OGH 4Ob21/01v

OGH4Ob21/01v13.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Kuras als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Dipl. Ing. Helmut F*****, wider die Antragsgegnerin Maria Regina F*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff EheG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Oktober 2000, GZ 44 R 480/00i-18, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. Juli 2000, GZ 3 F 212/99z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens sowie eine neuerliche Entscheidung unter Berücksichtigung des Gegenvorschlags der Antragsgegnerin auf Leistung einer Ausgleichszahlung durch den Antragsteller aufgetragen.

Text

Begründung

Die am 20. 5. 1980 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 16. 6. 1998, rechtskräftig seit 23. 10. 1998, geschieden.

Mit am 22. 10. 1999 eingelangtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse derart, dass die frühere gemeinsame Ehewohnung, ein den Parteien zu gleichen Teilen gehörendes Wohnungseigentumsobjekt, in sein alleiniges Eigentum übertragen und der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung von 130.000 S aufgetragen werde. Zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller drei Viertel des Kaufpreises dieser Wohnung mit einem Verkehrswert von 2,2 Mio S aufgebracht und sich darüber hinaus an der Rückzahlung eines Kredits der Antragsgegnerin zum Ankauf einer weiteren Wohnung (die später wieder verkauft worden sei) beteiligt habe. In die Abrechnung sei ein gemeinsames Sparbuchguthaben der Parteien von 208.512,28 S, eine um 280.000 S überhöhte Abhebung der Antragsgegnerin von diesem Sparbuch und eine Vorauszahlung des Antragstellers zur Ausgleichszahlung in Höhe von 400.000 S einzubeziehen.

Die Antragsgegnerin bestritt den Aufteilungsantrag, widersprach aber einer Übertragung ihrer Eigentumsanteile an der Ehewohnung auf den Antragsteller nicht. Die Ehewohnung sei zum Großteil aus dem gemeinsamen Sparbuch finanziert worden, das die Parteien je nach den vorhandenen Mitteln dotiert hätten. Den von ihr aufgenommenen Kredit für einen Wohnungskauf habe sie von ihrem Konto zurückgezahlt. In der Tagsatzung vom 26. 4. 2000 stellte sie den Antrag, die Gegenpartei zu einer Ausgleichszahlung von 350.000 S zu verpflichten; dieser Betrag ergäbe sich, wenn man vom halben Wert der Ehewohnung die Zahlung des Antragstellers von 400.000 S, 100.000 S infolge überhöhter Abhebung vom aufgelösten Sparbuch sowie ein Drittel des Werts der später wieder verkauften Wohnung abziehe.

Das Erstgericht übertrug die Ehewohnung in das Alleineigentum des Antragstellers, wies dessen Mehrbegehren auf Ausgleichszahlung ab und den Antrag auf Zuspruch einer Ausgleichszahlung an die Antragsgegnerin zurück. Die Aufteilung entspreche der Billigkeit. Die Antragsgegnerin habe bis 1987 den Großteil des gemeinsamen Aufwandes getragen und nicht im gleichen Ausmaß wie der Antragsteller Ersparnisse ansammeln können. Eine Ausgleichszahlung der Antragsgegnerin komme daher nicht in Betracht. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Ausgleichszahlung sei im Hinblick auf die Frist des § 95 EheG verfristet.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag der Antragsgegnerin auf Zuerkennung einer Ausgleichszahlung von 350.000 S abgewiesen wurde; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs wegen uneinheitlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Verfristung nach § 95 EheG zulässig sei. § 95 EheG normiere eine materiell-rechtliche Fallfrist, deren Versäumung zum Anspruchsverlust führe. Nach überwiegender Auffassung, der zu folgen sei, bilde ein fristgerechter Antrag auf Ausgleichszahlung den für das Gericht bindenden Rahmen seiner Entscheidung; selbst die Ausdehnung eines Begehrens auf Ausgleichszahlung sei nach Ablauf der Jahresfrist ausgeschlossen. Nicht zu folgen sei zwei vereinzelt gebliebenen - wenn auch nicht unplausiblen - Entscheidungen, wonach eine Bindung des Gerichts an die Aufteilungsvorschläge der Parteien nicht bestehe, weshalb eine Änderung dieser Vorschläge jederzeit möglich sei. Es wäre der Antragsgegnerin oblegen, ihrerseits fristgerecht einen Aufteilungsantrag - mit einem Begehren auf Ausgleichszahlung - einzubringen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht den Aufteilungsvorschlag der Antragsgegnerin zu Unrecht als verfristet beurteilt hat; das Rechtsmittel ist berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.

Die Antragsgegnerin vertritt in Anlehnung an die vom Rekursgericht abgelehnte Rechtsprechung die Ansicht, nach fristgerechter Anrufung des Außerstreitgerichts bestehe zwar eine quantitative Bindung des Gerichts an die Parteienanträge, doch blieben die Parteien auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG berechtigt, Aufteilungsvorschläge - etwa über die Höhe der Ausgleichszahlung - einzubringen. Dazu ist zu erwägen:

Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Nach herrschender Auffassung ist die Frist des § 95 EheG eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Fall-, Ausschluss- oder Präklusivfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt, ohne dass auch nur eine Naturalobligation bestehen bleibt. Diese Frist wurde vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf das Interesse an der ehesten Klärung der Vermögensverhältnisse der vormaligen Ehegatten festgesetzt, das nicht nur diese selbst, sondern auch dritte Personen an einer alsbaldigen Klarstellung der vermögensrechtlichen Verhältnisse haben. Die zeitliche Beschränkung der Geltendmachung von Ansprüchen soll an sich auch hier jene Beweisschwierigkeiten vermeiden, die sich sonst ergeben könnten, und zwingt so den Antragsteller, seinen Antrag noch zu einer Zeit geltend zu machen, in der beiden Ehegatten die zur einwandfreien Klarstellung des Sachverhalts notwendigen Beweismittel udgl in aller Regel noch zur Verfügung stehen. Möglichst rasch sollen demnach klare Verhältnisse über die Vermögenslage der vormaligen Ehegatten geschaffen werden (EvBl 2000/62 mwN).

Grundsätzlich wird nach stRsp die Aufteilungsmasse durch die bei Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG vorliegenden Parteienanträge bindend festgelegt (EvBl 2000/62 mwN; JBl 2000, 252 [Deixler-Hübner]). Ein zunächst unpräzise gestellter Aufteilungsantrag kann zwar außerhalb der Frist präzisiert werden (EFSlg 69.372; EFSlg 84.713); ein in der Frist gestellter Antrag auf Ausgleichszahlung bildet aber den für das Gericht bindenden Rahmen (EFSlg 81.750; EFSlg 84.712), eine Ausdehnung nach Ablauf der Jahresfrist ist ausgeschlossen (EFSlg 81.751). Dies gilt auch dann, wenn der Ausgleichszahlungsantrag vom Antragsgegner (als Gegenantrag) stammt (EFSlg 81.752; EvBl 2000/62; Pichler in Rummel ABGB**2 § 95 EheG Rz 2).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass zwar der Antragsteller innerhalb der Frist des § 95 EheG einen präzise umrissenen Aufteilungsantrag (Zuweisung des Hälfteeigentums der Antragsgegnerin an der Ehewohnung an ihn samt Zuspruch einer Ausgleichszahlung in bestimmter Höhe) gestellt hat, die Antragsgegnerin ihren Gegenantrag auf Verpflichtung des Antragstellers zu einer Ausgleichszahlung im Gegenzug für die alleinige Zuweisung der Ehewohnung allerdings erst nach Ablauf der Jahresfrist erstmals vorgetragen hat. Entscheidend für die Zulässigkeit dieses Gegenantrags auch noch nach Fristablauf ist allein, dass dadurch die Aufteilungsmasse nicht quantitativ (in Ansehung der der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile) erweitert wurde, sondern dass auf diese Weise nur qualitativ (in Ansehung der zu treffenden gerichtlichen Anordnungen) ein neuer Aufteilungsvorschlag in das Verfahren eingebracht worden ist.

Auf die Bedeutung dieser Unterscheidung wurde in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof schon wiederholt hingewiesen. So wurde ausgesprochen, dass das Gericht zwar quantitativ an die Parteianträge gebunden ist und nicht mehr und nichts anderes aufteilen kann, als fristgerecht zur Masse gehörig behauptet wurde (JBl 2000, 252 [Deixler-Hübner]); hingegen besteht keine Bindung des Gerichts an die Aufteilungsvorschläge der Parteien, weshalb eine Änderung solcher Vorschläge auch noch nach Ablauf der Jahresfrist möglich ist (6 Ob 189/97f). Dass im Verfahren nach §§ 81 ff EheG keine absolute Bindung in qualitativer Hinsicht an die Parteienanträge besteht, wird auch daraus deutlich, dass die Auferlegung einer Ausgleichszahlung sogar von Amts wegen erfolgen kann (Pichler aaO Rz 1; Bernat in Schwimann, ABGB**2 § 94 EheG Rz 2; EFSlg 54.641; 5 Ob 563/90). Ebenso besteht kein rechtliches Hindernis, einer Partei eine höhere Ausgleichszahlung als von ihr angeboten aufzuerlegen (8 Ob 631/88; 8 Ob 519/93; 6 Ob 189/97f).

Lässt sich die Aufteilungsmasse nicht entsprechend der Billigkeit real teilen, kann einer Partei zur Erzielung eines individuell gerechten Aufteilungsergebnisses (EFSlg 46.400) auch ohne darauf abzielenden Antrag der Gegenpartei eine Ausgleichszahlung aufgetragen werden. Umso mehr muss es dann aber den Parteien auch möglich sein, in jedem Verfahrensstadium (und damit auch noch nach Ablauf der Frist des § 95 EheG) von sich aus dem Gericht einen für billig erachteten Aufteilungsvorschlag zu unterbreiten, wonach der Gegenpartei für die Überlassung der (vom Vorschlag quantitativ nicht berührten) Aufteilungsmasse eine Ausgleichszahlung auferlegt werden möge.

Einen solchen Vorschlag hat die Antragsgegnerin in der Tagsatzung vom 26. 4. 2000 erstattet. Er wurde von den Vorinstanzen auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht bei der Entscheidung nicht berücksichtigt. Dem Erstgericht war deshalb in Wahrnehmung dieses auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhenden Verfahrensmangels aufzutragen, das Aufteilungsverfahren fortzusetzen und über die Anträge der Parteien unter Einbeziehung auch des zuletzt vorgetragenen Aufteilungsvorschlags der Antragsgegnerin (der mit den Parteien zu erörtern sein wird) neuerlich zu entscheiden.

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.

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