eine werblich-beschreibende Angabe, die die Widerspruchsmarken nicht präge. Deren Kennzeichnungskraft werde erst durch das nachfolgende Wort „Nossi“ gestimmt. Demgegenüber sei bei der angegriffenen Marke der (von „Nossi“ erheblich abweichende) Begriff „Strizzi“ dominant, welcher Zeichenteil in den Widerspruchsmarken nicht aufscheine. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sei die angefochtene Marke den Widerspruchsmarken weder ähnlich noch gleich. Darüber hinaus liege keine Verwässerungsgefahr vor, weil eine Vielzahl anderer „Knabber“‑Produkte (innerhalb und außerhalb des Wurstbereichs) existiere, sodass „Knabber“ als sprachliches Allgemeingut im Bereich der Lebensmittel nicht mehr verwässert werden könne.
[6] Das Rekursgericht gab dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marke auf. Auf Basis der Warenidentität bzw hochgradigen Warenähnlichkeit sei besonders beachtlich, dass die zu vergleichenden Marken in bildlicher und klanglicher Hinsicht im Wortbestandteil KNABBER und somit auch begrifflich übereinstimmten. Im zweiten Wortbestandteil stünden einander NOSSI und STRIZZI gegenüber; dadurch werde zwar bildlich und klanglich eine Abgrenzung erzeugt, jedoch seien beide Wörter in der Kombination mit KNABBER letztlich Phantasiebegriffe, was dazu führe, dass die gegebene Warenidentität bzw -ähnlichkeit das Publikum glauben mache, dass die mit KNABBER STRIZZI gekennzeichneten Waren wirtschaftlich aus dem selben Unternehmen stammten wie die mit KNABBER NOSSI markierten Waren. Da somit bereits die Verwechslungsgefahr gegeben sei, erübrige es sich, auf den Bekanntheitsschutz einzugehen.
[7] Die Antragsgegnerin beantragt mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs die Wiederherstellung der Entscheidung des Patentamts. Gerade weil STRIZZI und NOSSI (unterschiedliche) Phantasiebegriffe seien, „Knabber“ hingegen beschreibend, sei eine Abgrenzung ersichtlich und somit die Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.
Rechtliche Beurteilung
[8] Damit zeigt die Antragsgegnerin jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.
[9] 1. Ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen der Wechselbeziehung zwischen Markenähnlichkeit und Branchennähe Verwechslungsgefahr besteht, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher – abgesehen vom Fall grober Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0111880 [T1]; RS0114771 [T5], RS0112739).
[10] 2.1. Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des aufnehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des aufnehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (4 Ob 199/18w; 4 Ob 99/20t). Das gilt auch, wenn das übernommene Zeichen nur schwach kennzeichnungskräftig ist (RS0079033 [T20]).
[11] 2.2. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der übernommene Markenbestandteil KNABBER ein nicht vollkommen untergeordneter Bestandteil der Marken KNABBER NOSSI und KNABBER STRIZZI sei und daher (auch in Verbindung mit den genannten Zusätzen) über Kennzeichnungskraft verfüge, ist vertretbar. Denn KNABBER ist im Zusammenhang mit Wurstwaren nicht alltäglich, sondern weist durchaus eine gewisse Originalität auf. Andererseits ist weder NOSSI noch STRIZZI in Kombination mit KNABBER geeignet, der Marke in Gesamtbetrachtung einen derartigen Sinngehalt zu verleihen, der sie unterscheidbar machte. Vielmehr weisen beide Begriffe insoweit eine Ähnlichkeit auf, als sie italienischsprachig anmuten.
[12] 2.3. Dazu kommt, dass durch die Übereinstimmung in einem Bestandteil der Anschein eines Serienzeichens entstehen kann, sofern – wie hier – der Bestandteil als Herkunftshinweis aufgefasst wird, das heißt unterscheidungskräftig ist (stRsp ua 17 Ob 6/09w, EASYBANK/easyCredit; RS0078970 [T1]).
[13] 2.4. Die Prognose, das Publikum werde annehmen, dass KNABBER STRIZZI und KNABBER NOSSI zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen, ist daher naheliegend, sodass die Bejahung der Verwechslungsgefahr durch das Rekursgericht nicht zu beanstanden ist.
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