Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Beklagte bestellte am 5. Juni 2009 bei der Klägerin Tischwäsche. Der Geschäftsführer der Beklagten unterfertigte eine entsprechende Vertragsurkunde, welche eine Vereinbarung des Erfüllungsorts und Gerichtsstands Wels enthielt. Dieser Auftrag ist nicht klagegegenständlich.
Am 11. November 2009 bestellte die Beklagte neuerlich bei der für die Klägerin tätigen Handelsvertreterin, die ein Auftragsformular ausfüllte. Dieses enthält wieder den Hinweis auf den Erfüllungsort bzw Gerichtsstand Wels. Der Auftrag wurde vom Geschäftsführer der Beklagten aber nicht unterfertigt.
Die Lieferung des klagegegenständlichen Auftrags erfolgte in drei Teilen, am 17. November, am 1. und am 4. Dezember 2009, wozu drei Lieferscheine vorliegen. Auf diesen ist der Satz „als Gerichtsstand wird ausschließlich Wels vereinbart“ aufgedruckt. Erst am 10. Dezember 2009 ging die diesen Auftrag betreffende Rechnung über 6.000 EUR bei der Beklagten ein. Auf dieser findet sich der Hinweis „und klagbar in Wels“.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten für die Warenlieferung 6.000 EUR sA. In der Klage gründete sie die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts darauf, dass Wels als Erfüllungsort und auch als Gerichtsstand vereinbart worden sei und weiters darauf, dass die Forderung zahl- und klagbar in Wels sei. Später ergänzte die Klägerin, sie habe mit der Beklagten mehrere Geschäfte geschlossen. Ihr Geschäftsführer habe bereits am 5. Juni 2009 einen Auftrag erteilt, bei dem vereinbart worden sei, dass Wels Gerichtsstand und Erfüllungsort für sämtliche künftige Geschäfts- und Streitfälle der Parteien sein solle. Eine darüber errichtete Urkunde sei vom Geschäftsführer der Beklagten unterschrieben worden. Die Beklagte habe über die hier gegenständlichen Lieferungen Lieferscheine unterfertigt. Die Klägerin stütze sich auch auf den Fakturengerichtsstand nach § 88 Abs 2 JN und den Gerichtsstand nach § 87a JN.
Die Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Eine Gerichtsstandsvereinbarung sei zumindest nicht unterschriftlich geschlossen worden. Die behauptete Vereinbarung des Erfüllungsorts Wels sei nicht urkundlich nachgewiesen. Der Fakturengerichtsstand komme nicht zum Tragen, weil die Faktura erst nach der letzten Warenlieferung zugekommen sei. Der Gerichtsstand für Warenlieferungen von Kaufleuten sei in der Klage nicht geltend gemacht worden, er könne nicht später nachgeschoben werden. Im Übrigen werde das Vorbringen der Klägerin bestritten.
Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung liege für die klagegegenständliche Lieferung mangels Unterschrift eines Organs der Beklagten nicht vor. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts scheitere am fehlenden urkundlichen Nachweis. Da die Faktura der Beklagten erst nach der letzten Teillieferung zugekommen sei, komme auch der Fakturengerichtsstand nicht in Betracht. Der Gerichtsstand nach § 87a JN erfordere auch den urkundlichen Nachweis der Bestellung, überdies sei er in der Klage nicht geltend gemacht worden.
Das Rekursgericht bestätigte die Klagezurückweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht von der bisherigen Rechtsprechung zur Beweislast im Zusammenhang mit dem Fakturengerichtsstand abgewichen sei und Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Gerichtsstand des Erfüllungsorts allein durch eine Vorabvereinbarung und durch deren Nachweis im Prozess betreffend einen späteren Geschäftsfall wirksam begründet werden könne.
Da die Klägerin weder ihren Sitz noch eine Niederlassung im Sprengel des Erstgerichts habe, sei der Gerichtsstand nach § 87a JN nicht gegeben. Auf den Fakturengerichtsstand nach § 88 Abs 2 JN könne sich die Klägerin nicht berufen, weil hiefür das Einlangen der Faktura spätestens mit der Warenlieferung notwendig gewesen wäre. Die Rechnung sei aber erst sechs Tage danach bei der Beklagten eingetroffen. Nach bisheriger Rechtsprechung habe der Kläger zu beweisen, dass er Faktura und Ware gleichzeitig abgesendet habe; dem Beklagten stehe dann der Beweis offen, dass die Faktura erst zu einem späteren Zeitpunkt als die Ware eingelangt sei. Davon sei abzugehen, der Kläger habe den Zugangszeitpunkt zu beweisen. In der unterlassenen Beweisaufnahme zum gleichzeitigen Absenden von Ware und Faktura liege daher kein Verfahrensmangel. Für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN fehle der unterschriftliche Nachweis. Die Vereinbarung beziehe sich nicht wie von § 104 Abs 2 JN gefordert auf einen bestimmten Rechtsstreit oder ein bestimmtes Rechtsverhältnis. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 88 Abs 1 JN liege ebenso wenig vor, weil der Erfüllungsort lediglich in einem früheren - nicht klagegegenständlichen - Auftrag schriftlich auch für künftige Geschäftsfälle vereinbart worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin, mit der sie die Abweisung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1.) Zum Gerichtsstand nach § 87a JN
Gegen Unternehmer können protokollierte Unternehmer wegen ihrer Forderung aus einem im Kreise ihres Geschäfts erfolgten Verkaufs innerhalb zweier Jahre von der letzten Bestellung an gerechnet auch vor dem Gericht des Orts ihre Niederlassung klagen, wenn sie die als Grundlage der Forderung dienende Bestellung und die tatsächliche Übernahme (Ablieferung) der Ware urkundlich nachweisen. Das Vorliegen einer Niederlassung im Sprengel des Erstgerichts behauptete die Klägerin zwar (Schriftsatz vom 6. September 2009), die Beklagte bestritt dieses Vorbringen allerdings. Von einer - allenfalls schlüssig - zugestandenen Tatsache kann daher keine Rede sein. Das Rekursgericht traf zum Bestehen der Niederlassung (ergänzend) eine negative Feststellung. Die von der Klägerin gerügte sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung unterlassener Tatsachenfeststellungen liegt daher nicht vor.
In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte. Der Rechtsmittelwerber muss dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann; dies kann er nur durch Anführung jenes Vorbringens, das er - über die relevante Rechtsansicht informiert - erstattet hätte (1 Ob 215/05g ua; RIS-Justiz RS0120056 [T2]). Solche konkreten Tatsachenbehauptungen zum Bestehen einer Niederlassung im Sprengel des Erstgerichts und des Zusammenhangs mit der klagegegenständlichen Warenlieferung (vgl Simotta in Fasching/Konecny 2 § 67a JN Rz 5) erstattete die Klägerin nicht. Sie vermochte daher keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.
2.) Zum Fakturengerichtsstand nach § 88 Abs 2 JN
Für die Begründung des Fakturengerichtsstands ist nicht der Zeitpunkt der Absendung, sondern das rechtzeitige Einlangen der Faktura vor oder zugleich mit der Ware entscheidend. Auch bei länger andauernder Geschäftsverbindung wird der Fakturengerichtsstand nicht begründet, wenn die Faktura nach der Ware einlangt und dieser Umstand vom Empfänger nicht gerügt wurde (5 Ob 193/63 = SZ 36/87 ua; RIS-Justiz RS0046892). Mehrfach sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass der Beklagte beweisen muss, dass die Faktura nach der Ware eingelangt ist, wenn der Kläger bewiesen hat, dass die Faktura rechtzeitig abgesendet worden war, insbesondere dadurch, dass Ware und Faktura gleichzeitig abgesendet wurden (7 Ob 679/83 ua; RIS-Justiz RS0046892 [T2]).
Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin die Absendung der strittigen Rechnung am 30. November 2009 und deren Einlangen bei der Beklagten spätestens am 4. Dezember 2009 (Tag der letzten Teillieferung). Die Absendung der Rechnung am 30. November 2009 bestreitet die Beklagte nicht, behauptet aber, die Rechnung erst am 10. Dezember 2009 erhalten zu haben. Letzteres nahm das Erstgericht als erwiesen an. Das Rekursgericht führte aus, sowohl der Beweis- wie auch der Mängelrüge nicht beizutreten.
Ob außer den zu einem strittigen Umstand bereits vorliegenden Beweisen noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, ist eine Frage der Beweiswürdigung und kann in dritter Instanz nicht überprüft werden (10 ObS 313/00b; 10 ObS 416/02b ua; RIS-Justiz RS0043320 [T15, T17 und T20]). Nur wenn sich das Rekursgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hätte, wäre sein Verfahren mangelhaft (RIS-Justiz RS0043371). Ist der nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vom Beklagten zu erbringende Beweis gelungen, dass die Faktura nach der Ware eingelangt ist, stellt sich die vom Rekursgericht erörterte Frage nach dem Umfang der den Kläger, der sich auf den Fakturengerichtsstand beruft, treffenden Beweislast nicht mehr.
Entgegen den Revisionsrekursausführungen hat sich die Klägerin zu ihrer Behauptung, die Faktura wäre der Beklagten spätestens gleichzeitig mit der letzten Warenlieferung zugekommen, nicht auf die Vernehmung der Zeugin H***** berufen.
3.) Zur Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN
Gemäß § 104 Abs 1 Z 2 JN können sich die Parteien einem oder mehreren Gerichten erster Instanz namentlich angeführter Orte durch ausdrückliche Vereinbarung unterwerfen. Diese Vereinbarung muss im Bestreitungsfall urkundlich nachgewiesen werden. Der urkundliche Nachweis stellt keine Formvorschrift, sondern eine Beweisregel dar (RIS-Justiz RS0122413). Da § 104 JN keine Vorschriften über die Gestaltung der zum Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung benötigten Urkunden enthält, muss nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten beurteilt werden, welche Urkundenfassung erforderlich ist und ausreicht (2 Ob 159/08h mwN).
Dem Erfordernis des urkundlichen Nachweises entspricht nicht nur eine gemeinsame Vertragsurkunde, sondern es kann die Gerichtsstandsvereinbarung auch durch getrennte schriftliche Erklärungen und Gegenerklärungen oder eine (nur) vom Beklagten unterschriebene Urkunde im Zusammenhang mit der Klage erfolgen, etwa wenn die unterfertigte Urkunde vom Kläger stammt. Urkundlich nachgewiesen ist eine Parteienerklärung aber nur insoweit, als deren Inhalt durch die Unterschrift gedeckt ist (RIS-Justiz RS0046701); eine bloße schlüssige Handlung reicht nicht aus (RIS-Justiz RS0014127).
Wenn sich die Klägerin darauf beruft, den erforderlichen urkundlichen Nachweis der Gerichtsstandsvereinbarung für den klagegegenständlichen Geschäftsfall durch Vorlage der Urkunde Beilage ./B erbracht zu haben, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Urkunde nicht von einem Organ der Beklagten unterfertigt ist. Auf eine der Bestellung allenfalls zugrundeliegende mündliche Vereinbarung eines Gerichtsstands kommt es im Hinblick auf die erforderliche von der Beklagten unterfertigte Urkunde nicht an.
4.) Zum Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 88 Abs 1 JN
Auch in Ansehung des von der Klägerin in Anspruch genommenen Gerichtsstands des vereinbarten Erfüllungsorts beruft sich die Klägerin auf die in einem früheren Geschäftsfall auch ganz allgemein für die Zukunft getroffene Vereinbarung eines bestimmten Erfüllungsorts. Dieser gelte auch für den klagegegenständlichen Geschäftsfall.
Nach den getroffenen Feststellungen fehlt aber zur klagegegenständlichen Bestellung jeder Hinweis auf eine Vereinbarung der Streitteile, dass die anlässlich eines früheren Geschäftsfalls vereinbarten allgemeinen Bedingungen auch hier anzuwenden wären. Die die klagegegenständliche Bestellung betreffende Urkunde (Beilage ./B) ist nicht von einem Organ der Beklagten unterfertigt, die darin enthaltene Vertragsbestimmung in Ansehung des Erfüllungsorts (und des Gerichtsstands) ist daher ohne Relevanz. Es fehlt daher auch für den Erfüllungsort der nach § 88 Abs 1 letzter Satz JN geforderte urkundliche Nachweis. Die von der Klägerin geforderte Differenzierung zwischen der Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN einerseits und der gleichfalls einen Wahlgerichtsstand begründeten Vereinbarung eines vom Sitz des Schuldners abweichenden Erfüllungsorts ist schon im Hinblick darauf nicht vorzunehmen, dass das Bedürfnis nach Rechtssicherheit für die Parteien und der Vermeidung von Unklarheiten über die Zuständigkeit in beiden Fällen gleich ist.
Dem insgesamt unberechtigten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO (Zwischenstreit über die Zuständigkeit).
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