European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00099.20T.0702.000
Spruch:
I. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf „M***** K*****“ berichtigt.
II. Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Begründung:
Zu I.:
Am 27. September 2016 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 4. August 2017 wurde Mag. B***** H***** in Bezug auf den gegenständlichen Aktivprozess zur Treuhänderin bestellt. Mit rechtskräftigem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27. Februar 2020 wurde diese Treuhandschaft beendet, weshalb der Kläger über die geltend gemachten Ansprüche nunmehr wieder aus eigenem verfügen kann.
Auf dieser Grundlage war die Bezeichnung der klagenden Partei gemäß § 235 Abs 5 ZPO richtig zu stellen (vgl RS0039550).
Zu II.:
Der Kläger ist Inhaber der beim Österreichischen Patentamt zur Nr 206.953 registrierten Marke „Coyote“ für die Klasse 43: Betrieb einer Bar, Verpflegung von Gästen in Restaurants; die Marke wurde am 13. November 2002 registriert und die Schutzdauer bis 30. November 2022 verlängert. Der Kläger hat unter dieser Bezeichnung in Wien eine Bar betrieben.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts betrieb die Beklagte von 2004/2005 bis 2016 in Vorarlberg eine Diskothek, die über mehrere Ausschankplätze verfügte. Im Zeitraum April bis Dezember 2014 bewarb sie auf ihrer Website die damals von ihr veranstalteten Shows mit dem Slogan: „Coyote Ugly Shows & Other Surprises!“.
Der Kläger begehrte, der Beklagten zu verbieten, im Gebiet der Republik Österreich im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „Coyote“ oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung im Zusammenhang mit der Ankündigung von Tanzveranstaltungen oder dem Betrieb einer Bar oder der Ankündigung und der Durchführung von gleichartigen Dienstleistungen kennzeichenmäßig zu verwenden. Zudem stellte er ein Begehren auf Rechnungslegung seit 1. 1. 2012 in Form einer Stufenklage und verband dieses Begehren mit einem Zahlungsbegehren von (zumindest) 141.000 EUR sA. Er sei Inhaber der fraglichen Marke und habe unter dieser Bezeichnung in Wien eine Bar betrieben. Das Konzept seines Barbetriebs sei an den bekannten Kinofilm „Coyote Ugly“ angelehnt gewesen. Die Beklagte betreibe eine Diskothek mit Barbetrieb und verwende dabei den Slogan „Coyote Ugly Shows & Other Surprises“. Damit greife die Beklagte in seine Markenrechte ein. Neben dem Unterlassungsanspruch habe er Anspruch auf angemessenes Entgelt von Jänner 2012 bis 31. 7. 2014, wobei das einfache angemessene Entgelt zumindest monatlich 3.000 EUR betrage. Ab dem Abmahnungsschreiben und daher von August 2014 bis März 2015 stehe ihm wegen vorsätzlicher Rechtsverletzung das doppelte angemessene Entgelt zu. Zur Bezifferung des endgültigen Zahlungsbegehrens habe er Anspruch auf Rechnungslegung.
Die Beklagte entgegnete, dass der verwendete Werbeslogan keinen Bezug zum Kläger herstelle und keine Markenrechtsverletzung begründe. Den Kunden der Beklagten sei der Film „Coyote Ugly“ ebenso bekannt wie die Beklagte. Eine Verwechslungsgefahr zwischen der „Coyote“-Bar des Klägers und den „Coyote Ugly-Shows“ der Beklagten bestehe nicht.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und erkannte die Beklagte zudem schuldig, dem Kläger 7.000 EUR sA zu zahlen; das Zahlungsmehrbegehren sowie das Rechnungslegungsbegehren wies es ab. Die Beklagte habe in die Markenrechte des Klägers eingegriffen. Solche Markenrechtseingriffe seien aber nur für den Zeitraum April bis Dezember 2014 nachgewiesen. Dafür sei ein Entgelt von monatlich 500 EUR angemessen, wobei die Beklagte nach dem Abmahnungsschreiben grob schuldhaft gehandelt habe und dem Kläger ab August 2014 das Doppelte des angemessenen Entgelts zustehe. Der Kläger habe von Anfang an eine konkrete Zahlung gefordert, sodass das Rechnungslegungsbegehren abzuweisen gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Davon ausgehend gab es der Berufung des Klägers (ohne auf diese inhaltlich einzugehen) nicht Folge. Eine Markenrechtsverletzung nach § 10 Abs 1 Z 2 MSchG setze Verwechslungsgefahr voraus. Dementsprechend müsse die Herkunftsfunktion der eingetragenen Marke verletzt werden, weil sich das Publikum durch die Verwendung des Zeichens durch den Dritten über die Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen täuschen könne. Dies setze wiederum voraus, dass ein kennzeichenmäßiger Gebrauch vorliege. Die Beklagte habe aber nicht die Marke des Klägers kennzeichenmäßig gebraucht, sondern lediglich den Titel des Films „Coyote Ugly“ verwendet. Ein Markenrechtseingriff liege daher nicht vor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte hat schon vor einer Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eine Revisionsbeantwortung eingebracht, mit der sie die Zurückweisung der Revision beantragt. Da nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht, erübrigt sich eine Freistellung (RS0041666). Daran vermag die Erklärung der Beklagten nichts zu ändern, dass die Revisionsbeantwortung nur eine vorläufige sei und dieser Schriftsatz eine spätere inhaltliche Revisionsbeantwortung nicht vorweg nehmen solle.
Die Revision ist zulässig, weil die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf und über die Rechtssache noch nicht endgültig entschieden werden kann. Dementsprechend ist die Revision im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Zum Unterlassungsbegehren führt der Kläger in seinem Rechtsmittel aus, dass die Beklagte mit der Wortfolge „Coyote Ugly Shows & Other Surprises“ den Betrieb ihrer Bar beworben und auf diese Weise seine geschützte Marke kennzeichenmäßig verwendet habe. Die Verwechslungsgefahr sei evident, weil die Bezeichnung „Coyote“ maßgebend sei und diese unverändert in die von der Beklagten verwendete Bezeichnung eingebettet worden sei. Hinzu komme, dass die Streitteile gleiche, jedenfalls aber ähnliche Dienstleistungen erbracht hätten. Eine Gesamtschau dieser Umstände dokumentiere die Gefahr, dass sich das Publikum über die Herkunft der betreffenden Dienstleistungen täusche, was Verwechslungsgefahr begründe.
Mit diesen Überlegungen ist der Kläger im Recht.
1.1 Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Beklagte lediglich einen Filmtitel verwendet habe, was einen kennzeichenmäßigen Gebrauch der Marke ausschließe. Damit vermengte das Berufungsgericht Verwechslungsgefahr und kennzeichenmäßigen Gebrauch und übersah, dass auch die Marke des Klägers an den in Rede stehenden Kinofilm angelehnt ist. Dies bedeutet aber nicht, dass bei Verwendung der Bezeichnung „Coyote Ugly“ ein kennzeichenmäßiger Gebrauch der Marke des Klägers ausgeschlossen wäre. Dafür kommt es nicht auf die Motive für die Verwendung eines Zeichens, sondern auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise an. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass auch jene Kunden, denen der erwähnte Filmtitel bekannt ist, die Bezeichnung „Coyote“ als Hinweis auf die vom Beklagten unter diesem Zeichen betriebene Bar verstehen.
1.2 Ein kennzeichenmäßiger Gebrauch einer Marke liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn im geschäftlichen Verkehr eine wörtliche oder bildliche Bezeichnung zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung – oder in Beziehung auf sie – so gebraucht wird, dass der unbefangene Durchschnittsabnehmer annehmen kann, das Zeichen diene der Unterscheidung der so gekennzeichneten Ware oder Dienstleistungen von gleichen oder gleichartigen Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft (RS0066671 [T6]; 17 Ob 7/11w; 4 Ob 26/18d). Als Maßstab wird vom durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungsart ausgegangen (RS0066671 [T10]). Kennzeichenmäßiger Gebrauch bedeutet demnach, dass die Bezeichnung als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen und damit zu deren Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen verwendet wird (Hinweisfunktion). Zudem anerkennt der EuGH die Werbefunktion der Marke, zumal der Inhaber mit dieser nicht nur auf die Herkunft seiner Waren oder Dienstleistungen hinweisen möchte, sondern sie auch für Zwecke der Werbung einsetzen will, um den Verbraucher zu informieren und zu überzeugen (EuGH C‑487/07, L‘Oreal Rn 58; C‑236/08, Google France). Dementsprechend liegt ein kennzeichenmäßiger Gebrauch auch dann vor, wenn ein (fremdes) Zeichen in eine Unternehmensbezeichnung oder in Werbemittel (zB Anzeigen, Kataloge, Preislisten, Geschäftsbriefe, Drucksachen, Rechnungen) eingebettet wird (vgl RS0066671 [T7]). Ist die Verwendung eines Zeichens mehrdeutig, so muss ein kennzeichenmäßiger Gebrauch angenommen werden (RS0066671 [T1]).
1.3 Im Anlassfall hat die Beklagte ihre Diskothekenshows und den Ausschank alkoholischer Getränke im Internet mit einem Slogan beworben, der die Marke des Klägers enthält. Damit hat sie von der Werbefunktion der geschützten Marke des Klägers Gebrauch gemacht und diese kennzeichenmäßig verwendet.
2.1 Für das Bestehen von Verwechslungsgefahr ist maßgebend, ob sich das angesprochene Publikum nach dem Gesamteindruck über die Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen täuschen kann (17 Ob 20/10f). Die Verwechslungsgefahr ist unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei sind sowohl die Kennzeichnungskraft (einschließlich des Bekanntheitsgrads) der Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen (RS0121500; RS0121482). Bei geringer Kennzeichnungskraft setzt die Verwechslungsgefahr eine größere Ähnlichkeit der Zeichen und der Waren oder Dienstleistungen voraus (vgl RS0078887). Eine schwache Marke wird nach der Rechtsprechung jedenfalls dann verletzt, wenn diese zur Gänze übernommen wird, innerhalb des übernehmenden Zeichens keine bloß untergeordnete Rolle spielt und gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck prägen, nicht in den Hintergrund tritt (vgl RS0079033 [T20]).
Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen als zusammengehörig betrachten, weil sie der Meinung sein können, sie würden vom selben Unternehmen stammen oder erbracht, wobei kein strenger Maßstab anzulegen ist. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen ausgeglichen werden und umgekehrt (RS0121482).
2.2 Die Marke des Klägers weist eine hohe Kennzeichnungskraft auf und enthält keine beschreibenden Elemente in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts beide Streitteile einen Barbetrieb geführt und daher jedenfalls ähnliche Leistungen erbracht haben. Nach den dargelegten Grundsätzen genügt daher eine geringere Ähnlichkeit der zu vergleichenden Zeichen. Allerdings besteht im Anlassfall auch hier eine große Ähnlichkeit. Die Beklagte hat die Marke des Klägers unverändert übernommen und in ihren erweiterten Werbeslogan eingebettet. Die verwendeten Zusätze spielen nach der Gesamtbetrachtung nur eine untergeordnete Rolle. Damit kann auch an der Ähnlichkeit der Zeichen kein Zweifel bestehen, die zu einer Herkunftstäuschung hinsichtlich der angebotenen Bardienstleistungen führen kann. Nach der Gesamtschau besteht somit die Gefahr, dass sich das Publikum über die Herkunft der betreffenden Dienstleistungen täuscht und darüber einem Irrtum unterliegt, dass diese vom selben Unternehmen erbracht werden. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr iSd § 10 Abs 1 Z 2 MSchG ist daher zu bejahen.
3. Zum Rechnungslegungsbegehren führt der Kläger in seinem Rechtsmittel aus, dass dessen Prüfung durch das damit verbundene (Mindest-)Zahlungsbegehren inhaltlich nicht beschränkt sei. Er habe im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich vorgebracht, dass es sich beim begehrten Zahlungsbetrag um einen Mindestbetrag handle.
Auch diese Ausführungen sind berechtigt.
3.1 Der Kläger hat ein mit einem Zahlungsbegehren verbundenes Rechnungslegungsbegehren erhoben und dazu vorgebracht, dass sich die angemessene Lizenzgebühr mit 2 % des monatlichen markenrelevanten Bruttoerlöses errechne und ihm monatlich mindestens 3.000 EUR zustünden. Der Zahlungsanspruch werde vorerst mit dem Mindestlizenzentgelt beziffert; die Ausdehnung auf das angemessene Entgelt bleibe vorbehalten.
Damit hat der Kläger ein ordnungsgemäßes Rechnungslegungsbegehren in Form einer Stufenklage erhoben.
3.2 Immaterialgüterrechtliche Ansprüche auf das angemessene Entgelt (§ 53 Abs 1 MSchG, § 150 Abs 1 PatG, § 86 Abs 1 UrhG) haben nach ständiger Rechtsprechung eine bereicherungsrechtliche Grundlage; in der Sache handelt es sich um einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB (RS0108478; RS0021397; 4 Ob 3/15t mwN). Die Höhe der Vergütung entspricht hier dem Wert der Nutzung der Marke, also in der Regel einem angemessenen Lizenzentgelt. Richtschnur dafür ist das, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RS0120089; RS0108478). Bemessungsgrundlage sind im Allgemeinen die durch die Nutzung der Marke erzielten (Brutto-)Erlöse, wovon dem Kläger ein angemessener prozentueller Anteil gebührt, der nach § 273 ZPO eingeschätzt werden kann (vgl 4 Ob 3/15t; vgl auch 4 Ob 130/18y).
3.3 Im Widerspruch dazu hat das Erstgericht das Rechnungslegungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger von Anfang an eine konkrete Zahlung gefordert habe. Betragsmäßig hat es das angemessene Entgelt unter Zugrundelegung angeblicher vom Kläger abgeschlossener Lizenzverträge mit monatlich 500 EUR bemessen. Der Kläger hat die zugrunde liegenden Feststellungen in seiner Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge nicht behandelt und ist auch auf die dazu geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel nicht eingegangen.
4. Insgesamt hält die Entscheidung des Berufungsgerichts der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Da sich das Berufungsgericht mit relevanten Rechtsmittelausführungen, insbesondere mit den Beweisrügen beider Streitteile nicht befasst hat, ist das Urteil des Berufungsgerichts – in Stattgebung der Revision – aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die zweite Instanz zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird sich unter Zugrundelegung der dargelegten Grundsätze mit den Berufungen der Parteien neuerlich zu befassen haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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