OGH 4Ob224/13i

OGH4Ob224/13i25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** N*****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2013, GZ 2 R 79/13x‑14, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Februar 2013, GZ 10 Cg 59/12z‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00224.13I.0325.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verboten der beklagten Medieninhaberin, Lichtbilder zu verbreiten, die den Vater des Klägers am Grab naher Angehöriger zeigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Dass nahe Angehörige das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen geltend machen können, entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 283/01p = SZ 2002/107 mwN; RIS‑Justiz RS0116720; zuletzt 4 Ob 203/13a). Der erkennende Senat hielt zuletzt daran fest, dass das Gesetz nach dem Tod des Betroffenen einen Anspruch der nahen Angehörigen vorsieht, es dabei schon nach dem Wortlaut der §§ 77 und 78 UrhG auf deren Interessen ankommt und diese Interessen im Regelfall aber schon dann beeinträchtigt sein werden, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu dessen Gunsten ausgegangen wäre. Eine besondere Begründung für eine eigene Interessenbeeinträchtigung der Angehörigen ist daher nicht erforderlich. Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus den Gesetzesmaterialien (EB zur RV des UrhG 1936, abgedruckt in Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht [1986] 159 f), die einen solchen typischen Interessengleichlauf annehmen, sondern stimmt im Ergebnis auch mit jenen Wertungen überein, die dem postmortalen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugrunde liegen: Zweck des Rechts der Angehörigen ist zumindest auch die Wahrung der Interessen des Verstorbenen. Ob dies der Fall ist, könnte nur dann fraglich sein, wenn der Verstorbene der Veröffentlichung zugestimmt hatte oder wenn er sie aus anderen Gründen hinnehmen musste (4 Ob 203/13a mwN).

Dieses Problem stellt sich vorliegend aber nicht, weil der Verstorbene nach den getroffenen Feststellungen in den letzten Jahren vor seinem Ableben gegen vergleichbare Bildnisveröffentlichungen erfolgreich gerichtlich vorgegangen ist.

Ob schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die Interessenabwägung ausschlägt, hängt im Allgemeinen von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und berührt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (6 Ob 71/10z). Weder besteht der von der Beklagten behauptete Widerspruch zwischen der vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Rechtsansicht zum höchstpersönlichen Lebensbereich (auch) einer „Person der Zeitgeschichte“ noch widerspricht die Ablehnung der Rechtsansicht der Beklagten, der postmortale Persönlichkeitsschutz sei gegenüber dem Schutz lebender Personen abgeschwächt, bisheriger Judikatur.

Der Oberste Gerichtshof sprach wiederholt aus, dass auch Politiker oder sonst allgemein bekannte Personen Anspruch darauf haben, dass die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nimmt, und daher die Verletzung der Intimsphäre dieser Personen und die Verbreitung von Bildern, die entstellend wirken oder sie im Zusammenhang mit der Bildunterschrift oder dem Begleittext der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben, oder sie mit Vorgängen in Verbindung bringen, mit denen sie nichts zu tun haben, unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0077903). Auch eine Person, für deren Leben sich breite Bevölkerungskreise interessieren und die immer wieder Gegenstand von Medienberichten ist, hat Anspruch darauf, dass ihre Privatsphäre respektiert wird (4 Ob 233/08f ua; RIS‑Justiz RS0077903 [T7]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass zu diesem geschützten (innerfamiliären) Lebensbereich auch die persönliche Trauer am Grab verstorbener naher Angehöriger gehört, ist jedenfalls vertretbar.

Die bisherige Rechtsprechung zum postmortalen Persönlichkeitsschutz (vgl RIS‑Justiz RS0116720) lässt keinen herabgesetzten Maßstab in Bezug auf Persönlichkeitsverletzungen erkennen. Die Interessen des Verstorbenen spielen bei der Wahrung seines Andenkens eine besondere Rolle (Walter, Österreichisches Urheberrecht, Rz 1693). Der Umstand, dass sich der Vater des Klägers nach 1996 völlig aus der Öffentlichkeit zurückzog und Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht wiederholt (auch gerichtlich) entgegentrat, lässt eine Rechtfertigung für die von der Beklagten angestrebte Beschränkung seines Persönlichkeitsrechts nach seinem Tod oder jenes seiner nahen Angehörigen auf Wahrung seines Andenkens nicht erkennen.

Ebensowenig lässt sich der in der Revision vertretene Standpunkt nachvollziehen, das berufungsgerichtliche Verfahren sei mangelhaft oder die Berufungsentscheidung beruhe auf einer Aktenwidrigkeit. Die von der Revisionswerberin beanstandete berufungsgerichtliche Feststellung entspricht dem nicht substantiiert bestrittenen Vorbringen des Klägers in der Klage (AS 7, 3.1.7) und zieht daraus eine naheliegende Schlussfolgerung, welche als solche der rechtlichen Beurteilung zuzurechnen ist (vgl RIS‑Justiz RS0111996) und daher den Unmittelbarkeitsgrundsatz von vornherein nicht zu verletzen vermag.

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