OGH 4Ob78/20d

OGH4Ob78/20d11.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und dieHofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L* T*, geboren am * 2008, wohnhaft bei ihrem Vater R* T*, dieser vertreten durch MMag. Wolfgang Ebner, Rechtsanwalt in Wien, über den (richtig:) außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter J* T*, vertreten durch Mag. Kathrin Schuhmeister, Rechtsanwältin in Schwechat als Verfahrenshelferin, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 10. März 2020, GZ 20 R 57/20b‑515, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 8. Jänner 2020, GZ 3 Ps 41/14a‑507, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129127

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die unterlassene Kostenentscheidung durch das Rekursgericht wendet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung des Antrags der Mutter auf Übertragung der Obsorge und der Abweisung der Anträge des Vaters auf Entziehung der Informationsrechte der Mutter und auf gänzliche Entziehung des Kontaktrechts der Mutter in Rechtskraft erwuchsen, werden im Übrigen, also zum Antrag auf Einräumung eines unbegleiteten Kontaktrechts der Mutter, aufgehoben und die Außerstreitsache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

 

Begründung:

Bisheriger Verfahrensgang:

Die minderjährige L* lebt mit ihrem älteren Bruder N* beim Vater in M* und besucht die Europäische Mittelschule S*. Mit Beschluss vom 11. Juli 2014 wurde der Mutter die (bisher gemeinsame) Obsorge über die minderjährige L* entzogen und dem Vater übertragen. Mit diesem Beschluss wurde auch ein (durch eine geeignete Institution) begleitetes Kontaktrecht der Mutter alle 14 Tage für die Dauer von drei Stunden festgelegt.

Seit November 2014 gab es zwischen der Mutter und L* regelmäßig begleitete Kontakte im Besuchscafé A*. Ab März 2015 nahm die Mutter geförderte Besuchskontakte in Anspruch. Mit Beschluss vom 4. Februar 2016 setzte das Erstgericht nach Einholung einer Stellungnahme der Familiengerichtshilfe Wien weiterhin begleitete Kontakte im bisherigen Ausmaß fest. Die Kosten für die Kontaktbegleitung wurden der Mutter auferlegt.

Seit Anfang 2016 fanden begleitete Kontakte zwischen L* und ihrer Mutter nur mehr einmal im Monat statt, weil die Mutter darüber hinausgehende Kontakte aufgrund ihres Einkommens sowie der Unterhaltspflichten für die Minderjährige und ihren älteren Bruder nicht mehr finanzieren konnte. Der letzte begleitete Kontakt im Besuchscafé A* fand im August 2016 statt. Während dieses Kontakts teilte die Mutter der Kontaktbegleiterin in Anwesenheit von L* mit, dass sie keine weiteren Kontakte mehr wahrnehmen werde bzw könne, dies auch aufgrund ihrer finanziellen Lage. L* wirkte im Anschluss daran im Hort eine Zeit lang ungewöhnlich abwesend, allerdings normalisierte sich ihr Verhalten nach einiger Zeit wieder.

Mit Beschluss vom 9. November 2016 sprach das Erstgericht aus, dass die Mutter weiterhin berechtigt sei, die Minderjährige 14-tägig für die Dauer von drei Stunden begleitet im Besuchscafé A* zu besuchen. Der in diesem Beschluss erfolgte Ausspruch, dass die Kosten der Kontaktbegleitung „grundsätzlich von den Eltern je zur Hälfte zu tragen“ seien, wurde vom Rekursgericht mangels Entscheidungskompetenz des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben.

Das Erstgericht verwies die Mutter im Mai 2017 im Hinblick auf diese Rekursentscheidung mit einer Note auf die Möglichkeit, sich zwecks Förderungen mit der Besuchsbegleitung in Verbindung zu setzen, wenn die Finanzierung der begleiteten Kontakte nicht möglich sei.

Im Juli 2017 informierte die Betreiberin des Besuchscafés A* das Erstgericht davon, dass die Zustimmung zur Kontaktbegleitung zwischen der Mutter und der Minderjährigen zurückgezogen werde. Die Mutter beschimpfe das Besuchscafé und seine Mitarbeiter und verbiete der Betreiberin die Kontaktaufnahme. Die weitere Zusammenarbeit mit der Mutter sei daher unmöglich.

Die Mutter stellte in der Folge mehrere Anträge auf unbegleitetes Kontaktrecht und verwies darin auch mehrfach darauf, dass sie aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, die Besuchsbegleitung zu finanzieren.

Mit Beschluss vom 20. August 2018 wies das Erstgericht einen nicht näher konkretisierten Kontaktrechtsantrag der Mutter mit der Begründung ab, es lägen keine geänderten Verhältnisse vor. Es wäre an der Mutter gelegen, die Kontakte über eine andere geeignete Einrichtung wahrzunehmen und sich auch bezüglich Förderungsmöglichkeiten im Hinblick auf Zahlungserleichterungen zu erkundigen, was jedoch nicht erfolgt sei.

Seit dem letzten Treffen im August 2016 gab es keine Kontakte zwischen der Mutter und L*.

Gegenständlicher Antrag:

Die (in erster und zweiter Instanz unvertretene) Mutter beantragt (soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz), ihr ein unbegleitetes Kontaktrecht einzuräumen, insbesondere weil es ihr aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht möglich sei, begleitete Besuchskontakte wahrzunehmen. Die für eine Besuchsbegleitung mögliche Förderung sei aufgebraucht. Die Mutter verweist dabei auf die Formulierung einer früheren Entscheidung des Rekursgerichts, wonach sie das Kontaktrecht nicht grundlos ablehne.

Der Vater sprach sich dagegen aus und beantragte unter anderem, das Kontaktrecht der Mutter auszusetzen, hilfsweise einzuschränken. Ein unbegleitetes Kontaktrecht sei aufgrund des bisherigen Desinteresses der Mutter an ihrer Tochter dem Kindeswohl abträglich.

Das Erstgericht wies den Antrag auf unbegleitete Kontakte ab und sprach aus, dass der Mutter (nur mehr) einmal im Monat ein begleitetes Kontaktrecht für zwei Stunden im Rahmen der Kontaktbegleitung beim Beratungszentrum L* zukomme.

Es stellte fest, dass die Mutter im Zuge des letzten begleiteten Kontakts im August 2016 der Besuchsbegleiterin mitteilte, dass sie keine weiteren Kontakte mehr wahrnehmen könnte, dies aufgrund ihrer finanziellen Lage. Die Förderung der Besuchsbegleitung beim Besuchscafé A* ist im vollen Ausmaß ausgeschöpft, zudem führt dieses Besuchscafé keine Besuche zwischen der Mutter und L* durch. Der Konflikt zwischen den Eltern ist noch nicht befriedet. Der Vater verletzte wiederholt seine Informationspflichten gegenüber der Mutter, weshalb das Erstgericht über ihn mehrfach Geldstrafen verhängte. Die Mutter äußerte sich in zahlreichen Schreiben gegenüber dem Vater und ihrem Sohn abfällig, diffamierte Vater, Sohn und Gericht auch in sozialen Medien und sieht am Konflikt und den Auswirkungen auf L* kaum eigene Anteile bzw bezüglich ihres Agierens keine Einsicht. L* möchte derzeit keine Veränderungen, ihrer Mutter warf sie Unehrlichkeit vor und wünschte sich aber auch, dass ihr die Mutter vielleicht einen Brief schicken könnte.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass eine Besuchsbegleitung nach § 111 AußStrG heranzuziehen sei, wenn es das Wohl des Kindes verlange. Die Besuchsbegleitung sei aber nicht ultima ratio, die erst nach Erschöpfung anderer Abwicklungsmodalitäten herangezogen werden dürfte. Im Anlassfall entsprächen unbegleitete Kontakte nicht dem Kindeswohl, wobei das Erstgericht auf den letzten Kontakt im Jahr 2016 verwies.

In ihrem dagegen erhobenen Rekurs verwies die Mutter darauf, dass es ihr finanziell nicht möglich sei, Ausgaben für die Besuchsbegleitung in Kauf zu nehmen. Ihr blieben von ihrem Einkommen (nach Abzug der exekutiv betriebenen Unterhaltsforderungen ihrer beiden Kinder) nur 966 EUR übrig. Sie machte geltend, dass die Prüfung der Frage, warum nicht der Vater die Kosten für die Besuchsbegleitung übernehme, unterblieben sei. Es sei auch bedenklich, dass sie eine Beziehung zu ihrem Kind in nur zwei Stunden pro Monat aufbauen solle. Bei einem einzigen Treffen im Monat unter Aufsicht könne keine Bindung entstehen.

Die vom Erstgericht weiters abgewiesenen Anträge der Mutter (auf Übertragung der Obsorge) und des Vaters (auf Entzug der Informationsrechte und Kontaktrechte der Mutter) sind nicht mehr Gegenstand des drittinstanzlichen Verfahrens.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Rekursgericht dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Dem Auftreten der Mutter gegenüber dem Gericht und ihrer Argumentation sei zu entnehmen, dass sie allen anderen Beteiligten – vorbei an allen objektivierten Umständen – die aus ihrer eingeschränkten subjektiven Sicht einzig gültigen Bedingungen sowohl für persönliche Kontakte als auch für die schriftliche Kontaktaufnahme zu diktieren versuche. Das Rekursgericht verwies auf einen Bericht des Kinder- und Jugendhilfeträgers, dem zu entnehmen sei, dass es dem Kind an einer Vision fehle, ein unbefangenes Tochter-Mutter-Verhältnis zu begründen. Das nicht gerade von Wärme, Empathie und Verständnis für ihre Tochter getragene Verhalten der Mutter möge beim Kind den Eindruck verfestigt haben, an der derzeitigen Situation (ohne Kontakte) nichts ändern zu wollen. Hier sei es dem Rekursgericht geradezu unverständlich, dass die Mutter weiterhin auf ein unbegleitetes Kontaktrecht poche. Sie zeige keine Umstände auf, die es aus Sicht des Kindeswohls erforderlich machen würden, von der Besuchsbegleitung abzugehen. Eine solche eigne sich hier aber aus psychologischer Sicht für die Wiederanbahnung des persönlichen Kontakts zwischen der Mutter und ihrer Tochter. Durch die Besuchsbegleitung könnten die verhärteten Fronten zwischen Mutter und Kind aufgeweicht werden. Damit könne vermieden werden, dass L* im Fall unbegleiteter Kontakte zu ihrer Mutter einem ungeregelten Geschehensablauf mit negativem Ausgang ausgesetzt wäre. Die Mutter werde nunmehr endgültig zu beweisen haben, dass sie willens und in der Lage sei, Kontakte zu L* aufzubauen, bevor ihr Argument, sich die nunmehr ohnedies nur einmal monatlich stattfindenden begleiteten Kontakte nicht leisten zu können, als vorgeschoben erachtet werden müsse.

Mit der Begründung, dass eine über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehende Rechtsfrage nicht vorliege, ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Mit ihrer „außerordentlichen Revision“ (richtig ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs) beantragt die Mutter „die angefochtenen Beschlüsse“ dahingehend abzuändern, dass ihr ein 14-tägiges unbegleitetes Kontaktrecht zukomme, in eventu, dass die Bezahlung der Besuchsbegleitung dem Vater aufgetragen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Ungeachtet der Anfechtungserklärung, die formal auch die Entscheidung über die Obsorge umfasst, sind Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens aufgrund des insoweit maßgeblichen (RIS‑Justiz RS0049520, RS0043624) und (auch im Zusammenhang mit den inhaltlichen Ausführungen) zweifelsfreien Rechtsmittelantrags allein der Umfang und die Modalitäten des Kontaktrechts der Mutter. Die Mutter stellt auch klar, dass es ihr lediglich um einen ordentlichen Kontakt zu ihrem Kind gehe. Inhaltlich argumentiert die Mutter im Wesentlichen damit, dass sich die Vorinstanzen weder mit ihrem Begehren auf ein unbegleitetes Kontaktrecht noch mit ihrem Unvermögen, die Kosten der Besuchsbegleitung zu tragen, ausreichend auseinandergesetzt hätten. Aufgrund ihres geringen Einkommens sei sie nicht in der Lage, die Kosten von 110 EUR pro Begleittermin zu begleichen. Feststellungen zur finanziellen Lage lägen nicht vor. Der Mutter stehe ein unbegleitetes Kontaktrecht, allenfalls ein begleitetes (aber kostenfreies) Kontaktrecht durch geeignete Dritte zu. Weiters rügt die Mutter, dass der Vater nicht zum Ersatz der Kosten der Besuchsbegleitung verpflichtet worden sei.

Der Vater beantragte in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel der Mutter zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinne des (als zweiten Eventualantrag hilfsweise gestellten) Aufhebungsantrags auch berechtigt, weil keine ausreichenden Feststellungen vorliegen, um den Antrag der Mutter umfassend beurteilen zu können.

1. Das Rechtsmittel ist im Hauptantrag, mit dem ein unbegleitetes Kontaktrecht angestrebt wird, und im dazu korrespondierenden hilfsweise gestellten zweiten Eventualantrag (Aufhebungsantrag) nicht jedenfalls unzulässig. Hingegen ist das Rechtsmittel im ersten Eventualantrag, mit dem die Mutter begehrt, dass dem Vater die Bezahlung der Besuchsbegleitung aufgetragen werde, jedenfalls unzulässig.

1.1 Ein Revisionsrekurs über den Kostenpunkt ist jedenfalls unzulässig. Unter „Kostenpunkt“ im Sinne des § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG ist nicht nur die Bemessung der Kosten zu verstehen, sondern auch, ob überhaupt ein Anspruch auf Kostenersatz besteht, wem dieser zusteht, oder die Ablehnung einer Kostenentscheidung (RS0111498; RS0044233).

1.2 Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich auch bei der Entscheidung über die Tragung der Kosten der Besuchsbegleitung um eine solche „über den Kostenpunkt“ (2 Ob 143/11k; 1 Ob 53/16z; 1 Ob 9/18g; RS0007695 [T11, T24]), und zwar auch dann, wenn (wie von der Mutter im ersten Eventualantrag gerügt) die Vorinstanzen ungeachtet eines Antrags darüber keine Entscheidung getroffen haben (3 Ob 79/14k).

1.3 Soweit die Mutter sich in ihrem Hauptantrag gegen die Abweisung eines unbegleiteten Kontaktrechts und die Festlegung einer (mit Kosten verbundenen) Besuchsbegleitung richtet, wird damit keine Kostenentscheidung angefochten. Der bloße Umstand, dass mit der Besuchsbegleitung auch Kosten verbunden sind, macht die Anordnung einer solchen Maßnahme noch nicht zu einer Kostenentscheidung. Kostenfragen im Zusammenhang mit der Besuchsbegleitung sind hier allenfalls Vorfragen zur Hauptfrage, ob der Mutter ein (un‑)begleitetes Kontaktrecht zusteht.

1.4 Wie noch auszuführen sein wird, kann die angefochtene Entscheidung im Sinne des Hauptbegehrens nicht abgeändert werden, sodass auch das erste Eventualbegehren zu prüfen wäre. Mit diesem wendet sich der Revisionsrekurs inhaltlich dagegen, dass das Rekursgericht die Kosten der Besuchsbegleitung nicht dem Vater auferlegt hat bzw bemängelt, dass darüber eine Entscheidung unterlassen wurde. In diesem Umfang ist das Rechtsmittel aufgrund der unter Punkt 1.2 referierten Rechtsprechung (vgl insb 3 Ob 79/14k) als absolut unzulässig zurückzuweisen.

2. Beim Kontaktrecht zwischen Eltern und Kindern handelt es sich um ein Grundrecht ihrer Beziehung, das unter dem Schutz des Art 8 EMRK steht (vgl RS0047754 [insb T3, T19, T21]). Einschränkungen des Kontakts zwischen dem Kind und dem nicht (hauptsächlich) betreuenden Elternteil sollten die Ausnahme sein. Eine Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände vorliegen, die eine Gefährdung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes besorgen lassen (vgl RS0048384 [T7]). Um den Zweck des Kontaktrechts zu erreichen, ist dem Kontaktberechtigten im allgemeinen der Kontakt zu seinem Kind unbeschränkt, das heißt ohne Beeinträchtigung durch Zuziehung weiterer Personen oder Bindung an bestimmte Örtlichkeiten, zu gestatten und ihm die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung der Besuche zu bieten (6 Ob 33/18y; RS0048369; RS0048384).

3.1 Oberster Grundsatz bei der Kontaktrechtsregelung ist das Kindeswohl (RS0048056; RS0047754 [T14, T18]); im Konfliktfall hat das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten (6 Ob 33/18y; RS0048062; RS0048068).

3.2 Daran knüpft auch § 111 AußStrG an. Demnach kann eine Besuchsbegleitung (also eine inhaltliche Beschränkung des Kontaktrechts) angeordnet werden, wenn es das Wohl des betroffenen Kindes verlangt.

3.3 Dies bedeutet aber nicht (wie bereits vom Erstgericht zutreffend erwähnt), dass die Besuchsbegleitung ultima ratio ist und damit etwa erst nach Erschöpfung anderer Abwicklungsmodalitäten herangezogen werden dürfte. Die Besuchsbegleitung eignet sich aus psychologischer Sicht zwar in erster Linie für die Neu- oder Wiederanbahnung des persönlichen Kontakts zwischen nicht erziehendem Elternteil und Kind. Es sind jedoch Fallkonstellationen denkbar, in denen aufgrund der seelisch-psychischen Ausnahmeverfassung und/oder vorübergehend eingeschränkten Einsichtsfähigkeit der Beteiligten auch sonst eine objektive dritte Person für die Abwicklung des Besuchskontakts erforderlich ist; das Rechtsinstitut der Besuchsbegleitung kann also in bestimmten Fällen auch über eine angemessene Übergangszeit hinaus zu einer Art Dauereinrichtung für die laufende Besuchsabwicklung in bestimmten, etwa besonders konfliktgeschädigten Eltern-Kind-Verhältnissen werden (RV 296 BlgNR XXI. GP  92; RS0118258).

3.4 Voraussetzung für die Anordnung einer Besuchsbegleitung sind – neben Gefährdungen des Wohls des Kindes – insbesondere Drucksituationen, denen das Kind aufgrund der ungeklärten Situation zwischen seinen Eltern ausgesetzt ist, wenn der nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebende Elternteil etwa das Wohlverhaltensgebot des § 159 ABGB verletzt, indem er versucht, das Kind gegen den betreuenden Elternteil aufzuwiegeln, es für sich zu vereinnahmen oder das Kind aufhetzt (10 Ob 61/03y; 6 Ob 253/10i; ähnlich Leb in Schneider/Verweijen § 111 AußStrG Rz 1 und Beck in Gitschthaler/Höllwerth 2 § 111 AußStrG Rz 14 jeweils unter Hinweis auf „schwerwiegende Gründe“). Für eine laufende Kontaktrechtsausübung kann Besuchsbegleitung aber nur angeordnet werden, wenn dies im Interesse des Kindes gelegen ist (6 Ob 253/10i mwN).

4.1 In der hier vorliegenden Konstellation kann durch die Anordnung einer Besuchsbegleitung das Wohl der Minderjährigen in unterschiedlicher Weise betroffen sein. Zum einen könnte es das Wohl des Kindes (im Sinne der Ausführungen des Rechtsmittelgerichts) nach § 111 AußStrG verlangen, die Minderjährige durch die Begleitung vor den Nachteilen eines unbegleiteten Kontakts zu schützen (6 Ob 33/18y; 4 Ob 245/16g). Zum anderen könnte die Besuchsbegleitung dem Kindeswohl aber auch abträglich sein, nämlich dann, wenn wegen des (vom Rechtsmittel behaupteten) finanziellen Unvermögens der Mutter überhaupt keine Kontakte mehr stattfinden und das Kind damit keine nähere Beziehung zu seiner Mutter aufbauen kann, entspricht doch ein regelmäßiger Kontakt in aller Regel dem Kindeswohl (2 Ob 19/11z; 7 Ob 168/13a; 7 Ob 68/14x; RS0047754 [T25]; RS0047861 [T3]; RS0048072).

4.2 Um dieses Spannungsfeld aufzulösen, müssen die potentiellen Vor- und Nachteile der Anordnung einer Besuchsbegleitung gegeneinander abgewogen werden (vgl allgemein zur Interessensabwägung beim Kontaktrecht: EGMR, 16. 7. 2015, 39438/13, Nazarenko/Russland; 6 Ob 200/16d uva).

4.3 Wenn ein Kontaktrecht ohne Besuchsbegleitung dem Kindeswohl besser entspricht als das gänzliche Unterbleiben des Kontakts, ist schon im Interesse des Kindes von einer obligatorischen Besuchsbegleitung abzusehen. Ist hingegen das Unterbleiben des persönlichen Kontakts aus der Sicht des Kindes günstiger als eine unbegleitete Kontaktrechtsausübung, so hat das Gericht die Ausübung des Kontaktrechts von einer Besuchsbegleitung abhängig zu machen (Thunhart, Können Eltern gegen ihren Willen zur Zusammenarbeit mit außergerichtlichen Institutionen gezwungen werden? IFamZ 2011, 139; vgl 3 Ob 130/17i; 9 Ob 46/17f [zur Abwägung der mit dem Kontakt zu erwartenden Vor- und Nachteile für das Kind]).

4.4 Für die hier gebotene Abwägung reichen die bisherigen Feststellungen jedoch nicht aus.

4.4.1 Da die Mutter das Kind schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat, sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass das Wohl der Minderjährigen eine Besuchsbegleitung verlangt. Dem tritt die Mutter in ihren Rechtsmittelausführungen ebensowenig entgegen wie der Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach darüber hinaus auch ihr (von ihr nicht bestrittenes) polemisierendes Verhalten eine Begleitung erfordert. Die Mutter wendet sich ausschließlich deshalb gegen die Besuchsbegleitung, weil ihr deren Finanzierung nicht möglich sei.

Grundsätzlich dient eine begleitete Kontaktaufnahme der behutsamen Neuanbahnung des persönlichen Kontakts zwischen dem nichterziehenden Elternteil und dem minderjährigen Kind (5 Ob 94/16h; 9 Ob 75/17w). Wenngleich allein der Umstand, dass der letzte Kontakt schon Jahre zurückliegt, nicht zwingend eine Besuchsbegleitung verlangt, bestehen gegen eine grundsätzliche Bejahung des § 111 AußStrG schon deshalb keine Bedenken, weil darüber hinaus eine konfliktbeladene Situation zwischen den Eltern vorliegt, für die auch die Mutter (neben dem Vater) mitverantwortlich ist.

4.4.2 Allerdings wurde der Einwand der Mutter, dass sie sich die Kosten der Besuchsbegleitung nicht leisten könne, nicht geprüft und blieb damit bisher unberücksichtigt. Die vom Rekursgericht in den Raum gestellte Vermutung, dass das Kostenargument von der Mutter nur vorgeschoben sein könnte, findet im bisherigen Sachverhalt keine Deckung. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren in einem ersten Schritt zu prüfen haben, ob es der Mutter möglich ist, allfällige Kosten einer Besuchsbegleitung ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhalts zu bestreiten.

4.4.3 Dieser Prüfschritt ist deshalb erforderlich, weil die bei der Besuchsbegleitung (allenfalls) anfallenden Kosten vom kontaktberechtigten Elternteil zu tragen sind (Deixler-Hübner in Rechberger, § 111 AußStrG Rz 2; Leb in Schneider/Verweijen § 111 AußStrG Rz 4; Huter, Besuchsbegleitung in der gerichtlichen Praxis II, EF‑Z 2012/97, 159), fallen diese doch bei der Ausübung seines Kontaktrechts in seinem Interesse an. Das korrespondiert mit der in der Entscheidung 1 Ob 53/16z und von Obermaier (in Gitschthaler/Höllwerth 2 § 78 AußStrG Rz 88) vertretenen Rechtsansicht, dass diese Kosten Aufwendungen zur Durchsetzung des Hauptanspruchs auf Regelung des persönlichen Kontakts zum Kind sind.

4.4.4 Im Rahmen der Prüfung der Finanzierbarkeit einer Besuchsbegleitung wird der Mutter Gelegenheit zu geben sein, eine kostenfreie oder zumindest leistbare Alternative zur vom Erstgericht beabsichtigten Heranziehung des Beratungszentrums L* vorzuschlagen; die in Betracht kommenden Möglichkeiten sind mit der Mutter zu erörtern (vgl auch die Aufzählung der Berufsgruppen, deren Angehörige als fachlich geeignete Personen in Betracht kommen, in der im Justiz‑Intranet unter der Rubrik „Rechtspflege/Unterstützung und Betreuung“ veröffentlichten Liste der vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz geförderten Trägerorganisationen). Aus den bisher getroffenen Feststellungen lässt sich nicht zwingend ableiten, dass als „geeignete Person“ im Sinne des § 111 AußStrG nur eine ausgebildete Fachkraft (bzw eine professionelle Institution) in Betracht kommt. Vom Gesetz wird die Einschaltung einer sonstigen Person (oder Stelle) auch nicht ausgeschlossen, wenn diese in der Lage ist, die Kontakte zwischen der Mutter und dem Kind in deren Interessen zu begleiten (RV 296 BlgNR XXI. GP  92 f).

4.4.5 Nur wenn eine für die Mutter leistbare Möglichkeit einer Besuchsbegleitung nicht in Betracht kommt, hat das Gericht in einem zweiten Schritt im Sinne der Ausführungen zu Punkt 4.3 unter Berücksichtigung der dazu erforderlichen Feststellungen abzuwägen, ob das Unterbleiben des persönlichen Kontakts dem Kindeswohl mehr entspricht als eine (allenfalls vorläufig) unbegleitete Kontaktrechtsausübung.

5. Bei der neuerlichen Entscheidung wird auch der Umfang des Kontaktrechts einer Prüfung zu unterziehen sein. Die Vorinstanzen haben das Ausmaß des bisherigen Kontaktrechts ohne nähere Begründung auf einen (zweistündigen) Termin im Monat drastisch reduziert. Grundsätzlich reicht aber ein einziger Besuchstag im Monat nicht aus, um einen echten Mutter‑Kind-Kontakt herzustellen. Zur Erreichung dieses Zwecks ist vielmehr (mindestens) ein zweimaliger Monatsbesuch erforderlich. Nur in Ausnahmefällen kann von diesem Erfordernis abgegangen werden (RS0048343).

6. Das Erstgericht wird daher die Entscheidungsgrundlage wie aufgezeigt zu verbreitern und sodann neuerlich über den Antrag der Mutter auf unbegleitetes Kontaktrecht zu entscheiden haben.

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