OGH 4Ob80/04z

OGH4Ob80/04z4.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Dorer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. O***** GesmbH, 2. O***** GesmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Rudolf Denzel und Dr. Peter Patterer, Rechtsanwälte in Villach, wegen 57.234 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Februar 2004, GZ 3 R 204/3z-31, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach dem Vorbringen in der Klage hat der Kläger mit den Beklagten am 18. 3. 1999 Provisionssätze für den Fall der Vermittlung des Verkaufs von Blockheizkraftwerken vereinbart, wobei ihm Gebietsschutz für Großanlagen im Bereich Westtirol gewährt wurde. Die Beklagten haben zugestanden, die Vereinbarung vom 18. 3. 1999 abgeschlossen zu haben (Klagebeantwortung zweiter Satz); sie haben insbesondere nicht eingewendet, die Vertragsparteien hätten Gebietsschutz nur im Sinne einer - nicht ausschließlichen - "Gebietszuweisung" für den Tätigkeitsbereich des Klägers verstanden. Der Geschäftsführer der Beklagten gab in seiner Vernehmung an, dass zu Gunsten des Klägers Gebietsschutz für Großanlagen im Tiroler Oberland bestand (Verhandlung vom 25. 9. 2002, S. 8 vorletzter Absatz). Der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts, das aus seiner Feststellung, die Beklagten hätten dem Kläger (ua) Gebietsschutz für die Großanlagen für ganz Tirol eingeräumt (ON 25, AS 143), den Schluss zog, dem Kläger gebühre Provision gem § 8 Abs 4 HVG für sein Vertragsgebiet betreffende Direktgeschäfte aus dem Jahr 2001, hielten die Beklagten in der Berufung nur entgegen, der Kläger sei nicht verdienstlich tätig geworden, als Käuferin sei eine GmbH aufgetreten, zu der der Kläger keine Kontakte hergestellt habe, und die Beklagten hafteten nicht solidarisch.

Bei dieser Sachlage unterlag das Berufungsgericht keinem Rechtsirrtum, wenn es den dem Kläger eingeräumten "Gebietsschutz" mangels Feststellung einer bestimmten übereinstimmenden Parteienabsicht gemäß § 914 ABGB nach der Übung des redlichen Verkehrs dahin ausgelegt hat, der Kläger sei vertraglich für ein bestimmtes Gebiet und bestimmte Geschäfte als alleiniger (ausschließlicher) Handelsvertreter der Beklagten iSd § 8 Abs 4 HVG bestellt worden (vgl dazu 9 ObA 232/91 = RdW 1992, 317 und die dort zu diesem Begriff zitierte Lehre). Ein davon abweichendes Verständnis der Vertragsparteien vom genannten Begriff wäre von den Beklagten zu behaupten und zu beweisen gewesen. Für eine richterliche Erörterung iSd § 182 ZPO bestand insoweit - entgegen der Auffassung der Revisionswerber - mangels erkennbarer Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis der Vertragsparteien keine Veranlassung.

2. Ist - wie hier der Kläger - der Handelsvertreter ausdrücklich für ein bestimmtes Gebiet als alleiniger Vertreter bestellt, so gebührt ihm im Zweifel die Provision auch für solche Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung während der Dauer des Vertragsverhältnisses durch den Unternehmer oder für diesen mit der zum Gebiet oder zum Kundenkreis des Handelsvertreters gehörigen Kundschaft geschlossen worden sind (§ 8 Abs 4 HVG). Eine verdienstliche Tätigkeit des Klägers ist für dessen Provisionsanspruch insoweit demnach nicht erforderlich. Auch ist es ohne Bedeutung, ob die 2001 abgeschlossenen Kaufverträge mit demselben Rechtssubjekt zustandegekommen sind, das der Kläger schon 1999 den Beklagten zugeführt hat.

3. Klagegrund ist das tatsächliche Vorbringen, also die kurze und vollständige Angabe der rechtserzeugenden Tatsachen. Das Gericht hat im Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes jenen Sachverhalt zu beurteilen, den ihm die Parteien unterbreiten. Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (WoBl 1998, 183 [Oberhammer]; 4 Ob 12/02x = ÖBl 2002, 297 - Internationales Kultur- und Filmfestival je mwN; RIS-Justiz RS0037610 [T37]).

Der Kläger hat - unbestritten - vorgebracht, die Provisionsvereinbarung mit beiden Beklagten abgeschlossen zu haben. Der vom Berufungsgericht daraus im Zusammenhalt mit Art 8 Nr 1 EVHGB gezogene rechtliche Schluss, die Beklagten hafteten dem Kläger solidarisch, hält sich im Rahmen der vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen und damit des geltend gemachten Klagegrunds.

4. Die Vorinstanzen haben die Tat- und Rechtsfragen auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens selbständig gelöst, ohne sich an Vorentscheidungen für gebunden erachtet zu haben; damit hängt die Entscheidung aber nicht von der in der Revision aufgeworfenen Frage einer Bindungswirkung unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungsharmonie ab.

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