European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00059.21M.0527.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Von nicht verbücherten ersessenen oder vertraglich vereinbarten Servituten unbelasteter Erwerb von Grundstücken iSd § 1500 ABGB (vgl RIS‑Justiz RS0011631 [T5]; 9 Ob 11/20p; RS0012151) ist nur möglich, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren, vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt erkennen lassen; bei Offenkundigkeit der Dienstbarkeit ist Gutgläubigkeit zu verneinen (vgl RS0011676).
[2] Zur „Offenkundigkeit“ einer im Grundbuch nicht eingetragenen Servitut und allenfalls bestehenden Nachforschungspflichten bestehen bereits durch eine Vielzahl von höchstgerichtlichen Entscheidungen gefestigte Leitlinien (1 Ob 32/21v mwN):
[3] Für die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit ist wesentlich, ob man – vom dienenden Grundstück aus betrachtet – bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmen kann, die das Bestehen einer (bestimmten) Dienstbarkeit vermuten lassen (RS0011633). Bedenken über die Vollständigkeit des Grundbuchstandes können sich aus der Natur ergeben, wenn Spuren auf dem Grundstück oder sichtbare Anlagen oder sonstige Einrichtungen vorgefunden werden, die ihrem Zweck nach das Dienen des Grundstücks offenkundig erkennen und daher das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (RS0034803 [T7, T19]). Dann müssen auch Nachforschungen vorgenommen werden. Woraus sich die Offenkundigkeit für den Erwerber ergibt bzw aus welchen Umständen sich für diesen die Pflicht (und die Tiefe) von Nachforschungen ergibt, hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich auf das Bestehen der Servitut beruft (vgl RS0034870). In der Beantwortung von Fragen zum Bestehen und zum Umfang der Nachforschungspflicht liegt wegen ihrer Einzelfallbezogenheit (vgl RS0034803 [T12, T19]) in der Regel nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine klare Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf (vgl RS0034803 [T8, T16]; RS0034870 [T2], RS0107329).
[4] 2. Die Vorinstanzen sind von diesen Leitlinien nicht abgewichen. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung wird von der Revision der Klägerin nicht aufgezeigt.
[5] 2.1. Hier steht der Wille der 1970 einen „Realteilungs‑ und Tauschvertrag‟ schließenden Parteien – drei Brüdern, denen Miteigentum an den nunmehr den Verfahrensparteien gehörenden Grundstücken zukam – fest, dass das Nutzungsrecht an auf dem (dienenden) Grundstück der Rechtsvorgänger der Klägerin liegenden Räumlichkeiten dem jeweiligen Eigentümer des nunmehr der Beklagten gehörenden (herrschenden) Grundstücks zur Erleichterung bzw Ermöglichung des (Weiter‑)Betriebs einer bestehenden Gastwirtschaft zustehen sollte, die zuvor schon von den Eltern der Brüder etabliert worden war. Zudem sieht dieser Vertrag (den der Nebenintervenient als von der Klägerin zur Abfassung ihres Kaufvertrags im Jahr 2001 beauftragter Rechtsanwalt auch einsah und prüfte) ausdrücklich vor, dass die Vereinbarung mit ihren Rechten und Pflichten beiderseits auf die Erben und Rechtsnachfolger übergeht und vom Eigentümer des dienenden Grundstücks bis zum (hier unterbliebenen) Eintritt einer Bedingung unkündbar ist.
[6] Dies als Grunddienstbarkeit anzusehen, ist nicht unvertretbar; auch die Revision bezieht dagegen nicht konkret Stellung und legt nicht dar, warum die Vertragsauslegung der Vorinstanzen eine Fehlbeurteilung sein sollte.
[7] 2.2. Zur „Offenkundigkeit“ dieser im Grundbuch nicht eingetragenen Servitut und diesbezüglichen Nachforschungspflichten vor dem Erwerb durch die Klägerin haben die Vorinstanzen insbesondere die örtlichen Gegebenheiten – die unübersehbare Ausschilderung der Gastwirtschaft und deren räumliche Gestaltung – hervorgehoben; der Makler wies die Klägerin sogar darauf hin, dass der Zugang zum Gasthaus und die für dieses genutzten, auf dem Grundstück der Klägerin liegenden und nunmehr klagsgegenständlichen Räumlichkeiten „von der anderen Seite“ (dem Grundstück der Beklagten) her erfolgt. Der Schluss der Vorinstanzen, dass diese Umstände insgesamt das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten ließen, hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung.
[8] Dasselbe gilt für die Ansicht der Vorinstanzen, dass vor diesem Hintergrund das Unterbleiben weiterer Nachforschungen der Klägerin – wie der Besuch der Gastwirtschaft und die Befragung von Mitarbeitern des Betriebs (aber auch der Beklagten selbst oder des 2018 verstorbenen Begünstigten aus dem Vertrag aus 1970) – und das Hinnehmen der Behauptungen der Verkäufer, dem Begünstigten sei bloß ein höchstpersönliches Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt worden, die Gutgläubigkeit hinsichtlich der Freiheit von Dienstbarkeiten ausschließt, zumal hierfür bereits leichte Fahrlässigkeit genügt (vgl RS0011676 [T6]).
[9] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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