OGH 4Ob76/10w

OGH4Ob76/10w11.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** S*****, vertreten durch Aschmann & Pfandl Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. R***** K*****, 2. J***** K*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 5.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 22. Februar 2010, GZ 17 R 16/10p-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom 21. Dezember 2009, GZ 3 C 385/09s-5, aufgehoben wurde, folgenden

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 492,56 EUR (darin 82,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Kläger ist seit 2002 Eigentümer eines Weggrundstücks. Er begehrte, den Beklagten aufzutragen, es zu unterlassen, auf dem Grundstück zwei näher beschriebene Müllcontainer abzustellen. Vor seinem Eigentumserwerb war der Kläger Berechtigter eines Fahrrechts über diesen Weg und hatte zusammen mit einer weiteren Servitutsberechtigten einen rechtskräftigen Unterlassungstitel gegen die Beklagten erwirkt, wonach diese ua verpflichtet sind, es zu unterlassen, Gegenstände auf dem Weggrundstück abzustellen und generell die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über das Grundstück zu stören.

Das Erstgericht wies die Klage wegen entschiedener Rechtssache zurück. Die vom Kläger im Vorverfahren als damals Servitutsberechtigter erwirkte Entscheidung entfalte Bindungswirkung im Anlassfall ungeachtet des Umstands, dass der Kläger sich nunmehr auf sein Eigentumsrecht stütze.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortführung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es liege keine rechtskräftig entschiedene Sache vor, weil der rechtserzeugende Sachverhalt im Vorprozess mit jenem im Anlassfall nicht ident sei. Habe der Kläger seinen Unterlassungsanspruch früher auf sein Dienstbarkeitsrecht gestützt, mache er nunmehr unzulässige Eingriffe in sein Eigentumsrecht geltend. Diese Ansprüche könnten unterschiedlich sein, was sich schon daraus ergebe, dass Handlungen denkbar seien, die zwar das Eigentum an einem Grundstück, nicht aber die Ausübung des Rechts des Gehens und Fahrens über dieses Grundstück beeinträchtigten. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs trotz umfangreicher höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Identität des Streitgegenstands zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht über einen gleichen Sachverhalt entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab.

1. Hat das Rekursgericht in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung eine Prozesseinrede verworfen, liegt eine abändernde Entscheidung vor, die nach § 528 ZPO anfechtbar ist (RIS-Justiz RS0121604, RS0044033 [T6]). Mangels vergleichbarer Ausgangssituation kommt eine analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO - entgegen der älteren Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0054895) - nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0121604).

2. Nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff liegt der gleiche Streitgegenstand nur dann vor, wenn sowohl der Entscheidungsantrag (Sachantrag) als auch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen (rechtserzeugender Sachverhalt, Klagegrund) dieselben sind (RIS-Justiz RS0039347, RS0039179, RS0041229; vgl auch RS0041118; RS0041572), sodass beide Begehren zwangsläufig dieselbe rechtliche Beurteilung zur Folge haben müssen (RIS-Justiz RS0041229). Ob dies zutrifft oder nicht, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0044453).

3. Das Rekursgericht hat unter Beachtung dieser Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Identität des Streitgegenstands im Vorprozess mit jenem im Anlassfall in vertretbarer Weise verneint und zutreffend darauf hingewiesen, dass die beiden prozessualen Ansprüche (einmal gestützt auf ein Dienstbarkeitsrecht, nunmehr auf das Eigentumsrecht) nicht zwangsläufig rechtlich gleich zu beurteilen sind.

4. Dass ein völlig gleichartiger (oder hinreichend ähnlicher) Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde, begründet noch nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (vgl RIS-Justiz RS0110702; RS0102181). Wird ein Streitfall - trotz neuer Sachverhaltselemente - bei Anwendung gefestigter Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung auf den jeweiligen Einzelfall innerhalb des durch sie eröffneten Beurteilungsspielraums gelöst, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, weil die Kasuistik des Einzelfalls die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs im Allgemeinen ausschließt (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 70 mN aus der Rsp).

5. Im Anlassfall hat das Rekursgericht bei Behandlung der Prozesseinrede der entschiedenen Sache den ihm offenstehenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Der Revisionsrekurs war daher wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Sein Schriftsatz im Zwischenstreit über die Prozesseinrede der entschiedenen Sache (M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 52 ZPO Rz 3; RIS-Justiz RS0035955) diente damit der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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