OGH 4Ob252/02s

OGH4Ob252/02s19.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Gustav K*****, vertreten durch Dr. Andreas Karbiener und Mag. Martin Karbiener, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Herausgabe (Streitwert 10.900,93 EUR), infolge Rekurses des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Juli 2002, GZ 6 R 96/02h-10, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 20. März 2002, GZ 3 Cg 316/01g-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 2.702,18 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 273,53 EUR USt und 1.061 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bis August 2001 gemeinsam mit Walter E***** Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten. Mit 9. 8. 2001 hat der Kläger seinen Geschäftsanteil an Walter E***** abgetreten und seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt.

Im Zusammenhang damit schloss der Kläger mit Walter E***** und der Beklagten folgende Vereinbarung:

„...

A) Der Gesellschafter Ing. Gustav K***** tritt seinen einer voll

einbezahlten Stammeinlage von 17.850 EUR entsprechenden Geschäftsanteil an der C***** GmbH um den Abtretungspreis von 17.850 EUR an den Mitgesellschafter Walter Eder ab.

B) Mit dem Tag der Abtretung legt Herr Ing. Gustav K***** seine

Geschäftsführungstätigkeit mit sofortiger Wirkung zurück; ein Anstellungsverhältnis liegt nicht vor.

Herr Ing. Gustav K***** bestätigt, dass gegenüber der Gesellschaft keine Ansprüche aus seiner Geschäftsführertätigkeit mehr bestehen.

C) Die C***** GmbH überträgt das ihr gehörige, von Ing. Gustav Kianek

benützte Fahrzeug Jeep Cherokee um den Preis von 52.500 S mit dem heutigen Tag ins Eigentum.

D) Die C***** GmbH zahlt das ihr von Ing. Gustav K***** gewährte

Gesellschafterdarlehen von 40.000 S an diesen zurück.

E) Herr Ing. Gustav K***** zahlt von der Gesellschaft im August 2001

an ihn ausbezahlte Geschäftsführerentgelte von 143.121 S an die Gesellschaft zurück.

F) Herr Ing. Gustav K***** wird von sämtlichen von ihm eingegangenen

Haftungen für Gesellschaftsverbindlichkeiten befreit und wird ihm eine entsprechende Bestätigung des Kreditinstituts über seine Entlassung aus der Haftung vorgelegt. Ein von ihm zur Bescherung übergebenes Kautionssparbuch in Höhe von 150.000 S wird an ihn zurückgestellt.

Die Haftungsentlassung sowie das Sparbuch sind binnen 14 Tagen nach Unterfertigung des Abtretungsvertrags vorzulegen.

G) Aufgrund der wechselseitigen Verrechnung zwischen der Gesellschaft

und den beiden Gesellschaftern ergibt sich für Herrn Ing. Gustav K***** ein auszuzahlender Gesamtsaldo von 90.000 S, welcher binnen 14 Tagen nach Unterfertigung des Abtretungsvertrags fällig ist.

H) Herr Ing. Gustav K***** hat am Freitag, 10. 8. 2001, sein Büro bei

der Gesellschaft von seinen persönlichen Fahrnissen zu räumen und Herrn Walter E***** die Geschäftsunterlagen und die Schlüssel zu übergeben.

I) Mit Erfüllung aller oben angeführten Punkte sind sämtliche

wechselseitigen Ansprüche zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie zwischen den Gesellschaftern untereinander, welcher Art immer, bereinigt und verglichen und es bestehen somit keine Forderungen mehr.

..."

Der Kläger hat das Sparbuch zur Besicherung einer Forderung gegen die Beklagte hinterlegt. Das Sparbuch wird von der Beklagten verwahrt. Der Beklagten war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abtretungsvertrags und der oben wiedergegebenen Vereinbarung bekannt, dass die R***** 70.000 S (inklusive 20 % Umsatzsteuer) für Vermittlungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Miete des Betriebsgebäudes in G***** in Rechnung stellt. Walter E***** hat die Forderung „vorsichtshalber" in eine Aufstellung von Gesellschaftsverbindlichkeiten aufgenommen, die er der finanzierenden Bank übergab. Der Kläger hatte ihm erklärt, die Forderung sei zumindest noch nicht fällig, weil der Mietvertrag noch nicht abgeschlossen war und die Kausalität der Vermittlungstätigkeit zweifelhaft sei. Die Beklagte hat die Forderung bisher weder anerkannt noch gezahlt.

Die Beklagte hat die Elektro- und Wasserinstallationen im Mietobjekt gezahlt und der Vermieterin eine Rechnung über 4.807,05 EUR gelegt. Der Beklagten und Walter E***** war bei Abschluss der oben wiedergegebenen Vereinbarung bekannt, dass die Vermieterin den geforderten Betrag nicht freiwillig zahlen werde.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm das Sparbuch der Sparkasse L*****, Nr *****, mit einem Einlagestand per 30. 1. 2001 von 10.900,93 EUR, zuzüglich Verzinsung von 3,5 % per anno, herauszugeben. Die Beklagte könne sich von der Verpflichtung zur Herausgabe des Sparbuchs durch Zahlung eines Betrags von 150.000 S sA befreien. Der Herausgabeanspruch sei mit 24. 8. 2001 fällig geworden. Die Beklagte habe das Sparbuch trotz mehrfacher Aufforderung nicht herausgegeben.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie sei passiv nicht legitimiert. Zwar verwahre sie das Sparbuch, die Vereinbarung vom 9. 8. 2001 habe aber auch Walter Eder unterzeichnet. Er sei notwendiger Streitgenosse. Der Kläger habe seinen Geschäftspartner über wesentliche Umstände falsch informiert. Bei richtiger Information wäre die Vereinbarung nicht in der vorliegenden Form geschlossen worden; der Kläger hätte insbesondere den ihm bar ausgezahlten Geldbetrag nicht erhalten. Der Kläger habe die Vereinbarung somit nicht eingehalten. Hilfsweise fechte die Beklagte die Vereinbarung wegen Irreführung an. Einem allfälligen Zahlungsanspruch stehe eine Gegenforderung der Beklagten von 150.000 S gegenüber, weil der Kläger angegeben habe, für die Miete des Gebäudes in Gunskirchen sei keine Vermittlungsprovision zu zahlen. Er habe auch angegeben, dass die Vermieterin die Elektroinstallationen auf ihre Kosten durchführen werde. Tatsächlich seien die Installationen von der Beklagten veranlasst worden. Die Vermieterin habe die Zahlung des ihr weiterverrechneten Betrags mit der Begründung abgelehnt, dass eine Zahlung durch sie nicht vereinbart sei.

Das Erstgericht gab dem Herausgabebegehren statt. Die Streitteile hätten einen Vergleich geschlossen; ein Vergleich könne nur bei einem Irrtum über die Vergleichsgrundlage angefochten werden. Ein solcher Irrtum liege nicht vor. Walter E***** selbst habe die Forderung des Maklers für wahrscheinlich und die Berechtigung der Forderung gegen die Vermieterin für zweifelhaft gehalten. Gegen den Herausgabeanspruch könnten Forderungen der Beklagten nicht aufgerechnet werden. Die Beklagte sei passiv legitimiert, weil sie das Sparbuch verwahre. Es sei nicht erkennbar, welche Punkte der Vereinbarung noch nicht erfüllt seien. Ebensowenig sei erkennbar, dass die zeitlich eindeutig bestimmte Herausgabepflicht von anderen Umständen abhängig wäre.

Das Berufungsgericht hob das Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Infolge gesetzmäßiger Rechtsrüge sei die rechtliche Beurteilung allseitig zu prüfen. Zwar habe das Erstgericht eine Irrtumsanfechtung zu Recht als unzulässig beurteilt; in der Bestreitung des Herausgabeanspruchs, dem die Beklagte auch die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrags entgegenhalte, liege jedoch ein weiterer Einwand, der bisher nicht erörtert worden sei. § 82 GmbHG verbiete jede Zuwendung der Gesellschafter an die Gesellschaft, die nicht Gewinnverwendung sei. Verbotswidrige Geschäfte seien nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Die Parteien hätten hinsichtlich des 90.000 S übersteigenden Abtretungspreises die „Aufrechnung" einer dem Kläger gegen den übernehmenden Gesellschafter zustehenden Forderung gegen eine der Gesellschaft gegen den Kläger zustehenden Forderung vereinbart, was eine Finanzierung des dem Gesellschafter zuwachsenden Geschäftsanteils in dieser Höhe durch die Gesellschaft bedeute. Die Generalbereinigungsklausel in Punkt I der Vereinbarung indiziere einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. Das Verbot der Einlagenrückgewähr solle das Betriebskapital der Gesellschaft und ihren Gläubigern erhalten. Nach dem Verbotszweck der Norm stehe es damit nicht im Belieben einer Vertragspartei, sich auf die Nichtigkeit zu berufen. Auch wenn sich die Beklagte nicht ausdrücklich auf die Nichtigkeit berufen habe, hätte das Erstgericht aufgrund seiner Anleitungspflicht auf eine Erörterung der allenfalls eine Nichtigkeit bewirkenden Umstände hinwirken müssen. Sollte die Klägerin zugunsten ihres Gesellschafters auf eine ihr gegen den Kläger zustehende Forderung von 155.621,36 verzichtet haben, so sei auch ihre Verpflichtung, dem Kläger ein Sparbuch mit einem Einlagestand von 150.000 S herauszugeben, nichtig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Die Nichtigkeit einer Vereinbarung wegen Gesetz- oder

Sittenwidrigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur

wahrzunehmen, wenn sie eingewandt wird, wobei es genügt, wenn neben

dem erforderlichen Sachvorbringen auf die Gesetz- oder

Sittenwidrigkeit hingewiesen wird (ua 7 Ob 586/89 = ÖBA 1990/225

[Karollus]; 6 Ob 503/96 = ZVR 1997/34; s auch 1 Ob 705/86 = SZ

60/35). Von Amts wegen wahrzunehmen ist jedoch die absolute Nichtigkeit einer Vereinbarung. Absolut nichtig ist eine Vereinbarung, wenn gegen Gesetze verstoßen wird, die dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen (1 Ob 515/90 = SZ 63/72; Krejci in Rummel, ABGB³ § 879 Rz 248; Apathy in Schwimann, ABGB² § 879 Rz 43 mwN).

Das Berufungsgericht hält einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 82 Abs 1 GmbHG für möglich und hat aus diesem Grund dem Erstgericht eine entsprechende Verfahrensergänzung aufgetragen. Im Vorbringen der Parteien ist ein solcher Verstoß nicht einmal angeklungen; das Berufungsgericht geht davon aus, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr von Amts wegen aufzugreifen sei.

Das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 82 Abs 1 GmbHG soll das Stammkapital als „dauernden Grundstock der Gesellschaft" und als einziges „dem Zugriffe der Gläubiger freigegebenes Befriedigungsobjekt" gegen Schmälerung durch Leistung an die Gesellschafter absichern (4 Ob 2078/96h = SZ 69/149 unter Hinweis auf 236 BlgHH 17. Sess 88). Damit soll sichergestellt werden, dass Leistungen an die Gesellschafter unterbleiben, denen keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das Vermögen der Gesellschaft zum Nachteil der Gläubiger verringern. In der - im Eintragungsverfahren ergangenen - Entscheidung 6 Ob 288/99t (= ecolex 2000/512) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass das Firmenbuchgericht allfällige Verstöße gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr von Amts wegen wahrzunehmen hat. Das Gleiche muss auch bei der Beurteilung einer Vereinbarung im streitigen Verfahren gelten, weil das Verbot nicht nur die Interessen der jeweiligen Vertragspartner, sondern das allgemeine Interesse daran schützt, dass Gesellschaften mit beschränkter Haftung auch tatsächlich über ihr Stammkapital verfügen.

Das Berufungsgericht wäre daher berechtigt gewesen, einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aufzugreifen, wenn der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt einen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Verstoßes geboten hätte. Das ist aber nicht der Fall:

Der Kläger stützt sich auf die am 9. 8. 2001 getroffene Vereinbarung, wonach er von allen von ihm eingegangenen Haftungen für Gesellschaftsverbindlichkeiten befreit wird und das von ihm zur Besicherung übergebene Kautionssparbuch zurückgestellt erhält. Dass diese Vereinbarung nicht dazu geeignet ist, das Vermögen der Beklagten zu schmälern, liegt auf der Hand. Dem Berufungsgericht ist jedoch die in der gleichen Vereinbarung geregelte Verrechnung des vom Erwerber des Geschäftsanteils und Mitgeschäftsführer und -gesellschafter des Klägers geschuldeten Abtretungspreises mit der der Gesellschaft zustehenden Forderung auf Rückzahlung von Geschäftsführerentgelten durch den Kläger bedenklich erschienen. Es hat offenbar angenommen, dass eine Leistung der Gesellschaft für den Gesellschafter potenziell immer eine Einlagenrückgewähr sei. Dabei hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass ein Gesellschafter Anspruch auf den ihm zustehenden Gewinn und, wenn er, wie zB als Geschäftsführer, Leistungen für die Gesellschaft erbringt, Anspruch auf deren Abgeltung hat. Anzeichen für eine verbotene Einlagenrückgewähr sind daher nicht schon dann gegeben, wenn die Gesellschaft Leistungen für den Gesellschafter erbringt, sondern erst und nur dann, wenn Hinweise vorliegen, dass sie nicht Gewinnverwendung sind und ihnen auch keine gleichwertige Gegenleistung des Gesellschafters gegenübersteht.

Solche Anzeichen sind im vorliegenden Fall nicht vorhanden. Dazu kommt, dass selbst ein Verstoß der Verrechnungsvereinbarung gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nicht die Nichtigkeit der durch die Entlassung des Klägers aus der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten bedingten Freigabe des Kautionssparbuchs bewirken könnte. Ob nämlich eine Vereinbarung zur Gänze oder zum Teil nichtig ist, hängt vom Zweck der verletzten Norm ab (Krejci aaO § 879 Rz 250); der Normzweck des § 82 Abs 1 GmbHG - das Vermögen der Gesellschaft als Befriedigungsfonds für die Gläubiger zu erhalten - wird durch die Rückgabe eines Kautionssparbuchs wegen Entlassung des ausgeschiedenen Gesellschafters aus der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten in keiner Weise berührt.

Dem Rekurs war Folge zu geben und es war, da das Erstgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig festgestellt und auch rechtlich richtig beurteilt hat, in der Sache zu entscheiden und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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