OGH 4Ob96/11p

OGH4Ob96/11p9.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch Mag. Martin Brandlmayr, Rechtsanwalt in Attnang-Puchheim, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. R***** W*****, 2. Mag. G***** W*****, beide vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 23. Februar 2011, GZ 23 R 204/10d-34, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 28. Mai 2010, GZ 2 C 954/09b-30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 492,56 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 82,09 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in zwei Entscheidungen ausgesprochen, dass ein Immissionsabwehranspruch nach § 364 Abs 2 oder 3 ABGB durch das Recht der Selbsthilfe nach § 422 ABGB jedenfalls dann nicht ausgeschlossen ist, wenn die Beeinträchtigung unter Bedachtnahme auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot die ortsübliche Benutzung des Grundeigentums wesentlich beeinträchtigt und einen unzumutbaren Zustand herbeiführt, der nicht durch eine leichte und einfache Ausübung des Selbsthilferechts beseitigt werden kann (4 Ob 196/07p = SZ 2007/192 = immolex 2008, 120 [Pfiel] = RdU 2008, 76 [Wagner]; 6 Ob 85/10 = Zak 2010, 316). Diese Entscheidungen knüpfen, abgesehen vom möglichen Einwand der leichten und einfachen Ausübung des Selbsthilferechts, an der allgemeinen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Immissionen iSv § 364 Abs 2 und 3 ABGB an. Insofern ist die Rechtslage daher geklärt.

2. Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage eingehend dargelegt, weswegen die hier strittigen Nadel- und Laubablagerungen auf dem Dach des Nachbarhauses keine ortsunübliche und wesentliche Beeinträchtigung im Sinn dieser Rechtsprechung sind. Diese Beurteilung hängt von den örtlichen Gegebenheiten und damit von den Umständen des Einzelfalls ab und begründete daher nur dann eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung, wenn das Berufungsgericht von einem unrichtigen Verständnis der bisherigen Rechtsprechung ausgegangen wäre oder seinen der Natur der Sache nach bestehenden Ermessensspielraum überschritten hätte.

3. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

3.1. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung sind Laub und Nadeln keine grobkörperlichen Einwirkungen wie etwa Tennisbälle (8 Ob 635/92 = SZ 65/145), Baumstämme (5 Ob 3/99y = JBl 1999, 520) oder Erdmassen (5 Ob 23/71 = SZ 44/22), die nach § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB unabhängig von ihrer Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit untersagt werden können (RIS-Justiz RS0010613); fallendes Laub ist keine grob körperliche Immission (5 Ob 23/71 = SZ 44/22). Die vom Kläger zitierten Ausführungen von Holzner (in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 364 Rz 8 f) stehen dieser Auffassung nicht entgegen. Denn dieser Autor führt nur aus, dass Tennisplatzstaub und Hobelspäne Immissionen iSv § 364 ABGB sein können; er behauptet aber nicht, dass es sich dabei um grob körperliche Einwirkungen handle. Die von ihm zitierten Entscheidungen lehnen genau diese - hier auch vom Kläger gewünschte - Einordnung ab (8 Ob 635/92 = SZ 65/145; 6 Ob 671/78 = SZ 51/114).

3.2. Eine gelegentliche Reinigung der Dachrinne ist den Beklagten nach den örtlichen Verhältnissen jedenfalls zumutbar. Die abstrakte Gefahr, dass es bei einem Unterbleiben dieser Reinigung (auch) wegen der Laub- und Nadelimmissionen zu einer Verstopfung der Dachrinne und in weiterer Folge bei andauerndem Überlaufen zu Feuchtigkeitsschäden im Mauerwerk kommen könnte, ist daher kein Grund, eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung anzunehmen.

3.3. Die weiteren Ausführungen der Revision beziehen sich auf die Umstände des Einzelfalls. Eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigen sie nicht auf.

4. Aus diesen Gründen ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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