Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Bereits der Rechtsvorgänger der Beklagten verpachtete das von ihm in den von der Klägerin gemieteten Geschäftsräumen betriebene Unternehmen am 7. November 2002 an die Nebenintervenientin. Vereinbart war ein monatlicher Pachtschilling von 2.150 EUR zuzüglich des jeweiligen Hauptmietzinses.
Die Beklagte kaufte das verpachtete Unternehmen und trat damit in den Mietvertrag über die Geschäftsräumlichkeiten ein. Der Unternehmensverkauf wurde der Klägerin am 8. Jänner 2004 angezeigt.
Im Jahr 2005 erhob die Klägerin wider die Beklagte ein Zahlungs- und Räumungsbegehren, welches sie darauf stützte, dass die Beklagte im Zeitraum Juli bis November 2005 fällige Mietzinse und Betriebskostennachzahlungen nicht geleistet habe. Am 14. Februar 2006 zog die Klägerin ihre Klagebegehren unter Anspruchsverzicht zurück.
Am 26. Juli 2006 richtete die Klägerin ein Mietzinsanhebungsbegehren, gestützt auf die Tatsache der Unternehmensverpachtung, an die Beklagte. Diese bezahlte aber wie bisher für die gemieteten Geschäftslokale unverändert den zuvor eingehobenen monatlichen Zins weiter.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung von Mietzinserhöhungsbeträgen für den Zeitraum Jänner 2006 bis Dezember 2007. Die Beklagte sei aufgrund der Unternehmensveräußerung des seinerzeitigen Mieters in das mit diesem geschlossene Bestandverhältnis eingetreten. Die schon vom Vormieter vorgenommene Unternehmensverpachtung berechtige die Klägerin, den Mietzins gemäß § 12a Abs 5 MRG angemessen anzuheben.
Die Beklagte wendete ein, sowohl die Mietzinsanhebung wegen Unternehmensveräußerung als auch jene wegen Unternehmensverpachtung seien verfristet. Die Klägerin habe überdies durch Rückziehung zweier Mietzins- und Räumungsklagen auf ihren Zinsanhebungsanspruch verzichtet.
Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin habe durch die Klagerückziehungen unter Anspruchsverzicht auf ihren Anspruch auf Mietzinsanhebung aus jedem Rechtsgrund verzichtet.
Das Berufungsgericht hob die Klageabweisung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zu einer allfälligen Befristung der Mietzinsanhebung wegen Unternehmensverpachtung ebenso fehle wie zur Frage, ob auch die Verpachtung durch einen Vormieter den Anhebungstatbestand verwirkliche.
Die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht wirke als Prozesshindernis nur so weit, als die Rechtskraft eines Urteils reichen würde. Mangels Identität der seinerzeit erhobenen und zurückgezogenen sowie der nunmehr geltend gemachten Ansprüche stehe die Zurücknahme der früheren Klage der nunmehrigen Anspruchserhebung nicht entgegen. Dass der Klagerücknahme eine materielle Abrede der Parteien zugrundegelegen sei, habe weder die Beklagte noch die Nebenintervenientin behauptet. Im Fall der Verpachtung des Unternehmens sei die Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 5 MRG anders als eine Mietzinsanhebung infolge Unternehmensveräußerung an keine Frist gebunden. Im Hinblick auf die Ausnahmevorschrift des § 12a Abs 6 MRG und die Übergangsvorschriften des § 46a MRG liege keine Gesetzeslücke vor, vielmehr sei von einer bewussten Regelung auszugehen, die Mietzinsanhebung im Fall der Verpachtung an keine Frist zu binden. Dass die Verpachtung des Unternehmens nicht durch die derzeitige Hauptmieterin und Unternehmenskäuferin erfolgt sei, sondern durch die Vormieterin und Unternehmensveräußerin, schließe das Recht auf Mietzinsanhebung nicht aus, weil § 12a Abs 5 MRG nur voraussetze, dass es sich um ein Unternehmen des Hauptmieters handle, dass demnach das vom Pächter betriebene Unternehmen mit jenem des Verpächters ident sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten, die die Aufhebung des Zurückverweisungsbeschlusses und die Wiederherstellung der Klageabweisung anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.) Zur Befristung des Mietzinsanhebungsbegehrens wegen Unternehmensverpachtung:
2.1. Der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit darf das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen verpachten. Sowohl der Hauptmieter als auch der Pächter sind verpflichtet, die Verpachtung unter Angabe der dafür vorgesehenen Dauer dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Der Vermieter kann die Rechtsfolgen der Verpachtung ab dem der Verpachtung folgenden Zinstermin geltend machen. Ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG, so darf der Vermieter für die Dauer der Verpachtung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen. Ändert der Pächter in der Folge die Art dieser Geschäftstätigkeit, so darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt den nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Hauptmietzins ohne Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit verlangen (§ 12a Abs 5 MRG). Wird das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen vom Hauptmieter aus wichtigen, in seiner Person gelegenen Gründen, wie insbesondere Krankheit, für einen Zeitraum von insgesamt höchstens fünf Jahren verpachtet, so findet eine Anhebung des Hauptmietzinses für diesen Zeitraum nicht statt (§ 12a Abs 6 MRG).
2.2. Im Gegensatz zu § 12a Abs 2 und 3 MRG, welche für die Mietzinsanhebung infolge Unternehmensveräußerung bzw Machtwechsels bei der (juristischen) Person des Hauptmieters eine Befristung des Zinsanhebungsbegehrens vorsehen, enthält § 12a Abs 5 MRG keine Präklusionsfrist für die Geltendmachung durch den Vermieter, wohl aber eine Anzeigepflicht sowohl des Vermieters = Verpächters als auch des Pächters (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 12a MRG Rz 23).
2.3. Reich-Rohrwig (Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmiete, 172) hält es im Hinblick auf die Unsicherheiten, die der Anwendungsbereich der Regelung (über die Mietzinsanhebung bei Unternehmensverpachtung) und die Ausnahmevorschrift des § 12a Abs 6 MRG verursachen können, für denkbar, dass hier der Gesetzgeber die Geltendmachung der Mietzinsanhebung bewusst nicht einer kurzen Frist habe unterwerfen wollen.
Vonkilch (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 12a MRG Rz 86) vermutet gleichfalls eher eine „bewusste Wertentscheidung" des Gesetzgebers denn eine planwidrige Lücke, die durch Analogie geschlossen werden müsste. Sowohl im Fall der Unternehmensverpachtung wegen der zeitlich und sachlich im Einzelfall oft schwer abgrenzbaren Ausnahmebestimmung des § 12a Abs 6 MRG als auch im Fall der nachträglichen Änderung der Geschäftstätigkeit wegen des ebenfalls zeitlich und sachlich im Einzelfall oft, vor allem bei „schleichender Änderung", schwer auszumachenden Tatbestandsmerkmals für die Mietzinserhöhung würde das Aufstellen einer Präklusivfrist entweder (bei Zuwarten des Vermieters bis zur eindeutigen Klärung der Lage) häufig zu einem sachlich schwer zu rechtfertigenden Rechtsverlust für den Vermieter führen oder aber ihn (zur Vermeidung des Rechtsverlusts) zu vorbeugenden, letztlich aber häufig unberechtigten Anhebungsbegehren bzw einem Mietzinsfeststellungsverfahren zwingen. Beides sollte dem Gesetzgeber indes nicht unterstellt werden.
Dirnbacher (in MRG [2006] 154) geht hingegen von einem Versehen des Gesetzgebers, mithin von einer planwidrigen, durch Analogie zu schließenden Lücke aus. Ein sachlich gerechtfertigter Grund dafür, warum bei Unternehmensverpachtung nicht ebenfalls ein Interesse (zumindest des Mieters) an baldiger Klarheit über den künftigen (vom Vermieter begehrten) Mietzins herrschen sollte, sei nicht zu erblicken. Er verweist weiters auf die analoge Anwendung des § 12a Abs 2 MRG (und damit die Anwendung von Anzeigepflicht und Präklusivfrist für das Anhebungsbegehren) auch auf die Fälle des § 46a Abs 4 MRG („Machtwechsel" bei Altmietverhältnissen; 5 Ob 234/04d).
2.4. Es ist der Rekurswerberin zuzugestehen, dass der Mieter sowohl im Fall der Unternehmensveräußerung (auch in der Form des „Machtwechsels") als auch bei Unternehmensverpachtung ein Interesse an baldiger Klärung der Rechtslage bzw der ihn treffenden Zahlungspflichten hat und die Möglichkeit zur Mietzinsanhebung in beiden Fällen auf ähnlichen wirtschaftlichen Überlegungen (Berücksichtigung der Interessen des Vermieters) beruht. Dennoch unterscheiden sich Unternehmensveräußerung und Unternehmensverpachtung insoweit wesentlich, als im ersten Fall eine Änderung in der Person des mietzinszahlungspflichtigen Mieters eintritt; dies ist bei der Verpachtung allerdings nicht der Fall. Die Unternehmensveräußerung und der damit bewirkte Mieterwechsel ermöglichen dem Vermieter die Anhebung des Mietzinses auf das Ausmaß des § 16 Abs 1 MRG grundsätzlich für die unbefristete Zukunft, die Anhebung des Mietzinses bei Unternehmensverpachtung ist hingegen auf die Dauer dieser Verpachtung beschränkt. Eine weitere Beschränkung regelt das Gesetz - zeitlich auf höchstens fünf Jahre befristet - für besonders berücksichtigungswürdige persönliche Gründe in der Person des Verpächters (etwa Krankheit, § 12a Abs 6 MRG), welche ebenso für den Vermieter schwierig zu überprüfen sein können, wie die Voraussetzung für eine (weitere) Anhebung des Mietzinses im Fall der Änderung der im Bestandobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit. Diese die Situation auf Vermieterseite im Fall der Unternehmensverpachtung von jener im Fall der Unternehmensveräußerung unterscheidenden Umstände stehen der Annahme entgegen, die beiden vom Gesetz hinsichtlich der Befristung des Anhebungsbegehrens unterschiedlich geregelten Fälle seien dermaßen gleichgelagert, dass das Fehlen der Befristungsregelung im Fall der Unternehmensverpachtung als Gesetzeslücke im Sinne planwidriger Unvollständigkeit (vgl hiezu F. Bydlinski in KBB2 § 7 Rz 2; F. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 7 Rz 2, je mwN) angenommen werden könnte.
Die Anhebung des Hauptmietzinses im Fall der Unternehmensverpachtung nach § 12a Abs 5 MRG ist daher - im Gegensatz zur Unternehmensveräußerung - nicht befristet.
3. Zum Verzicht der Klägerin auf die Mietzinsanhebung:
Der Oberste Gerichtshof sprach mehrfach aus, dass es dem Vermieter freisteht, welchen Anhebungsgrund er geltend macht, wenn ein Anhebungstatbestand mehrfach verwirklicht wird oder überhaupt mehrere verschiedene Anhebungstatbestände vorliegen (RIS-Justiz RS0108810). Das Unterbleiben einer Mietzinsanhebung infolge Unternehmensveräußerung bedeutet daher grundsätzlich nicht, dass auf die infolge Unternehmensverpachtung mögliche Mietzinsanhebung verzichtet wird. Zwar kann bei Dauerschuldverhältnissen ein Verhalten durch längere Zeit Schlüsse auf einen besonderen Willen der Partei erlauben (3 Ob 124/03m = MietSlg 55.075; RIS-Justiz RS0082191 [T3]). Allerdings legt § 863 ABGB bei konkludenten Willenserklärungen einen strengen Maßstab an (RIS-Justiz RS0014146, RS0014157). Maßgebend ist, welche Schlüsse der Vertragspartner aus dem Verhalten nach Treu und Glauben abzuleiten berechtigt war (RIS-Justiz RS0014159). Ein schlüssiger Verzicht auf vereinbarte oder nach dem Gesetz zustehende Leistungen ist daher nur anzunehmen, wenn er bei Überlegung aller Umstände unzweifelhaft erscheint; an die Annahme eines solchen Verzichts sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl RIS-Justiz RS0014188). Weder aus dem Zuwarten mit dem Anhebungsbegehren trotz Kenntnis der Verpachtung noch aus der Klagezurückziehung unter Anspruchsverzicht für bestimmte, vom nunmehr gegenständlichen Zeitraum abweichende Zinsperioden - ohne nähere Erörterung der Gründe hiefür - vermag hier die Annahme eines schlüssigen Verzichts auf jegliche Mietzinsanhebung zu rechtfertigen. Die von der Beklagten weiters ins Treffen geführte - von ihr aber im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal behauptete - Praxis, dass auch bei Verpachtungen innerhalb von 6 Monaten ein Anhebungsbegehren gestellt würde, vermag daran nichts zu ändern, legt doch die gesetzliche Regelung des Anhebungsanspruchs infolge Unternehmensverpachtung gerade keine Frist fest. Die darüber hinaus geäußerte Furcht der Beklagten, ohne Befristung könnte der Vermieter im schlimmsten Fall bis zu 30 Jahre nach Unternehmensverpachtung eine Mietzinsanhebung geltend machen, ist schon deshalb unbegründet, weil Mietzinsforderungen der dreijährigen Verjährung des § 1486 Z 4 ABGB unterliegen.
4. Die Veräußerung des vom Hauptmieter in den Geschäftsräumlichkeiten betriebenen Unternehmens zur Fortführung in diesen Räumen bewirkte den Übergang der Mieterstellung auf den Erwerber des Unternehmens (§ 12a Abs 1 MRG), ohne dass das Vertragsverhältnis - abgesehen von der dadurch ausgelösten Mietzinsanhebungsmöglichkeit - geändert würde. Die Verwirklichung des Mietzinsanhebungstatbestands der Unternehmensverpachtung nach § 12a Abs 5 MRG wird daher nicht verändert. Die Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 5 MRG hängt daher auch nicht davon ab, ob die Unternehmensverpachtung vom nunmehrigen oder einem früheren Hauptmieter des Geschäftslokals vorgenommen wurde.
5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0035976).
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