OGH 4Ob238/18f

OGH4Ob238/18f26.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin K* P*, vertreten durch Dr. Karlheinz Plankel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte S* P*, vertreten durch Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in Innsbruck, wegen Räumung (Streitwert 2.000 EUR) und 8.940 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Oktober 2018, GZ 2 R 125/18y‑47, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124486

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Beklagte bewohnt eine Wohnung im Haus ihres mittlerweile verstorbenen Vaters. Über dessen Vermögen wurde noch zu seinen Lebzeiten der Konkurs eröffnet und die Klägerin, seine Ehefrau und Stiefmutter der Beklagten, kaufte die Liegenschaft samt Haus aus der Konkursmasse.

Die Klägerin widerrief das (von ihr so qualifizierte) Prekarium gegenüber der Beklagten und begehrt nun die Räumung der Wohnung und Zahlung eines Benützungsentgelts von 8.940 EUR.

Die Beklagte wendete ein, ihr Vater habe die Wohnung ausschließlich zu ihrer Nutzung errichten lassen und ihr ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt. Die Klägerin habe mit dem Kauf die außerbücherliche Last des obligatorischen Wohnrechts übernommen. Da die Beklagte die Wohnung nicht titellos nutze, stehe der Klägerin auch kein Benützungsentgelt zu.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Klägerin habe bei Ankauf der Liegenschaft nicht davon ausgehen können, dass der Beklagten die Wohnung rechtsgrundlos überlassen worden sei.

Das Berufungsgericht gab dem Räumungsbegehren mit Teilurteil statt und hob die erstgerichtliche Entscheidung über das Zahlungsbegehren auf; insoweit verwies es die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung. Zudem sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Vater der Beklagten habe dieser ein obligatorisches Wohnrecht eingeräumt; obligatorische Rechtsverhältnisse gingen aber nur bei entsprechender Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger über. Solche Vereinbarungen könnten zwar auch stillschweigend getroffen werden, das Wohnungsrecht sei aber gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger nicht schon dann wirksam, wenn er bloß von diesem Recht gewusst habe. Der Annahme einer schlüssigen Vertragsübernahme durch die Klägerin stehe in erster Linie die Feststellung entgegen, dass anlässlich des Kaufs allfällige Rechte der Beklagten nicht erörtert worden seien. Es sei daher weder eine ausdrückliche noch eine schlüssige Vertragsübernahme durch die Klägerin anlässlich des Liegenschaftskaufs erfolgt. Somit benütze die Beklagte die Wohnung titellos, weshalb dem Räumungsbegehren stattzugeben sei. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens sei die Sache mangels ausreichender Feststellungen noch nicht entscheidungsreif.

Gegen das Teilurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

1. Bei einer Räumungsklage gegen einen titellosen Inhaber einer Wohnung macht der Eigentümer einen auf sein Eigentumsrecht gestützten Herausgabeanspruch nach § 366 ABGB geltend (RIS‑Justiz RS0062419). In solchen Fällen kann der beklagte Sachinhaber ein eigenes, dem Eigentümer gegenüber wirksames dingliches oder obligatorisches Recht zur Innehabung einwenden. Die Beweislast für die Beschränkung der dem Eigentümer in § 354 ABGB verliehenen Ausschließungsmacht trifft den Beklagten (RIS‑Justiz RS0125784; RS0010849; RS0010310).

2. Die Dienstbarkeit des Wohnrechts ist an sich ein dingliches Recht, doch kann dieses Recht als sogenannte unregelmäßige Servitut auch obligatorisch eingeräumt werden. Welcher Art das Wohnungsrecht ist, ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels (RIS‑Justiz RS0011840 [T8]). Wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar, weil schon wegen ihrer Einzelfallbezogenheit ein Beitrag zur Rechtsentwicklung oder Rechtsvereinheitlichung nicht erwartet werden kann und ein Aufgreifen daher nur aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich sein könnte (RIS‑Justiz RS0042555 [T9]; 7 Ob 152/14z).

3.1. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Beklagten von ihrem Vater (dem Voreigentümer der Liegenschaft) ein obligatorisches Wohnrecht eingeräumt wurde. Wieso dieses Wohnrecht dinglicher Natur gewesen sein sollte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Schon das Berufungsgericht hat auf die Rechtsprechung verwiesen, dass ein dingliches Wohnrecht dann anzunehmen sei, wenn die Umstände den Schluss rechtfertigen, dass ein gegen jedermann wirkendes Recht eingeräumt werden sollte. Für die Abgrenzung ist die Parteienabsicht maßgebend. Im Zweifel ist ein obligatorisches Wohnrecht anzunehmen (vgl 3 Ob 580/81).

3.2. Nach 7 Ob 183/98g ist ein dingliches Wohnungsrecht anzunehmen, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass nicht bloß ein obligatorisches, sondern ein gegen jedermann wirkendes Recht eingeräumt werden sollte. Derartige Umstände zeigt die Beklagte aber nicht auf. Der Umstand, dass die Klägerin der Beklagten die Wohnung nach ihrem Erwerb überließ, kann die behauptete dingliche Wirkung des der Beklagten von ihrem Vater bereits Jahre davor gewährten Wohnrechts nicht begründen. Auch ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht ist nach der genannten Rechtsprechung nicht zwingend als dingliches Recht anzusehen. Insoweit gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass die Auslegung der Vereinbarung zwischen der Beklagten und ihrem Vater durch das Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist (vgl RIS‑Justiz RS0042776; RS0042936). Steht die Vertragsauslegung mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, kommt der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0042776). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall unabhängig davon nicht vor, ob (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Auslegung vertretbar ist (RIS‑Justiz RS0042555 [T4]; RS0112106 [insbesondere T2 bis T4]).

3.3. Das Berufungsgericht ging schließlich davon aus, dass die Klägerin die Last des Wohnrechts nicht übernommen habe, weil obligatorische Rechtsverhältnisse bei einer Einzelrechtsnachfolge nur bei entsprechender Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger übergehen (vgl RIS‑Justiz RS0011871). Ein solches obligatorisches Rechtsverhältnis ist selbst dann gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger nicht wirksam, wenn er von diesem Recht wusste; der Einzelrechtsnachfolger tritt vielmehr in das obligatorische Schuldverhältnis nur im Wege der Vertragsübernahme ein (RIS‑Justiz RS0011871 [T8, T10]).

3.4. Dass eine ausdrückliche Übernahme des Wohnrechts im Kaufvertrag nicht erfolgte, ist unstrittig. Denkbar ist daher nur eine schlüssige Übernahme. Diese verneinte das Berufungsgericht mit der Begründung, dass das Wohnrecht der Beklagten anlässlich der Verkaufsgespräche zwischen dem Vater der Beklagten und der Klägerin nicht thematisiert worden sei und die Beklagte im Zeitpunkt des Verkaufs nicht in der Wohnung gewohnt habe. Dem hält die Beklagte in der Revision im Wesentlichen bloß entgegen, dass die Klägerin vom Wohnrecht der Beklagten gewusst habe, was aber nach der zitierten Rechtsprechung für den Vertragsübergang nicht ausreichend ist.

3.5. Die Berufung auf die Rechtsprechung zum Übergang nicht verbücherter Dienstbarkeiten (vgl 1 Ob 53/18b) ist nicht tragfähig, weil hier kein dingliches Wohnrecht eingeräumt wurde. Die Behauptung, dass der Beklagten die Wohnung nach Erwerb durch die Klägerin unverändert überlassen worden sei, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach sich die Beklagte von 2004 bis 2010 im Ausland aufgehalten hat. Dass die Überlassung der Wohnung an Dritte zu Mietzinszahlungen an die Beklagte geführt habe, steht nicht fest.

3.6. Ein zweifelsfrei schlüssiges Verhalten (vgl RIS‑Justiz RS0014157; RS0014146) der Klägerin, aus der eine Vertragsübernahme zu entnehmen ist, kann die Beklagte auch in der Revision nicht aufzeigen. Im Übrigen ist die Frage, ob im konkreten Einzelfall eine konkludente Vereinbarung zustande gekommen ist, keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0043253).

Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

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