Spruch:
Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung, daß jemand wegen Ehebruches vom Erbrecht aus einer letztwilligen Verfügung ausgeschlossen ist
Für eine derartige Klage kommt die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 1478 ABGB in Betracht und nicht die dreijährige nach § 1487
ABGB
OGH 26. März 1974, 4 Ob 516/74 (LGZ Graz 5 R 121/73; BG Hartberg C 111/73 )
Text
Die Klägerin und der Erstbeklagte sind seit 1936 verheiratet. Im Jahre 1965 hatte der Erstbeklagte mit seiner Hausgehilfin, der Zweitbeklagten, Geschlechtsverkehr; aus dieser Verbindung stammt der am 30. Juni 1966 geborene Herbert G. Der Erstbeklagte hat die Vaterschaft zu diesem Kind am 22. September 1972 vor der Bezirkshauptmannschaft Hartberg anerkannt. Ein zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten zu 19 Cg 22/67 des Landesgerichtes für ZRS Graz anhängig gewesenes Ehescheidungsverfahren ist durch Zurücknahme der Klage beendet worden. Am 29. März 1973 hat der Erstbeklagte seinerseits eine Scheidungsklage gegen die Klägerin eingebracht.
Auf Grund dieses unbestrittenen Sachverhaltes verlangt die Klägerin gemäß § 228 ZPO die urteilsmäßige Feststellung, daß die beiden Beklagten Ehebruch begangen haben. Da zumindest die Möglichkeit bestehe, daß der Erstbeklagte seiner Freundin durch letztwillige Anordnung vermögensrechtliche Vorteile zukommen lasse, habe die Klägerin im Hinblick auf § 543 ABGB ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung.
Die Beklagten bestritten die Zulässigkeit der Feststellungsklage unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Leistungsklage auf Unterlassung der gegenseitigen Erbeinsetzung und verneinten das Feststellungsinteresse der Klägerin u. a. deshalb weil auch das Vaterschaftsanerkenntnis des Erstbeklagten vor der Bezirkshauptmannschaft Hartberg die Rechtswirkungen des § 543 ABGB auslöse, sie wendeten überdies Verjährung ein, weil auch Feststellungsklagen dieser Art innerhalb von drei Jahren nach dem maßgebenden Ereignis eingebracht werden müßten, und verwiesen schließlich darauf, daß der Erstbeklagte nach einer allfälligen Scheidung seiner Ehe die Zweitbeklagte heiraten und damit die relative Erbunfähigkeit des § 543 ABGB beseitigen könnte.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Ein gerichtliches Geständnis des Ehebruches sei bisher nicht abgelegt worden; seine Außerstreitstellung im vorliegenden Verfahren bilde die Grundlage dafür, daß dem Klagebegehren stattgegeben werden konnte. Ein Vaterschaftsanerkenntnis vor der Verwaltungsbehörde reiche zur Begründung der Erbunwürdigkeit nach § 543 ABGB nicht aus. Auch die Verjährungseinrede sei unbegrundet, weil die Verjährungsfrist frühestens mit dem Tag des Vaterschaftsanerkenntnisses des Erstbeklagten (22. September 1972) zu laufen begonnen habe. Das Feststellungsinteresse der Klägerin müsse deshalb bejaht werden, weil ihr kein anderer Weg zur Durchsetzung ihres Anspruches und zur Vermeidung drohender rechtlicher Nachteile zur Verfügung stehe.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 1000 S übersteige. Wenn auch nach § 543 ABGB einem gerichtlich festgestellten oder vor Gericht zugestandenen Ehebruch bestimmte Rechtswirkungen hinsichtlich des Erbrechtes der daran beteiligten Personen zukämen, handle es sich doch bei der von der Klägerin begehrten urteilsmäßigen Feststellung eines solchen Ehebruches nur um die Feststellung einer Tatsache, nicht aber eines aus ihr abgeleiteten Rechtes oder Rechtsverhältnisses im Sinne des § 228 ZPO. Davon abgesehen, sei durch die Außerstreit- Stellung bei der mündlichen Streitverhandlung vom 30 März 1973, wonach die Beklagten Ende 1965 miteinander Geschlechtsverkehr hatten, spätestens zu diesem Zeitpunkt das rechtliche Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung weggefallen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wieder her, daß es zu lauten hat:
"Es wird festgestellt, daß die Zweitbeklagte Gertrude wegen Ehebruchs vom Erbrecht aus einer letztwilligen Verfügung des Erstbeklagten Franz ausgeschlossen ist."
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gegenstand einer Feststellungsklage kann gemäß § 228 ZPO nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes sein, nicht aber auch - von der hier nicht in Betracht kommenden Anerkennung der Echtheit einer Urkunde bzw. der Feststellung ihrer Unechtheit abgesehen - die Feststellung einer Tatsache. Im konkreten Fall soll nach dem Urteilsantrag der Klägerin festgestellt werden, daß die Beklagten "Ehebruch begangen" haben. Geht man zunächst allein von diesem Wortlaut des Begehrens aus, dann ist, wie das Berufungsgericht insoweit richtig ausgeführt hat, Gegenstand der gewünschten Feststellung nicht ein Recht oder ein Rechtsverhältnis, sondern die Tatsache eines Ehebruches der Beklagten, also eines von ihnen trotz Kenntnis der aufrechten Ehe (zumindest) des Erstbeklagten ausgeübten außerehelichen Geschlechtsverkehrs. Daß ein solcher Ehebruch auch verschiedene rechtliche Konsequenzen haben kann (neben der Erbunwürdigkeit nach § 543 ABGB ist hier insbesondere an das Eheverbot des § 9 EheG und an den Straftatbestand des § 502 StG zu denken), vermag daran nichts zu ändern, ist doch auch die Feststellung rechtserzeugender oder sonst rechtlich erheblicher Tatsachen nach § 228 ZPO ausgeschlossen (5 Ob 140/70; 1 Ob 141, 197/72; 1 Ob 142/72; Fasching III, 61; § 228 ZPO Anm. 19; Sperl. Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, 313).
Dabei darf freilich nicht übersehen werden, daß es bei der Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Fall im Sinne des § 228 ZPO die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes oder aber (unzulässigerweise) die Feststellung einer Tatsache verlangt wird, nicht auf den Wortlaut des Klagebegehrens, sondern auf seinen Sinn ankommt (SZ 43/160; Arb. 8647 u. v. a., zuletzt etwa 4 Ob 83/72; ebenso Fasching, III); maßgebend ist immer, welchen Ausspruch des Gerichtes der Kläger innerhalb der Grenzen seines Sachvorbringens nach dessen Sinngehalt begehrt (5 Ob 140/70; 1 Ob 94/73). In der Tat läßt auch im vorliegenden Fall das Vorbringen der Klage deutlich erkennen, daß es der Klägerin nicht so sehr um die Feststellung eines bestimmten Ehebruches der Beklagten - im Sinne eines konkreten Vorfalles -, sondern vielmehr darum geht, die durch die ehebrecherischen Beziehungen gemäß § 543 ABGB begrundete Erbunwürdigkeit der Zweitbeklagten gegenüber dem Erstbeklagten und damit nicht eine Tatsache, sondern ein Rechtsverhältnis festgestellt zu wissen; einer entsprechenden Umformulierung des Klagebegehrens steht bei dieser Sachlage nichts im Wege.
Die Beklagten haben nun bei der Verhandlungstagsatzung vom 30. März 1973 ausdrücklich außer Streit gestellt, "daß der Erstbeklagte mit der Zweitbeklagten etwa Ende 1965 Geschlechtsverkehr hatte ...". Sie haben damit zwar kein "gerichtliches Geständnis des Ehebruches"im Sinne des § 543 ABGB - wozu es auch noch des Zugeständnisses bedurft hätte, daß die Zweitbeklagte im Zeitpunkt dieses Geschlechtsverkehrs von der aufrechten Ehe des Erstbeklagten Kenntnis hatte (vgl. SZ 42/144) - abgelegt, daß entgegen der vom Berufungsgericht gebilligten Meinung der Beklagten das rechtliche Interesse der Klägerin auch durch die erwähnte Außerstreitstellung keineswegs weggefallen ist; die vom Erstgericht auf Grund dieser Erklärung der Beklagten getroffene Feststellung eines Ende 1965 begangenen Ehebruches der Beklagten ist dann aber nicht nur unangefochten geblieben, sondern von den Beklagten selbst in ihrer Berufungsschrift ausdrücklich als "unbestritten" bezeichnet worden. Damit steht aber die Tatsache eines solchen Ehebruches der Beklagten jetzt auch für den Obersten Gerichtshof bindend fest.
Da die "gerichtliche Überweisung" im Sinne des § 543 ABGB noch zu Lebzeiten des Erblassers geschehen muß (SZ 32/125; SZ 42/144 u. a.), kann auch das nach § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nicht bezweifelt werden; dabei kommt entgegen der Meinung der Beklagten insbesondere auch dem am 22. September 1972 vor der Bezirkshauptmannschaft Hartberg abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnis des Erstbeklagten keine rechtliche Bedeutung zu (vgl. JBl. 1973, 312).
Auch die übrigen Einwendungen der Beklagten sind verfehlt: Daß die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten E schon seit 20 Jahren aufgehoben ist, nimmt der Klägerin ebensowenig das Recht auf eine gerichtliche Feststellung der durch den Ehebruch ihres Mannes mit der Zweitbeklagten begrundeten Erbunwürdigkeit wie die vom Erstbeklagten angekundigte Übergabe seines Vermögens an seine großjährigen Töchter; auf eine Leistungsklage auf "Unterlassung der gegenseitigen Erbeinsetzung" kann die Klägerin aber schon deshalb nicht verwiesen werden, weil ihr ein solcher Anspruch nach dem Gesetz gar nicht zusteht. Offenbar unbegrundet ist auch die Einrede der Verjährung, weil für einen Feststellungsanspruch der hier vorliegenden Art nicht etwa, wie die Beklagten anzunehmen scheinen, die Sondervorschrift des § 1487 ABGB, sondern die allgemeine, in § 1478 ABGB normierte Verjährungsfrist von 30 Jahren in Betracht käme. Daß aber nach einer allfälligen Scheidung der Ehegatten E und einer darauf folgenden Heirat der beiden Beklagten eine nachher errichtete letztwillige Verfügung nicht mehr wegen Erbunwürdigkeit entkräftet werden könnte (SZ 28/136; EvBl. 1970/19 u. v. a.), muß im gegenwärtigen Zeitpunkt, in welchem diese Ereignisse noch nicht eingetreten sind, außer Betracht bleiben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)