OGH 4Ob543/91

OGH4Ob543/9110.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Handelsgesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer und Dr. Reinfried Eberl, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Dkfm. Dr. Josef M*****, 2.) Anna G*****, wegen Zuhaltung eines Bestandvertrages, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 27. Juni 1991, GZ 22 R 335/91-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 28. Mai 1991, GZ 13 C 1261/91-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufgetragen.

Die Rechtsmittelkosten der klagenden Partei sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, den zwischen ihr und ihrer Rechtsvorgängerin im Eigentum an den Liegenschaften EZ 518 und 519 KG Salzburg, Marianne W*****, geschlossenen Bestandvertrag vom 9. 8. 1977 zuzuhalten und gemäß Aufforderung des Magistrates Salzburg als Bau- und Feuerpolizei zu AZ 5/05/68116/90 vom 7. 8. 1990 um nachträgliche baubehördliche Bewilligung von acht im einzelnen aufgezählten nichtbewilligten Baumaßnahmen anzusuchen sowie sämtliche erforderliche Maßnahmen zur Erlangung der nachträglichen Baubewilligung zu treffen oder als Grundeigentümer den nachträglichen Baubewilligungsbegehren der Klägerin zu Zahl 5/05/85088/90 des Magistrates Salzburg in Ansehung zweier bestimmter Baumaßnahmen die Zustimmung zu erteilen. Sie habe mit Vertrag vom 9. 8. 1977 von der früheren Liegenschaftseigentümerin Marianne W***** bestimmte, im einzelnen angeführte Geschäftsräume in Salzburg, Linzergasse 47 und 49, gemietet. Nach dem Tod der Mieterin seien nunmehr die Beklagten je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 518 und 519 KG Salzburg. Nach Abschnitt V des Bestandvertrages seien die Bestandgeber verpflichtet, auf ihre Kosten für alle Mängel aufzukommen, die während der Bestandzeit auftreten und den vertragsmäßigen Gebrauch hindern oder beeinträchtigen. In dem erwähnten, auf Antrag der Beklagten eingeleiteten bau- und feuerpolizeilichen Überprüfungsverfahren des Magistrates Salzburg habe die Behörde ihre Absicht mitgeteilt, baubehördliche Aufträge gemäß § 16 Abs.3 und 4 Baupolizeigesetz zu erteilen, falls die Klägerin nicht um die nachträgliche Bewilligung bestimmter angeblich bisher baurechtlich nicht bewilligter Maßnahmen einkomme oder den ursprünglichen Zustand wiederherstellte. All diese baulichen Veränderungen seien aber schon vor der Übernahme des Bestandobjektes durch die Klägerin und ohne deren Veranlassung durchgeführt oder in Auftrag gegeben gewesen. Für die Klägerin sei die Inbestandnahme der Räume in dem Zustand nach Durchführung der angeblich nicht bewilligten Baumaßnahmen wesentlicher Vertragsinhalt. Zur Vorsicht habe die Klägerin selbst die Genehmigung bestimmter Bauarbeiten (Wanddurchbrüche) beantragt. Die Beklagten hätten - gleichfalls in schikanöser Rechtsausübung - die Zustimmung zu diesen nachträglichen Baubewilligungsansuchen verweigert, so daß der Antrag der Klägerin abgewiesen worden sei. Die Beklagten seien aber auf Grund des Bestandvertrages verpflichtet, der Klägerin die Räume in jenem Zustand zu überlassen, wie sie diese gemietet habe.

Das Erstgericht wies diese Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Der behauptete Sachverhalt falle unter § 9 MRG; für solche Angelegenheiten seien aber gemäß § 37 Abs.1 Z 6 MRG im außerstreitigen Verfahren auszutragen. Da Salzburg über eine Schlichtungsstelle verfüge, müsse vor der Anrufung des Gerichtes die Sache bei der Gemeinde anhängig gemacht werden; daher komme auch weder ein Verbesserungsverfahren noch eine Überweisung in das streitige Verfahren in Frage.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Klägerin sei darin zuzustimmen, daß ihr Begehren nicht dem § 9 MRG zugeordnet werden könne, liege doch keine vom Mieter vorzunehmende Verbesserung oder Änderung vor. Die Klägerin leite ihr Begehren nicht aus einer besonderen individuellen Vereinbarung ab; sie gehe vielmehr davon aus, daß die Bestandgeber auf Grund des Bestandvertrages ganz allgemein zu der begehrten Leistung verpflichtet seien. Die Klägerin stütze sich also nicht auf eine über die gesetzlichen Regelungen des Bestandvertrages hinausgehende Vereinbarung. Sofern der Sachverhalt dem Mietrechtsgesetz unterstellt werden könne, sei somit das Außerstreitverfahren anzuwenden. Inhaltlich ziele das Begehren der Klägerin auf die Erhaltung des bestehenden Zustandes (auch des Bauzustandes) ab; es falle daher unter den Tatbestand des § 3 Abs.1 MRG. Zwar liege nicht ausdrücklich eine der in § 3 Abs.2 MRG angeführten Maßnahmen vor, doch sei das Begehren auf ein entsprechendes Ansuchen der Bestandgeber an die Baubehörde oder auf die Abgabe von Zustimmungserklärungen zu einer Erhaltungsarbeit im Sinne des § 3 MRG gleichzusetzen, wenn - wie hier nach den Klagebehauptungen - diese Erklärungen des Bestandgebers erforderlich sind, um den vertraglich bedungenen Zustand des Bestandobjektes zu erhalten und die vertraglich bedungene Benützung weiterhin zu ermöglichen. Der in der Klage geltend gemachte Anspruch sei demnach gemäß § 37 Abs.1 Z 2 MRG im Außerstreitverfahren geltend zu machen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Erstgericht die Verhandlung und Entscheidung in der Sache selbst aufgetragen wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Zivilrechtliche Ansprüche sind grundsätzlich im Prozeßweg geltend zu machen, im außerstreitigen Verfahren nur dann, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich oder unzweifelhaft schlüssig bestimmt (SZ 50 /133; MietSlg. 33.574/19, 34.706/18; SZ 54/129;

SZ 55/184 uva). Dieser Grundsatz wird durch §§ 37 ff MRG nicht berührt (Würth, Rechtsweg und Außerstreitverfahren nach §§ 37 ff MRG - Einige Abgrenzungsprobleme ImmZ 1984, 5 ff (5);

Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 2 zu § 37 MRG). Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Wortlaut des Begehrens und darüber hinaus der behauptete Sachverhalt maßgebend (SZ 46/82; SZ 55/184 uva; Würth-Zingher aaO Rz 3 mwN). Zu prüfen ist demnach, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch unter eine der in § 37 Abs.1 MRG aufgezählten Angelegenheiten (oder unter eine andere, diesen Katalog ergänzende Bestimmung:

Würth aaO 6; Würth-Zingher aaO Rz 10) fällt. In Frage kommt dabei nur der Tatbestand des § 37 Abs.1 Z 2 MRG; daß

§ 37 Abs.1 Z 6 MRG - Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes (§ 9 MRG) sowie Feststellung der Höhe und Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung (§ 10 MRG) - hier nicht heranzuziehen ist, hat schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt. Nach § 37 Abs.1 Z 2 MRG hat das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist, dann zu entscheiden, wenn es um die Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten (§§ 3, 4 und 6 MRG) geht. Aus der Anführung der §§ 3 und 4 MRG neben § 6 MRG geht hervor, daß hier nicht nur die Durchsetzung der Ansprüche eines Mieters (oder der Mehrheit der Mieter) nach § 6 MRG gemeint sein kann; vielmehr ist daraus abzuleiten, daß alle Streitigkeiten über die Qualifikation von Arbeiten als Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten und über die Zulässigkeit einer bestimmten Finanzierung dem Rechtsweg entzogen sind (Würth aaO 7); auch aus der weiten Fassung des § 37 Abs.1 Z 2 MRG

("Durchführung ...) - im Gegensatz zu Z 3 und 4 dieser Gesetzesstelle, worin jeweils nur die Durchsetzung bestimmter Ansprüche genannt ist - ergibt sich, daß nicht nur Verfahren zur Durchsetzung, sondern auch alle anderen im Zusammenhang mit Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten denkbaren Streitigkeiten (insbesondere ein Begehren auf Feststellung des Vorliegens oder Fehlens der Eigenschaft als Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten) in das Außerstreitverfahren gehören (5 Ob 92/88). Demnach ist auch die Verpflichtung des Vermieters, den in mangelhaftem Zustand übergebenen Bestandgegenstand in brauchbaren Zustand zu versetzen (§ 3 Abs.2 Z 2 Fall 2 MRG), nicht im streitigen, sondern im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen, gleichviel, ob dieser Anspruch auf

§ 1096 Abs.1 ABGB oder einen (mit der gesetzlichen Regelung übereinstimmenden: vgl. Rz 1991/42) Mietvertrag gestützt wird (MietSlg. 37.497).

Zutreffend verweist die Klägerin darauf, daß ihr Begehren nicht dem § 3 MRG - und damit auch nicht

§ 37 Abs.1 Z 2 MRG - unterstellt werden kann. Ihr geht es nicht um eine der Maßnahmen gemäß § 3 Abs.2 Z 1 bis 5 MRG, welche von der Erhaltung im Sinne des § 3 Abs.1 MRG umfaßt werden, fallen doch darunter nur bestimmte Arbeiten zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses (Z 1 ), der Mietgegenstände des Hauses (Z 2), zur Aufrechterhaltung des Betriebes bestehender, der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienender Anlagen (Z 3), um Neueinführungen oder Umgestaltungen kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen (Z 4) sowie um die Installation technisch geeigneter Gemeinschaftseinrichtungen zur Senkung des Energieverbrauches oä (Z 5). Die Klägerin will hingegen bestimmte rechtliche Schritte der Beklagten, damit das von ihr gemietete Bestandobjekt in jenem baulichen Zustand bleiben kann, in dem sie es gemietet hat. Mangels ausdrücklicher oder schlüssiger gesetzlicher Zuweisung in das Außerstreitverfahren gehört ein solches Begehren auf den Rechtsweg.

Aus diesen Erwägungen mußten die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufgetragen werden.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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