European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00209.19T.0128.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
J***** G***** und sein Bruder gleichen Familiennamens F***** hatten aus einer Erbschaft jeweils 35.800 EUR erlangt und legten beide das Ererbte im Jänner 2012 auf Sparbüchern der beklagten Bank an. F***** G***** eröffnete ein einziges Namens‑Kapitalsparbuch; J***** G***** eröffnete hingegen drei vinkulierte Kleinbetragssparbücher mit Losungswort, deren Konten auf „J*****“ lauteten, mit Einlagen jeweils unter 15.000 EUR.
Durch einen Fehler der Beklagten erfasste sie in ihrem EDV‑System F***** G***** nicht nur als Inhaber seines eigenen Kapitalsparbuchs, sondern fälschlich auch als Inhaber der drei tatsächlich J***** G***** gehörenden Sparbücher. Zudem ordnete die Beklagte den Kontoeröffnungsanträgen auch die jeweils falschen Ausweiskopien der Brüder zu, obwohl auf diesen die „richtigen“ Kontoinhaber jeweils mit ihrem vollen Namen leserlich unterzeichnet hatten.
Im Jänner 2016 behoben im Auftrag von J***** G***** die Erstklägerin (die Lebensgefährtin seines Sohnes) und die Zweitklägerin (seine Ehefrau) unter Verwendung des ihnen von ihm bekanntgegebenen Losungsworts die Guthaben seiner drei Sparbücher, wobei die Beklagte die Erstklägerin mit ihren Ausweisdaten registrierte.
Da der Sohn des – zwischenzeitig dementen – F***** G***** seinem Vater gehörende Sparbücher nicht auffinden konnte (das Kapitalsparbuch hatte dieser tatsächlich bereits Jahre zuvor aufgelöst), wandte er sich einige Monate später an die Beklagte, die ihm erklärte, dass die angeblich seinem Vater (tatsächlich aber dessen Bruder) gehörenden drei Sparbücher zwischenzeitig behoben worden seien.
Aufgrund einer Strafanzeige des Sohnes von F***** G***** wurde ein Strafverfahren gegen vorerst unbekannte Täter eingeleitet. Die Rechtsabteilung der Beklagten erstattete der ermittelnden Staatsanwaltschaft auf deren Begehren nach §§ 109 Z 4, 116 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StPO (auf „Bekanntgabe des Namens, der Anschrift und sonstiger vorhandener Daten betreffend jene Person, welche im Zeitraum [...] Behebungen von drei vinkulierten Kapitalsparbüchern des F***** G***** vorgenommen hat, bzw Herausgabe sämtlicher mit den Behebungen im Zusammenhang stehender Unterlagen“) die Auskunft derart, dass sie die Erstklägerin als Abheberin von den drei (nach den gleichzeitig übermittelten Auszügen aus den Kontounterlagen angeblich F***** G***** gehörenden) Sparkonten benannte.
Nachdem die Staatsanwaltschaft gegen beide Klägerinnen Strafantrag wegen §§ 146, 147 Abs 2 StGB erhoben hatte, übermittelte die Beklagte über neuerlichen, nunmehr vom Strafgericht erteilten Auftrag nach §§ 109 Z 4, 116 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StPO sämtliche Unterlagen betreffend J***** und F***** G*****, wobei sie im Übersendungsschreiben die von den Klägerinnen behobenen drei Sparkonten neuerlich fälschlich als solche des F***** G***** bezeichnete. Da sich aber aus den übermittelten Kontenunterlagen ergab, dass die Beklagte die beiden Brüder verwechselt, deren Dokumente vertauscht und die drei von den Klägerinnen behobenen Sparkonten unrichtig F***** G***** zugeordnet hatte, wurden die Klägerinnen vom gegen sie erhobenen Betrugsvorwurf – auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft – nach § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Für die Vertretung im Strafverfahren entstanden den Klägerinnen Anwaltskosten.
Die Klägerinnen begehren nunmehr aus dem Titel des Schadenersatzes diese Vertretungskosten, die nach Abzug des ihnen zuerkannten Pauschalbeitrags zu den Verteidigungskosten offen blieben. Der Schaden sei durch das schuldhaft rechtswidrige Verhalten der Beklagten entstanden. Auf den Eröffnungsanträgen der Sparbücher des J***** G***** habe die Beklagte unrichtig F***** G***** angeführt, obwohl aufgrund der leserlichen Unterschrift, dem Losungswort in gleicher Handschrift und der Bezeichnung „J*****“ eindeutig ersichtlich gewesen sei, dass es sich um Spareinlagen und ‑bücher des J***** G***** gehandelt habe. Obwohl der Beklagten dies bekannt gewesen sei, habe sie grob fahrlässig entgegen § 116 Abs 5 StPO unrichtige Bankauskünfte erteilt. Sie habe bereits in der ersten Auskunft an die Staatsanwaltschaft die Inhaberverhältnisse falsch dargestellt, was zum Strafantrag geführt habe. Den Klägerinnen gegenüber habe die Beklagte in der Folge jede Auskunft verweigert, obwohl sie gewusst habe, dass jene zu Unrecht verfolgt würden.
Die Beklagte gestand ihren Irrtum bei Eröffnung der Konten zu; sie habe aber keine unrichtigen Auskünfte erteilt. Dass die Erstklägerin die Guthaben behoben hätte, sei ebenso richtig gewesen wie die Auflistung aller seinerzeit eröffneten Sparbücher von J***** und F***** G*****. Dass Letzterer in der Auskunft an das Gericht als Inhaber der drei Sparbücher genannt worden sei, sei für die Eröffnung des Strafverfahrens nicht kausal gewesen. § 116 StPO biete keine Grundlage für einen Schadenersatzanspruch. Es bestehe keine Vertragsbeziehung zwischen den Parteien. Die Verwechslung von J***** und F***** G***** stehe nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Einleitung eines Strafverfahrens gegen die Klägerinnen; es fehle auch die Kausalität.
Das Erstgericht erkannte das Klagebegehen als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Aufgrund der fälschlichen Zuordnung habe die Beklagte bereits dem Sohn des F***** G***** unrichtige Auskünfte erteilt, die diesen zur Anzeige bewogen hätten. Die der Staatsanwaltschaft erteilte Auskunft sei ebenfalls falsch gewesen und habe zur Anklage geführt. Zwar bestehe kein Vertrag zwischen Klägerinnen und Beklagter, jedoch zwischen dieser und J***** G*****; dessen erweiterter Schutzbereich erfasse die Klägerinnen. Der Beklagten sei fahrlässiges Handeln anzulasten; der Beweis, dass sie am ihr obliegenden sorgsamen Umgang mit den Daten ihres Vertragspartners und der in seinem Auftrag handelnden Klägerinnen ohne ihr Verschulden gehindert gewesen wäre, sei ihr nicht gelungen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Zwischenurteil. Die Klägerinnen hätten zwar keine vertraglichen Schadenersatzansprüche geltend gemacht, sondern sich auf eine Verletzung des § 116 Abs 5 StPO gestützt, der eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses nach § 38 BWG sei; diese Bestimmung sei wiederum ein Schutzgesetz. Die Beklagte habe jedoch nicht gerügt, dass sich die Klägerinnen nicht darauf gestützt hätten, sodass die Verletzung des § 405 ZPO und des Dispositionsgrundsatzes dadurch, dass das Erstgericht einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerinnen bejaht habe, nicht mehr aufgegriffen werden könne. Der Spareinlagevertrag zwischen der Beklagten und J***** G***** entfalte Schutzwirkung zugunsten der Klägerinnen, was hier auch Schäden am bloßen Vermögen umfasse. Die Beklagte habe ihre Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit den Daten der Klägerinnen grob fahrlässig missachtet.
Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu den Fragen zu, ob ein Verfahrensmangel, einen nicht vorgebrachten Klagegrund einer Entscheidung zugrundegelegt zu haben, von Amts wegen aufzugreifen sei, und ob ein Spareinlagevertrag Schutzwirkung zugunsten der bevollmächtigten Beheber des Sparbuchs entfalte und dadurch auch das bloße Vermögen von Dritten geschützt werde.
Die Revision der Beklagten beantragt die Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Beklagte führt ins Treffen, sie habe nur die Daten der Erstklägerin, nicht jedoch die der Zweitklägerin offenbart. Die Klägerinnen hätten sich weder auf die Verletzung des § 38 BWG noch eines anderen Schutzgesetzes gestützt, womit das Berufungsgericht gegen § 405 ZPO verstoßen habe, weil der Sachverhalt nur im Lichte des § 116 StPO hätte beurteilt werden dürfen. Zwischen § 116 StPO und dem Schaden der Klägerinnen fehle der Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Klägerinnen gehörten auch nicht zum geschützten Personenkreis des § 38 BWG. Die Auskunftserteilung sei nicht in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung erfolgt. Das bloße Vermögen der Klägerinnen sei nicht geschützt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
1.1. Das Gericht ist an die vom Kläger vorgenommene rechtliche Qualifikation des der Klage zugrundeliegenden Sachverhalts nicht gebunden, kann aber nur über einen geltend gemachten Anspruch, also über jenen, der aus den Klagsbehauptungen abzuleiten ist, entscheiden (RS0037659). Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hierfür angegebenen Tatsachen (RS0058336 [T4]); eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (RS0037659 [T1, T5]). Der Kläger muss seinen Anspruch nicht rechtlich qualifizieren (RS0037447); es genügt vielmehr, dass er seinen aus irgendeinem Rechtsgrund ableitbaren Anspruch durch das Vorbringen von Tatsachen umschreibt (vgl RS0107229; RS0037551). Im Zweifel ist die Beschränkung auf einen von mehreren nach dem Sachvortrag in Frage kommenden Rechtsgründen nicht anzunehmen (RS0037610 [T36]). Wenn der Klage nicht unzweifelhaft entnommen werden kann, dass der Kläger eine andere rechtliche Beurteilung ausschließen wollte, kann im Rechtsmittelverfahren die rechtliche Qualifikation geändert werden, wenn dies das Tatsachenvorbringen in erster Instanz zulässt und die tatsächlichen Behauptungen keine Änderung erfahren haben (vgl RS0037610 [T12]).
1.2. Die Klägerinnen haben hier vorgebracht, dass J***** G***** die drei vinkulierten Sparbücher unter der Bezeichnung „J*****“ mit dem Losungswort „Kinder“ eröffnet sowie dass die Klägerinnen die Sparbücher in der Folge in dessen Auftrag aufgelöst und die Einlagen behoben hätten. Darüber hinaus brachten sie vor, dass die Bank bezüglich dieser Sparbücher unrichtige Auskünfte erteilt habe. Damit wurde ein ausreichendes Tatsachensubstrat für einen vertraglichen Anspruch vorgebracht, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerinnen sich auf einen Klagsgrund beschränken wollten. Eine Bindung an die rechtliche Beurteilung der Klägerinnen besteht daher nicht; Verstöße gegen § 405 ZPO liegen insofern nicht vor.
2.1. Nach § 31 Abs 3 BWG muss bei Spareinlagen, deren Guthabensstand weniger als 15.000 EUR oder EUR‑Gegenwert beträgt und die nicht auf den Namen des gemäß den Bestimmungen des FM‑GwG identifizierten Kunden lauten, der Vorbehalt gemacht werden, dass Verfügungen über die Spareinlage nur gegen Angabe eines von ihm bestimmten Losungswortes vorgenommen werden dürfen. Dieser Vorbehalt ist in der Sparurkunde und in den Aufzeichnungen des Kreditinstituts zu vermerken. Wurde der Vorbehalt durch Angabe eines Losungswortes gemacht, so hat der Vorleger der Sparurkunde bei Verfügungen das Losungswort anzugeben oder, wenn er hierzu nicht imstande ist, sein Verfügungsrecht über die Spareinlage nachzuweisen. Über eine Spareinlage, die von Todes wegen erworben worden ist, kann ohne Angabe des Losungswortes verfügt werden; dasselbe gilt für den Fall der Vorlage der Sparurkunde im Zuge einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Zwangsvollstreckung.
Unbeschadet dieses Verfügungsvorbehalts gemäß § 31 Abs 3 und unbeschadet § 5 Z 3 FM‑GwG darf das Kreditinstitut nach § 32 Abs 4 Z 1 BWG zur Auszahlung gegen Vorlage der Sparurkunde bei Spareinlagen, deren Guthabensstand weniger als 15.000 EUR oder EUR‑Gegenwert beträgt und die nicht auf den Namen des gemäß den Bestimmungen des FM‑GwG identifizierten Kunden lauten, gegen Nennung des Losungswortes an den gemäß § 6 Abs 1 Z 1 FM‑GwG identifizierten Vorleger der Sparurkunde auszahlen.
Die Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden umfasst unter anderem nach § 6 Z 1 FM‑GwG die Feststellung der Identität des Kunden und Überprüfung der Identität auf der Grundlage von Dokumenten, Daten oder Informationen, die von einer glaubwürdigen und unabhängigen Quelle stammen.
2.2. Mit § 6 Z 1 FM‑GwG wird unter anderem Art 13 der RL (EU) 2015/849 vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (Vierte Geldwäsche‑RL, ABl L 2015/141, 73) umgesetzt; diese Sorgfaltspflichten entsprechen aber im Wesentlichenden bisher geltenden Sorgfaltspflichten (ErläutRV 1335 BlgNR 25. GP 6; vgl die im Zeitpunkt der Konteneröffnung geltenden §§ 40 ff BWG idF BGBl I 2011/145).
2.3. Nach Art 13 Abs 1 Vierte Geldwäsche‑RL umfassen die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden neben der Feststellung der Identität des Kunden und Überprüfung der Kundenidentität auf der Grundlage von Dokumenten, Daten oder Informationen, die von einer glaubwürdigen und unabhängigen Quelle stammen (lit a), auch die Feststellung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers und Ergreifung angemessener Maßnahmen zur Überprüfung seiner Identität, so dass die Bank davon überzeugt ist zu wissen, wer der wirtschaftliche Eigentümer ist (lit b).
3.1. Hier war die Beklagte aus der vertraglichen Beziehung mit J***** G***** verpflichtet, die Guthaben intern der richtigen Person zuzuordnen (und in der Folge auch richtige Auskünfte darüber zu erteilen). Diese Verpflichtung ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Einlage gerade nicht nur aufgrund des Losungswortes an jede vorlegende Person zur Auszahlung gelangen kann, sondern nach § 31 Abs 3 BWG auch im Erbweg oder dann, wenn die vorlegende Person sonst ihr Verfügungsrecht nachweist. Daraus erhellt, dass sowohl materiell Berechtigte als auch die Personen, die das Sparbuch unter Nennung des Losungswortes vorlegen, gegen die Bank – nach Identifizierung ihrer Identität – einen direkten vertraglichen Anspruch auf Auszahlung haben. Schon daraus sind direkte vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten auch zugunsten der vorlegenden Personen begründet, ohne dass die Frage beantwortet werden muss, ob der Spareinlagevertrag ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wäre.
3.2. Auch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes kommt es damit ebenso wenig an wie auf die Frage, ob ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter den Schutz bloßen Vermögens umfasst.
4.1. Wer eine Vertragspflicht verletzt, haftet seinem Vertragspartner gegenüber nur insoweit für daraus entstehende Schäden, als die geschädigten Interessen in der Richtung der übernommenen Pflichten liegen. Es müssen also gerade jene Interessen verletzt werden, deren Schutz die übernommene Vertragspflicht bezweckt (RS0023150). Die vom Schutzzweck eines Vertrags umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln; anstelle der verallgemeinernden schematisierenden Betrachtung im Sinne der Adäquanztheorie tritt eine am konkreten Vertragszweck (oder Normzweck) ausgerichtete individualisierende Betrachtung (RS0017850 [insb T1]). Dabei ist insbesondere zu beachten, mit welchen Schäden allein aufgrund der Verletzung bestimmter Vertragspflichten zu rechnen ist (RS0017850 [T13]). Die bloße Schlechterfüllung führt etwa regelmäßig noch nicht zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten (
RS0017850 [T11]). Wenn der Regresspflichtige aber über die Schlechterfüllung der Hauptleistung hinaus weitere Vertragspflichten (Nebenpflichten) verletzt, und wenn diese Pflichtverletzung für einen anderen Prozess kausal ist, kann es zu einer Haftung des Regresspflichtigen für die Kosten dieses Prozesses kommen (vgl
4.2. Die hier vorliegende Vertragsverletzung durch die Beklagte liegt in der grob fehlerhaften Erfassung der Personenidentität ihres Vertragspartners. Die vertragliche Verpflichtung der richtigen Zuordnung soll erkennbar auch die Vermögensinteressen aller zur Behebung Berechtigten schützen und es soll durch die strengen Vorschriften der Identifizierung vermieden werden, dass nichtberechtigte Personen Behebungen vornehmen. Damit ist in den genannten Bestimmungen umgekehrt auch das Interesse berechtigter Personen mitumfasst, nicht einer Verfolgung wegen der legitimen Ausübung ihrer vertraglichen Rechte ausgesetzt zu werden, weil die Feststellung der Identität des Kunden und Überprüfung der Kundenidentität durch die Bank fehlerhaft war.
4.3. Hier hat die Vertragsverletzung durch die Beklagte die strafrechtliche Verfolgung ausgelöst, weil die Bank den falschen Inhaber erfasst und diesem (bzw dessen Sohn) die falschen Informationen erteilte, seine angeblichen drei Sparbücher seien nicht mehr gebunden, und später, sie seien bereits ausgezahlt, was wiederum zum Strafverfahren führte. Auch in diesem erteilte die Beklagte wiederholt die falsche Auskunft, die von den Klägerinnen behobenen Sparbücher gehörten F***** und nicht J***** G*****. Zudem ist die Beklagte der Klagsbehauptung, sie habe den Klägerinnen (denen sie wie dargelegt vertraglich verpflichtet war) in der Folge Auskünfte verweigert und nicht zur Aufklärung beigetragen, nicht konkret entgegengetreten.
4.4. Im Ergebnis ist daher das Interesse, nicht fälschlich der unberechtigten Ansichnahme von Vermögen bezichtigt zu werden, vom Schutzzweck der Identifizierungspflicht umfasst, welche die Beklagte hier gröblich verletzt hat.
5.1. Zusammengefasst haftet die Beklagte aufgrund der Verletzung ihrer vertraglichen Pflicht zur korrekten Zuordnung von bei ihr bestehenden Guthaben zu ihren Kunden und der daraus folgenden wiederholten Falschauskünfte über die materielle Berechtigung zu den Guthaben der drei Sparbücher des J***** G***** auch für Schäden, die in den Kosten der erfolgreichen Abwehr dadurch ausgelöster unberechtigter Strafverfolgung von den zur Behebung berechtigten Klägerinnen bestehen.
5.2. Soweit die Beklagte erstmals in der Revision ins Treffen führt, sie hafte keinesfalls für den Schaden der Zweitklägerin, ist sie auf die unangefochtene Feststellung zu verweisen, wonach beide Klägerinnen die Sparbücher behoben haben. Mag auch die Beklagte beim Behebungsvorgang ihren Identifizierungspflichten nach § 32 Abs 4 Z 1 BWG iVm § 6 Abs 1 Z 1 FM‑GwG nur in Ansehung der Erstklägerin nachgekommen sein, ändert dies nichts daran, dass sie ihre zuvor aufgezeigten vertraglichen Verpflichtungen beiden Klägerinnen gegenüber verletzt und daher für die daraus resultierenden Rechtsverteidigungskosten Ersatz zu leisten hat.
6. Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.
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