Spruch:
Kein Geständnis des Ehebruches im Sinne des § 543 ABGB. ist die bloße Nennung des außerehelichen Vaters durch die Kindesmutter in einem ein minderjähriges Kind betreffenden Pflegschaftsverfahren.
Entscheidung vom 14. Oktober 1959, 6 Ob 276/59.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Am 28. März 1950 beantragte die Beklagte zu 3 P 196/53 des Bezirksgerichtes Döbling, Franz A. als außerehelichen Vater der am 5. Oktober 1948 geborenen mj. Gertrude F. zu verhalten, für die Minderjährige einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 15% seines Reingewinnes zu leisten sowie für den Fall seines Ablebens die Zukunft der Minderjährigen zu sichern. Der Antrag wurde von einer beim Bezirksgericht ihre Gerichtspraxis vollstreckenden Rechtsanwaltsanwärterin in Abwesenheit des Richters zu Protokoll genommen und am 3. April 1950 von der Beklagten wieder zurückgezogen. Franz A., der Vater der genannten Minderjährigen, ist am 9. September 1956 verstorben. Er war zur Zeit der Zeugung der Minderjährigen der Ehegatte der Klägerin, die Ehe bestand bis zu seinem Tod aufrecht. Mit Kodizill vom 3. Februar 1956 vermachte er der Minderjährigen bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres eine Rente von 4000 S monatlich und verfügte, daß nach Endigung des Rentenanspruches der Minderjährigen infolge Vollendung des 21. Lebensjahres oder infolge deren früheren Ablebens die Beklagte als Mutter seines Kindes - unter Bedachtnahme auf seine sittliche und moralische Verpflichtung ihr gegenüber - eine Rente in derselben Höhe auf die Dauer ihres ledigen Standes erhalten solle. Der Nachlaß des Franz A. wurde der Klägerin, seiner ehelichen Tochter, der Nebenintervenientin und seinem Enkel Franz A. zu je einem Drittel eingeantwortet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, das Rentenlegat an die Beklagte sei nichtig, ab. Das Anbringen der Beklagten beim Bezirksgericht Döbling am 28. März 1950 enthalte kein Geständnis im Sinne des § 543 ABGB., es sei auch nicht einem Richter gegenüber erfolgt. § 879 ABGB. sei unanwendbar.
Über die Berufungen der Klägerin und der ihr beigetretenen Nebenintervenientin bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Erstgericht wurde vom Berufungsgericht mit der Einschränkung gebilligt, daß dahingestellt bleiben könne, ob schon die Protokollierung des Anbringens der Beklagten beim Bezirksgericht Döbling am 28. März 1950 durch eine Rechtsanwaltsanwärterin in Abwesenheit des Richters die Annahme eines gerichtlichen Geständnisses ausschließe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat, bedarf § 543 ABGB. einer einschränkenden Auslegung. Schon bei der Redaktion des ABGB. wurden Bedenken gegen diese Gesetzesstelle rege. Es wurde die Streichung der Bestimmung mit dem Hinweis verlangt, daß die Erbunfähigkeit durch viel schwerere Verstöße gegen die Rechtsordnung nicht bewirkt werde. Ferner wurde verlangt, daß der Verlust der Erbfähigkeit bei Aussöhnung der Ehegatten nicht eintreten solle (Ofner, Der Urentwurf und die Beratungsprotokolle des ABGB., I S. 327). Der § 543 ABGB., der seit dem Inkrafttreten des ABGB. unverändert geblieben ist, muß als harte Bestimmung bezeichnet werden (so auch SZ. IX 178; Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 374 bei Anm. 42; Weiss in Klang 2. Aufl. II 110), wenn bedacht wird, daß seit der III. Teilnovelle gemäß § 540 ABGB. nur Verbrechen gegen den Erblasser vom Erbrecht ausschließen und die Vergebung selbst solcher Verbrechen die Erbfähigkeit wiederherstellt, während die Vergebung des Ehebruches durch den beleidigten Ehegatten die Erbunfähigkeit nach § 543 ABGB. unberührt läßt (SZ. IX 178; Weiss a. a. O. 113 Anm. 20 bis 24).
Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, im vorliegenden Fall von seiner in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochenen Rechtsansicht abzugehen, daß die Überweisung des vom Erbrecht ausgeschlossenen Ehebrechers noch zu Lebzeiten des Erblassers erfolgt sein muß. Nach dem Gesetzeswortlaut ist nicht der Ehebruch, sondern seine gerichtliche Feststellung der Erbausschließungsgrund. Diese gesetzliche Formulierung wäre überflüssig, wenn das Gesetz nur zum Ausdruck hätte bringen wollen, daß der Erbunfähigkeitsgrund dargetan werden müsse. Für die vom Obersten Gerichtshof vertretene Auffassung spricht auch die Vorschrift des § 35 des 12. Titels des I. Teiles des Allgemeinen Landrechtes für die Preußischen Staaten, welche Vorschrift bei der Schaffung des § 543 ABGB. als Vorbild gedient hat und dahin lautet, daß Personen, die Ehebruch oder Blutschande miteinander getrieben haben, einander durch letztwillige Verfügung nichts hinterlassen können, wenn entweder um dieses verbotenen Umganges willen eine Ehe getrennt oder der Erblasser sonst des Ehebruches oder der Blutschande mit der begünstigten Person gerichtlich überführt worden ist. Auch der Zusammenhalt der §§ 543 und 545 ABGB. ergibt, daß der Ehebruch schon beim Tod des Erblassers erwiesen sein muß. Daß nicht Ehebruch oder Blutschande selbst als Erbunfähigkeitsgrunde angeführt sind, sondern ihre gerichtliche Feststellung den Erbunfähigkeitsgrund darstellt, mag seinen (allerdings in den Gesetzesmaterialien zum ABGB. nicht zum Ausdruck kommenden) Grund darin haben, daß der Erblasser (allenfalls von den eigenen Kindern und dies im Falle des Ehebruches trotz Versöhnung mit dem beleidigten Gattenteil) nach seinem Tode durch Diskutierung seines Privatlebens nicht verunglimpft werden soll (vgl. u. a. GlU. 2523, SZ. IX 178, 1 Ob 163/49, 1 Ob 458/50, 2 Ob 6/54; Stubenrauch, Kommentar zum ABGB., 8. Aufl. I S. 750; Ehrenzweig a. a. O. Anm. 41; Klang 1. Aufl. II/1 58 zu § 543).
Den Untergerichten ist auch darin beizupflichten, daß der von der Beklagten am 28. März 1950 beim Bezirksgericht Döbling gestellte Antrag nicht als gerichtliches Geständnis im Sinne des § 543 ABGB. gewertet werden kann.
Die Redaktionsgeschichte des ABGB. ergibt, daß entsprechend der als Vorbild dienenden, oben angeführten Bestimmung des Preußischen Landrechtes ursprünglich nur die gerichtliche Überweisung den Erbunfähigkeitsgrund abgeben sollte. Erst in der Redaktionssitzung vom 2. Jänner 1804 wurden die Worte "geständig oder" in die erwähnte Gesetzesstelle eingefügt, "um das Geständnis, so man sonst der Überweisung entgegensetzt, nicht auszuschließen" (Ofner a. a. O.). Da der ursprüngliche Wortlaut der Gesetzesstelle nicht auf die gerichtliche Feststellung der Tatsache abgestellt war, sondern (arg. "überwiesen") auf das ihr zugrunde liegende Beweisverfahren, sollte durch diese Einschaltung zum Ausdruck gebracht werden, daß es nichts verschlägt, wenn durch ein Geständnis ein Beweisverfahren (im Sinne des dem geltenden § 266 ZPO. entsprechenden § 107 der Allgemeinen Gerichtsordnung und insbesondere im Sinne der damals im Strafverfahren geltenden Beweisregeln) überflüssig wurde. Mag es nach diesem Zustandekommen der Bestimmung, daß auch ein gerichtliches Geständnis zur Herstellung der Erbunfähigkeit genüge, dahingestellt bleiben, ob eine auf Grund des Geständnisses getroffene gerichtliche Feststellung vorliegen muß, reicht jedenfalls das Geständnis zur Herstellung der Erbunfähigkeit nur aus, wenn dieses Geständnis für sich allein zu einer solchen gerichtlichen Feststellung geeignet ist und eine Überweisung im Sinne des § 543 ABGB. überflüssig macht, also insbesondere in einem Verfahren abgelegt wurde, in dem es zu einer gerichtlichen Tatsachenfeststellung kommen kann, wie in einem streitigen Zivil- oder in einem Strafverfahren. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes kann ein solches Geständnis in der bloßen Nennung des außerehelichen Vaters durch die Kindesmutter in einem ein minderjähriges Kind betreffenden Pflegschaftsverfahren nicht erblickt werden, zumal wenn - wie im vorliegenden Fall - eine solche Nennung nur in einem Antrag auf Unterhaltsfestsetzung erfolgt ist und dieser Antrag noch vor einer gerichtlichen Verfügung wieder zurückgezogen wurde. Für diese Ansicht spricht neben der erwähnten Entstehungsgeschichte des § 543 ABGB. und der bereits dargetanen Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung dieser Gesetzesstelle schon der Ausdruck "Geständnis" sowohl nach der im allgemeinen Verkehr üblichen als auch nach der juristisch-technischen (vgl. § 107 AGO., § 266 ZPO., §§ 25, 202, 206 StPO.) Bedeutung dieses Wortes, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob nach Einführung der freien Beweiswürdigung im Strafverfahren (§ 258 Abs. 2 StPO.) der Gegenüberstellung von Geständnis und sonstiger Überweisung, wie diese Gegenüberstellung im § 543 ABGB. erfolgt, noch Berechtigung zukommt (vgl. hiezu GerZ. 1852 S. 74; Peitler, Sammlung von Entscheidungen zum ABGB., 2. Aufl. S. 260 Nr. 323 Anm. 1). Die hier ausgesprochene Rechtsansicht wurde bereits in mehreren Entscheidungen vertreten und von der Rechtslehre gebilligt (vgl. z. B. GlU. 430, 14693; GerZ. 1852 a. a. O.; NotZ. 1930 S. 163; Pfaff - Hofmann, Kommentar zum ABGB., II/1 S. 28 Anm. 10 zu § 543; Stubenrauch a. a. O.; Krasnopolski, Österreichisches Erbrecht, S. 25; Ehrenzweig a. a. O.; Klang 1. Aufl. a. a. O.; Klang 2. Aufl. a. a. O. 115).
Aber auch, wenn die erwähnte Entstehungsgeschichte des § 543 ABGB. ganz außer acht gelassen und - im Hinblick auf die notwendige einschränkende Auslegung dieser Gesetzesstelle - nur von ihrem Wortlaut ausgegangen wird, ist das Ergebnis dasselbe. Von einem "Geständnis des Ehebruches" kann nach der eigentümlichen Bedeutung dieser Worte in ihrem Zusammenhang und nach ihrem natürlichen Sinn nur gesprochen werden, wenn mit dem Geständnis nicht nur der außereheliche Geschlechtsverkehr mit einer bestimmten Person, sondern auch zugegeben wird, daß diese Person verheiratet war und der Geschlechtsverkehr trotz Kenntnis dieses Umstandes vollzogen wurde. Ein Geständnis in diesem Sinn ist in dem von der Beklagten am 28. März 1950 beim Bezirksgericht Döbling gestellten Antrag nicht enthalten, weil aus ihm nicht hervorgeht, daß Franz A. verheiratet war und der Beklagten dies im Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs bekannt war.
Da das Gesetz im § 543 ABGB. regelt, unter welchen Voraussetzungen Ehebruch mit dem Erblasser die Erbunfähigkeit bewirkt, kommt für einen durch diese Gesetzesstelle umfaßten Tatbestand die Anwendung des § 879 Abs. 1 ABGB. nicht in Betracht (RiZ. 1959 S. 141).
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