European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00047.15P.0422.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Durch den vom Beklagten (unstrittig) verschuldeten „Unvergleichsfall“ wurde der Anspruch des Ausgedingsberechtigten auf lebenslange aufmerksame Wartung und Pflege im Fall seiner Erkrankung in einen Geldanspruch umgewandelt, den die Klägerin als Erbin des Ausgedingsberechtigten gegen den Beklagten geltend macht. Das Berufungsgericht bemaß diesen Geldanspruch ausgehend vom Zeitaufwand professioneller Pflegekräfte von monatlich 160 Stunden in Höhe der für solche Pflegekräfte aufzuwendenden Bruttolohnkosten, zuzüglich eines gemäß § 273 ZPO mit 500 EUR pro Monat festgesetzten Aufwands für Verpflegung und Wohnversorgung. Nach ständiger Rechtsprechung sei eine „fiktive Berechnungsmethode“ anzuwenden, der die Leistungen professioneller Kräfte zugrundezulegen seien, die tatsächlich nicht erbracht worden seien. Da die Geldablöse den Pflegling in die Lage versetzen müsse, jene aufgrund seiner Krankheit erforderlichen Wartungs‑ und Pflegeleistungen, die ihm der Beklagte aus dem Übergabsvertrag schulde, käuflich zu erwerben, sei dieser fiktive Zeitaufwand mit den Bruttolohnkosten professioneller Pflegekräfte zu bewerten.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin, die mit ihrem außerordentlichen Rechtsmittel auch den Zuspruch jenes Ersatzbetrags anstrebt, den das Berufungsgericht abgewiesen hat, vermag keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Die Ablösung des Naturalausgedinges in Geld im „Unvergleichsfall“ hat zur Folge, dass der Ausgedingspflichtige anstelle des Naturalausgedinges einen Betrag zu bezahlen hat, der den Ausgedingsberechtigten in den Stand setzt, sich die geschuldeten Leistungen anderweitig zu verschaffen (RIS‑Justiz RS0022466). Für die Bewertung der Geldrente ist nur der objektive Wert der jeweils geschuldeten Naturalleistungen bestimmend (RIS‑Justiz RS0022479, vgl RS0022496). Die Geldrente soll die Natur des Ausgedinges (möglichst) bewahren (RIS‑Justiz RS0022564).
Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung trägt die Berechnungsmethode der Vorinstanzen Rechnung, wenn sie den Zeitaufwand und die Kosten professioneller Pflegekräfte der Bemessung der Geldablöse zugrundelegen. Die hiefür erforderliche Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls wirft ebenso wie die Einschätzung des Aufwands für Verpflegung und Wohnversorgung der zur Erbringung der erforderlichen Pflegeleistungen nötigen Pflegekräfte nach § 273 ZPO keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Kosten der Angehörigenpflege ist unbestritten, dass der tatsächliche zeitliche Pflege‑ und Betreuungsaufwand des Geschädigten konkret zu ermitteln und sodann der objektive Wert der von dritter Seite erbrachten Sach‑ oder Arbeitsleistungen als Grundlage der Vergütung heranzuziehen ist. Der objektive Wert der Pflege‑ und Betreuungsleistungen wird anhand der Kosten für den Ersatz einer professionellen Pflegekraft ermittelt, wobei von den Bruttolohnkosten auszugehen ist (zuletzt etwa 8 Ob 15/11f mwN). Pflegeleistungen sind nicht als fiktiver Schaden oder als fiktive Aufwendungen zur Schadensbeseitigung zu qualifizieren, weil die Pflege tatsächlich durchgeführt wird. Fiktiv ist lediglich die Berechnungsmethode, bei deren Berechnung Leistungen durch professionelle Kräfte zugrundegelegt werden, die in dieser Form nicht erbracht wurden (8 Ob 27/09t mwN). Es sind zwar die tatsächlichen Pflegeleistungen konkret zu ermitteln, sodann aber der objektive Wert der Arbeitsleistungen als Grundlage der Vergütung heranzuziehen. Es ist festzustellen, welche Kosten die Befriedigung des Pflegebedarfs durch professionelle Kräfte erfordert hätte. Der Schädiger hat den objektiven Wert der Pflegeleistungen zu ersetzen (7 Ob 63/10f mwN). Der objektive Wert der von den Angehörigen tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen wurde von den Vorinstanzen daher vertretbar danach bewertet, welche Beträge für professionelle Pflegekräfte aufzuwenden gewesen wären, die die gleichen Pflegeleistungen erledigt hätten wie die tatsächlich pflegenden Angehörigen.
Da die Klägerin den Geldersatzanspruch nach Jahren aufgeschlüsselt geltend gemacht hat und für den Zeitraum bis einschließlich Dezember 2008 teilweise erheblich weniger begehrte, als der erstgerichtlichen Berechnungsmethode entsprochen hätte, wäre der von ihr nunmehr offenbar angestrebte erhöhte Zuspruch auch für die Perioden bis Dezember 2008 ein Verstoß gegen die Beschränkung des Gerichts auf das klägerische Begehren im Sinn des § 405 ZPO.
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