Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Parteien haben am 8.3.1983 die Ehe geschlossen. Seit 25.3.1988 ist beim Erstgericht eine Ehescheidungsklage der Antragstellerin anhängig, mit der sie die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Antragsgegners begehrt.
Am 4.5.1988 zog die Antragstellerin gemeinsam mit den beiden aus ihrer ersten Ehe stammenden Kindern aus der Ehewohnung aus. Der Antragsgegner hatte an diesem Tag einem Sohn der Antragstellerin im Zuge einer Auseinandersetzung zwei Ohrfeigen gegeben. Die Antragstellerin hat nicht mehr die Absicht, in die Ehewohnung zurückzukehren.
Seit November 1987 befindet sich die Antragstellerin wegen der Ehesituation in fachärztlicher Behandlung. Durch das belastende Zusammenleben mit dem Antragsgegner geriet sie in einen depressiven Verstimmungszustand, der auch zu Störungen im Magen- und Darmbereich führte. Bei weiterem Zusammenleben der Parteien bestünde die ernste Gefahr, daß sich bei der Antragstellerin ein Magengeschwür ausbildet. Aus therapeutischen Gründen sollte die Antragstellerin - nach Möglichkeit für immer - vom Antragsgegner getrennt leben. Die Antragstellerin kann sich nicht mehr vorstellen, mit dem Antragsgegner zusammenzuleben. Der Antragsgegner würde die Antragstellerin wieder in die Ehewohnung aufnehmen. Mit dem am 7.4.1988 beim Erstgericht erhobenen Antrag strebt die Antragstellerin die gerichtliche Bewilligung der gesonderten Wohnungnahme, beschränkt auf ein Jahr, an. Der Antragsgegner vernachlässige sie vollkommen und verbringe seine gesamte Freizeit außer Haus. Er beginne immer wieder Streitereien und versuche, die Antragstellerin durch Sticheleien, Beschimpfungen und Drohungen zu unüberlegten Schritten zu veranlassen. Den Beschimpfungen und Angriffen des Antragsgegners sei die Antragstellerin nervlich nicht mehr gewachsen. Die Belastung durch das Zusammenleben mit dem Antragsgegner habe bereits zu erheblichen psychosomatischen Reaktionen, wie Magengeschwüre, Appetitstörungen, Gewichtsverlust und Schwächezuständen, geführt. Am 4.5.1988 habe der Antragsgegner den Sohn der Antragstellerin aus erster Ehe durch Faustschläge gegen den Kopf und die Brust schwer mißhandelt. Das habe die Antragstellerin schließlich veranlaßt, aus der Ehewohnung auszuziehen. Ein weiteres Zusammenleben mit dem Antragsgegner könne ihr nicht zugemutet werden.
Der Antragsgegner sprach sich gegen die Bewilligung der gesonderten Wohnungnahme aus. Der Vorwurf, daß er schwere Eheverfehlungen begangen habe, treffe nicht zu. Es sei auch nicht richtig, daß die Antragstellerin durch das Eheleben psychisch belastet worden sei; sie habe allerdings vor mehr als einem Jahr grundlos die Nahrungsaufnahme verweigert, was körperliche und psychische Folgen gehabt habe. Am 4.5.1988 habe er den Sohn der Antragstellerin zur Rede gestellt, weil dieser Benzin aus dem Rasenmäher genommen habe. Nur deshalb, weil der Sohn der Antragstellerin frech geantwortet habe, habe ihm der Antragsgegner eine Ohrfeige gegeben; dadurch sei es zu keiner Verletzung gekommen. Das Erstgericht wies den Antrag ab. Ein Ehegatte sei gemäß § 92 Abs. 2 ABGB nur berechtigt, vorübergehend gesondert Wohnung zu nehmen; die für das Ausziehen aus der Ehewohnung von der Klägerin herangezogenen Gründe seien jedoch dauernder Natur. Das Rekursgericht bewilligte den Antrag und stellte fest, daß die gesonderte Wohnungnahme durch die Antragstellerin ab 4.5.1988 gerechtfertigt gewesen sei und auch weiterhin gerechtfertigt sei; weiters sprach es aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Wenn auch in der Rechtsprechung überwiegend zum Ausdruck gebracht werde, daß Gründe dauernder Natur ein Begehren nach § 92 Abs. 3 ABGB nicht rechtfertigen könnten, werde doch eine psychische Dauerbelastung als gerechtfertigter Grund für eine gesonderte Wohnungnahme angesehen. Die durch die Belastung durch das eheliche Zusammenleben hervorgerufene depressive Verstimmung der Antragstellerin und die damit verbundene Gefährdung ihrer Gesundheit begründe keinen Dauerzustand, weil sich das - das Krankheitsbild der Antragstellerin auslösende - Verhalten des Antragsgegners wieder ändern könnte. "Vorübergehend" im Sinne des § 92 Abs. 2 ABGB bedeute nur, daß die gesonderte Wohnungnahme nicht von vornherein auf Dauer bewilligt werden könne, nicht aber, daß das Ende der Trennung der Ehegatten bereits absehbar sein mußte. Daß die Klägerin schon eine Ehescheidungsklage eingebracht habe, besage ebenfalls nicht, daß mit dem Antrag ein Dauerzustand herbeigeführt werden solle. Im Hinblick auf die schweren Beeinträchtigungen der Antragstellerin durch das eheliche Zusammenleben sei die gesonderte Wohnungnahme - allerdings ohne Ausspruch einer zeitlichen Begrenzung - zu bewilligen gewesen. Der dagegen vom Antragsgegner erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen den nach dem 31.12.1989 gefaßten Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich nach § 14 Abs. 1 AußStrG idF WGN 1989 BGBl. 343. Demnach ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Der Revisionsrekurswerber wendet sich mit seinen Ausführungen dagegen, daß das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin an einer Entscheidung im Sinne des § 92 Abs. 3 ABGB trotz eines bereits vor der Antragstellung anhängig gemachten Scheidungsverfahrens bejaht wurde und ein Dauerzustand als beachtlicher Grund für die gesonderte Wohnungnahme der Antragstellerin gewertet wurde; schließlich macht er auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz geltend. Damit kann er jedoch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs. 1 AußStrG aufzeigen:
Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt (EFSlg. 28.549; EFSlg. 35.156 = MietSlg. 32.002; EFSlg. 39.938; EFSlg. 44.823 = MietSlg. 36.004; zuletzt 4 Ob 601/87 und 6 Ob 687/88, beide veröffentlicht in EFSlg. 55.895) ausgesprochen hat, steht einer Entscheidung des Außerstreitrichters nach § 92 Abs. 3 ABGB die Anhängigkeit eines Ehescheidungsstreites nicht im Wege. Die Entscheidung des Außerstreitrichters hat nur feststellenden Charakter und kann nicht vollstreckt werden; der Zweck des Verfahrens vor dem Außerstreitrichter erschöpft sich somit in einer präjudiziellen Vorklärung für einen allfälligen Unterhaltsstreit oder ein Ehescheidungsverfahren (MietSlg. 34.002; 7 Ob 581/87). Danach kommt aber eine solche Entscheidung nur dann nicht mehr in Betracht, wenn die Ehe bereits rechtskräftig geschieden ist und entweder ein Unterhaltsanspruch, für den sie noch präjudiziell sein könnte, nicht erhoben wurde oder darüber gleichfalls bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Sollte derartiges im Verlaufe eines Rechtsmittelverfahrens gegen eine Entscheidung des Außerstreitrichters nach § 92 Abs. 3 ABGB eintreten, so hätte dies den Wegfall des Rechtsmittelinteresses zur Folge (7 Ob 581/87). Im vorliegenden Fall ist aber im Ehescheidungsverfahren bisher keine Entscheidung gefällt worden. Um ihrem Zweck gerecht zu werden, soll daher die Entscheidung nach § 92 Abs. 3 ABGB nach einem möglichst raschen Verfahren und ohne unnötige Verfahrensverzögerungen durch überspannte Genauigkeitserfordernisse gefällt werden (EFSlg. 47.425, aM Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 8 zu § 92).
Gemäß § 92 Abs. 2 ABGB kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Dauerzustände können demnach nicht zum Gegenstand einer Entscheidung des Außerstreitrichters gemacht werden. Von einem Dauerzustand kann aber keine Rede sein, wenn sich das Verhalten eines Ehegatten das einen wichtigen Grund im Sinne des § 92 Abs. 2 ABGB zur gesonderten Wohnungnahme für den anderen Ehegatten bildet, ändern könnte (EFSlg. 37.515). Durch das eheliche Zusammenleben hervorgerufene psychische und damit verbundene körperliche Beeinträchtigungen werden von der Rechtsprechung als wichtiger persönlicher Grund für die gesonderte Wohnungnahme gewertet, wenn dem Antragsteller auch dauernde krankhafte Schädigungen drohen (JBl. 1979, 86). Die Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz, daß hier wichtige Gründe im Sinne des § 92 Abs. 2 ABGB vorliegen, entspricht daher der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
Mängel der Stoffsammlung im Einzelfall betreffen keine erhebliche Rechtsfrage (ÖBl. 1984, 81 ua). Sie sind im vorliegenden Fall auch nicht die Folge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung; nur dann aber könnten sie in den Bereich einer erheblichen Rechtsfrage fallen (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1889; 7 Ob 752/83). Da der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren an einen Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses nicht gebunden ist (§ 16 Abs. 3 AußStrG iVm § 508 a Abs. 1 ZPO), war der ordentliche Revisionsrekurs, mit dem keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs. 1 AußStrG geltend gemacht wurde, zurückzuweisen.
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