OGH 4Ob229/10w

OGH4Ob229/10w18.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj D***** F*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Bezirke 17-19, *****, über den Revisionsrekurs des Vaters Mag. P***** F*****, vertreten durch Mag. Susanne Hautzinger-Darginidis, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. September 2010, GZ 43 R 349/10g-112, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 25. März 2010, GZ 12 P 7/09y-105, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Rekursgericht verpflichtete den Kindesvater zusätzlich zu der ihm mit Vergleich vom 24. November 2005 auferlegten Unterhaltsleistung von monatlich 310 EUR für seinen am 22. September 1999 geborenen Sohn für 2007 noch einen monatlichen Betrag von 92 EUR, insgesamt daher 402 EUR; für 2008 noch einen monatlichen Betrag von 98 EUR, insgesamt daher 408 EUR; für Jänner bis September 2009 noch einen Betrag von 106 EUR, insgesamt daher 416 EUR und ab Oktober 2009 bis auf weiteres noch einen Betrag von 228 EUR, insgesamt daher 538 EUR zu bezahlen. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, wie die Unterhaltsbemessungsgrundlage bei bloß teilweisem Bezug von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu ermitteln sei.

Der Revisionsrekurs des Kindesvaters, mit dem er die Reduktion der zusätzlich zum Vergleich auferlegten Unterhaltsleistung auf 80 EUR, somit einen monatlichen Gesamtunterhalt von 390 EUR für den gesamten Bemessungszeitraum anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts, nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber vermag keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die Unterhaltsbemessungsgrundlage bei selbständiger Tätigkeit des Unterhaltspflichtigen durch Betrachtung eines längeren, in der Regel drei Jahre umfassenden Zeitraums zu ermitteln (RIS-Justiz RS0053251). Muss jedoch für konkrete vergangene Zeitabschnitte geprüft werden, ob das Einkommen des Unterhaltspflichtigen seiner Unterhaltsverpflichtung entsprochen hat, dann ist die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners genau für diese Unterhaltsperioden zu ermitteln (1 Ob 549/95 uva; RIS-Justiz RS0053251 [T3, T14, T5]). Die Heranziehung der letzten drei vor der Unterhaltsbemessung durch das Erstgericht liegenden, abgeschlossenen Wirtschaftsjahre kann das Bild der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners aber verfälschen, wenn etwa dem geringeren Einkommen in der Phase des Unternehmensaufbaus ein viel zu hohes Gewicht für die Zukunft beigemessen wird und vielmehr von einer gesicherten Erwerbsbasis mit steigenden Einnahmen auszugehen ist (10 Ob 8/07k = SZ 2007/30). Es ist daher auf die konkreten Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen. Dies gilt insbesondere für den Fall des Zusammentreffens von Einkünften aus selbständiger und aus unselbständiger Tätigkeit. Das Aufstellen genereller Regeln für alle denkbaren Fallkonstellationen ist hier nicht möglich, was grundsätzlich dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG entgegensteht.

Der vorliegende Fall zeichnet sich dadurch aus, dass der Anteil des selbständigen Einkommens des Unterhaltsverpflichteten an seinem Gesamteinkommen in den letzten beiden Jahren vor der Unterhaltsbemessung relativ gering und tendenziell sinkend ist, der Einkommensanteil aus unselbständiger Arbeit hingegen relativ hoch und ansteigend. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist die Auffassung des Rekursgerichts, dass in einem solchen Fall das unbekämpft festgestellte monatliche Durchschnittseinkommen des letzten erhobenen Kalenderjahres auch für das Folgejahr als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen ist, nicht als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Einzelfalls zu qualifizieren.

Die vom Revisionsrekurswerber behauptete Nichtigkeit des Rekursverfahrens mangels Äußerungsmöglichkeit zum gegnerischen Rekurs kann schon deshalb nicht vorliegen, weil eine solche Äußerungsmöglichkeit eingeräumt wurde (Zustellung des Rekurses an den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Kindesvater am 13. April 2010). Die irrtümliche Zustellung der Rekursentscheidung an den Kindesvater statt an dessen Vertreterin blieb infolge jedenfalls fristgerechter Einbringung des Rechtsmittels ohne Auswirkung.

Gesetzliche Unterhaltsansprüche unterliegen der Umstandsklausel. Eine Änderung der Unterhaltsverpflichtung ist nur bei einer wesentlichen Änderung der konkreten Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigen gerechtfertigt (RIS-Justiz RS0047486). Einem Antrag, die Unterhaltsbemessung trotz unverändert gebliebener Verhältnisse zu ändern, stünde die Rechtskraft der bisherigen Unterhaltsbemessung entgegen (RIS-Justiz RS0007161). Bereits mehrfach klargestellt wurde, dass der Wechsel der Altersgruppe für sich allein keine wesentliche Änderung der Verhältnisse bildet (RIS-Justiz RS0106742), dass Schuleintritt und Schulwechsel wegen der damit verbundenen Bedürfnissteigerung eine solche wesentliche Änderung bilden können, dass eine Änderung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters immer nur bei einer wesentlichen Änderung der konkreten Unterhaltsbedürfnisse des Kindes gerechtfertigt ist und dass sich eine allgemein gültige Regel, ab wann von einer solchen Änderung der Verhältnisse auszugehen ist, nicht aufstellen lässt (RIS-Justiz RS0047332), weil hier die Umstände des Einzelfalls von wesentlicher Bedeutung sind (7 Ob 247/05g mwN).

Da sich das Erstgericht die Unterhaltsbemessung ab 1. Jänner 2007 in einer früheren Entscheidung (Beschluss vom 26. November 2007, ON 58) ausdrücklich vorbehielt, weil eine Änderung der Einkommensverhältnisse des Vaters absehbar war und diese tatsächlich auch eintrat, bildet es keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, die für die neue Bemessung der Unterhaltspflicht erforderliche wesentliche Änderung der Verhältnisse sowohl mit Beginn des Jahres 2007, als auch für das Jahr 2008 anzunehmen, das eine weitere Einkommenserhöhung für den unterhaltspflichtigen Vater brachte. Dass die Unterhaltsbemessung für das Jahr 2009 im Hinblick auf die konkrete Einkommensentwicklung des Unterhaltspflichtigen vom Obersten Gerichtshof nicht aufzugreifen ist, wurde bereits oben dargelegt.

Es gibt keinen allgemeinen, für jeden Fall geltenden Unterhaltsstopp etwa beim 2-, 2,5- oder 3-fachen des Regelbedarfs. Die konkrete Ausmittlung hängt vielmehr immer von den Umständen des Einzelfalls ab (2 Ob 5/03d; RIS-Justiz RS0047425 [T2]). Ob ein Unterhaltsstopp im Einzelfall bei Kindern im Alter von zehn und zwölf Jahren beim 2,5-fachen des Regelbedarfs oder schon beim etwa 2-fachen davon liegt, bildet keine erhebliche Rechtsfrage nach § 62 Abs 1 AußStrG (RIS-Justiz RS0007138).

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