Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ein Medienwerk (Druckwerk) unter der Bezeichnung 'St. Pölten korrekt' herauszugeben und zu verbreiten, insbesondere durch Versendung an die einzelnen Haushalte der Landeshauptstadt St. Pölten, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 35.330,40 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 5.888,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 106.979,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 10.097,50 USt und S 46.390,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herausgeberin der periodischen Druckschrift "St. Pölten konkret". Die Beklagte hat erstmals im Mai 1996 eine Zeitschrift mit dem Titel "St. Pölten korrekt" herausgegeben. Beide Zeitschriften werden unentgeltlich an Haushalte im Bereich Sankt Pölten versandt.
Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ein Medienwerk (Druckwerk) unter der Bezeichnung "St. Pölten korrekt" herauszugeben und zu verbreiten, insbesondere durch Versendung an die einzelnen Haushalte der Landeshauptstadt St. Pölten.
Die beiden Zeitschriftentitel seien einander verwechselbar ähnlich. Die Beklagte habe die Aufmachung der von der Klägerin herausgegebenen Zeitschrift sklavisch nachgeahmt. Beide Zeitschriften finanzierten sich (zu einem erheblichen Teil) durch Inserate. Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen das Urheberrechtsgesetz und gegen § 9 UWG, es sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG und auch zur Irreführung nach § 2 UWG geeignet.
Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.
Der Titel "St. Pölten konkret" sei nicht unterscheidungskräftig. Die beiden Zeitschriftentitel seien einander nicht verwechselbar ähnlich. Bei Zeitschriftentiteln genügten schon geringfügige Abweichungen. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich beim Druckwerk der Beklagten um den "Freiheitlichen Gemeindekurier" handle.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Der Zeitschriftentitel "St. Pölten konkret" sei unterscheidungskräftig. Die beiden Zeitschriftentitel seien nicht nur im Klang auffallend ähnlich; beide Zeitschriften seien ähnlich aufgemacht. Das gelte insbesondere für das Schriftbild des Titels. Die beiden Zeitschriften stimmten auch darin überein, daß sie unentgeltlich an die Bevölkerung der Landeshauptstadt St. Pölten verteilt werden. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin bestehe nach § 9 UWG zu Recht; ob die Zeitschrift der Klägerin ein Werk sei, könne offen bleiben.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die beiden Titel klängen ganz ähnlich; die Presseerzeugnisse seien auch ähnlich aufgemacht. Bei Zeitungstiteln genügten im allgemeinen schon kleine Abweichungen, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Dies gelte aber nicht für Druckschriften, die kostenlos ins Haus geschickt werden. Die Titel solcher Zeitschriften seien verwechselbar ähnlich, wenn der Durchschnittsleser erst bei der Lektüre bemerke, um welche Druckschrift es sich handelt. Die Klägerin habe sich auch auf Verkehrsgeltung berufen. Es wäre Sache der Beklagten gewesen darzulegen, warum die Verkehrsgeltung fehlen solle. Da die beiden Titel jedenfalls verwechselbar ähnlich seien, habe es im Begehren keines Hinweises auf die "auffallend ähnliche Gestaltung der Titelseite" bedurft.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Titelschutz widerspricht; sie ist auch berechtigt.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß der Titel "St. Pölten konkret" nicht unterscheidungskräftig sei. Wäre er unterscheidungskräftig, so müßte dies auch für den von der Beklagten verwendeten Titel "St. Pölten korrekt" zutreffen; in diesem Fall fehlte die Verwechslungsgefahr. Die beiden Titel seien einander weder im Klang noch im Bedeutungsinhalt ähnlich. Die Klägerin habe nicht bewiesen, für den Titel "St. Pölten konkret" Verkehrsgeltung erreicht zu haben. Ähnlichkeiten im Layout könnten nicht berücksichtigt werden, weil sie vom Begehren nicht erfaßt würden.
Der Titelschutz nach § 80 UrhG und auch der Schutz nach § 9 Abs 1 UWG
setzt ebenso wie der Schutz der übrigen Unternehmenskennzeichen
Unterscheidungskraft des verletzten Zeichens voraus. Die Bezeichnung
des Druckwerks muß etwas Besonderes, Individuelles an sich haben und
darf sich nicht auf die bloße Angabe des Inhalts oder des Gebietes,
auf das es sich bezieht, beschränken (SZ 68/27 = ecolex 1995, 568 =
RdW 1996, 63 = WBl 1995, 298 - Pro mwN). Ist ein Zeichen
unterscheidungskräftig, so ist es unabhängig davon schutzfähig, ob es Verkehrsgeltung genießt.
"Konkret" ist in Verbindung mit einem Ortsnamen als Zeitungstitel unterscheidungskräftig; es ist demnach für die Entscheidung unerheblich, ob die Klägerin für dieses Zeichen Verkehrsgeltung erreicht hat. Das von der Beklagten gerügte Fehlen von Feststellungen schadet nicht.
Bei Titeln von Tageszeitungen und Zeitschriften schließen im allgemeinen schon geringfügige Abweichungen die Gefahr von Verwechslungen aus. Grund dafür ist, daß gerade bei solchen Titeln nur geringe Ausweichmöglichkeiten bestehen und sich das Publikum selbst bei akustischem Gleichklang oder bei Verkehrsgeltung eines Kurztitels daran gewöhnt hat, auch kleine Unterschiede genau zu beachten (ÖBl 1986, 71 - Festspiel-Illustrierte mwN; RIS-Justiz RS0077247). Soweit Vergleichsmöglichkeiten fehlen, weil Zeitschriften nicht öffentlich feilgeboten, sondern kostenlos verteilt oder zugeschickt werden, werden geringfügige Unterschiede nicht für ausreichend erachtet, die Verwechslungsgefahr auszuschließen (ÖBl 1972, 97 - Extra).
Sowohl die Druckschrift der Klägerin als auch die der Beklagten werden kostenlos an Haushalte versandt; die jeweils prägenden Bestandtteile ihres Titels, "konkret" und "korrekt", unterscheiden sich aber in einem stärkeren Maß als nur geringfügig. Zwar ist das Wortbild ähnlich, der Wortklang ist aber verschieden. Die Ähnlichkeit des Wortbildes wird im übrigen durch den durchgreifenden Sinnunterschied aufgewogen. Ist nämlich eines der zu vergleichenden Wörter - ohne unmittelbare Beziehung zur Ware - der gangbare sprachliche Ausdruck für eine allgemein geläufige Vorstellung, die zwanglose Verkörperung eines bestimmten Begriffes (relative Phantasiebezeichnung), dann kann sein Sinngehalt die Möglichkeit von Verwechslungen nach dem akustischen oder optischen Eindruck von vornherein vermindern oder sogar ganz ausschließen. Das gilt umso mehr, wenn jedes der beiden Zeichen einen bestimmten, vom anderen abweichenden Begriffsinhalt hat (ÖBl 1993, 96 - Compass mwN; RIS-Justiz RS0079137).
Weder "konkret" noch "korrekt" werden üblicherweise als Zeitungstitel verwendet. Der Sinngehalt von "konkret" ist ein völlig anderer als der von "korrekt"; das schließt die Verwechslungsgefahr unabhängig davon aus, daß im Wortbild eine gewisse Ähnlichkeit besteht. Die Übereinstimmung in der Aufmachung der beiden Druckschriften hat außer Betracht zu bleiben, weil sie vom Begehren nicht erfaßt wird.
Der Revision war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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