OGH 4Ob176/13f

OGH4Ob176/13f17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Bettina Stomper-Rosam, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Bertram Dietrich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. Juli 2013, GZ 5 R 101/13d‑10, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 25. April 2013, GZ 30 Cg 22/13g‑6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 326,94 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte in ihrer Werbung Abbildungen des Schlosses Schönbrunn und der am Schlossgelände errichteten Gloriette verwenden darf. Eigentümer des Schlosses und der dazu gehörenden Gebäude und Grundflächen ist die Republik Österreich. Im Jahr 1992 übertrug sie Erhaltung, Verwaltung und Betrieb vertraglich der klagenden Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter sie ist. Dabei räumte sie der Klägerin auch ein Fruchtgenussrecht an der Schlossliegenschaft ein. Die Klägerin wandte seither hohe Beträge für die Erhaltung des Schlosses (seit 1992 insgesamt 168 Mio EUR) und die Besucherwerbung (zuletzt jährlich 725.000 EUR) auf. Sie veranstaltet im Schlossgelände Ausstellungen, Konzerte und andere Aktivitäten und wirbt dafür. Zu diesem Zweck gibt sie auch eine eigene Zeitschrift heraus. Die Vorinstanzen nahmen nicht als erwiesen an, dass das internationale Ansehen des Schlosses Schönbrunn auf die Tätigkeit der Klägerin zurückzuführen sei.

Die Beklagte bietet eine Kreditkarte an und wirbt in einem „Newsletter“ regelmäßig für „exklusive Dienstleistungen“ ihrer Vertragspartner. Dabei verwendet sie insbesondere den Slogan „Es lebe der feine Unterschied“. Im Oktober 2012 zeigte sie in diesem Zusammenhang ein Bild des Schlosses Schönbrunn, im November 2012 ein Bild der Gloriette.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

Fotografien und Darstellungen der von der Klägerin betriebenen Kulturgüter für Werbezwecke der Beklagten, insbesondere in deren Newsletter und zur Untermauerung von deren Werbeslogans, wie etwa „Es lebe der feine Unterschied“, zu nutzen.

Sie habe in den vergangenen Jahren mehr als 168 Mio EUR in die Erhaltung des Schlosses und der Nebengebäude investiert und wende für die Werbung jährlich 725.000 EUR auf. „Im Zuge“ ihrer Tätigkeit habe die UNESCO das Schloss und die Parkanlagen 1996 zum Weltkulturerbe erklärt. Schönbrunn genieße „damit“ ein internationales Ansehen und stehe für besondere Exklusivität. Die Beklagte ziele mit ihrer Werbung darauf ab, dass Gütevorstellungen, die der Verkehr „hinsichtlich des Kulturguts der klagenden Partei“ habe, auf die eigenen Produkte und Dienstleistungen übertragen würden. Die Klägerin habe sich mit erheblichen Kosten und Mühen einen international anerkannten Ruf für hochqualifizierte Dienstleistungen erworben. An „diesen“ guten Ruf der Klägerin hänge sich die Beklagte an und beute ihn aus. Auch Kulturgüter seien als Waren und Leistungen zu verstehen, deren Ruf und Ansehen rechtswidrig ausgebeutet werden könnten. Träger des Rufs einer Ware oder Leistung sei das dahinter stehende Unternehmen, das nicht namentlich bekannt sein müsse. Die Beklagte versuche, diesen Ruf in schmarotzerischer Weise auf ihre eigenen Produkte zu übertragen. Dies sei „sittenwidrig“ iSv § 1 UWG. Es handle sich dabei um eine Rufausbeutung. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Ad-hoc‑Wettbewerbsverhältnis.

Die Beklagte wendet ein, dass sich die Leistungen der Klägerin auf Renovierungsarbeiten und das Abhalten von Veranstaltungen beschränkt hätten. Die beanstandeten Newsletter zeigten nicht die Leistungen der Klägerin, sondern das Schloss und die Gloriette. Deren Ruf und Ansehen habe die Klägerin nicht begründet. Die beteiligten Verkehrskreise brächten das Schloss nicht mit der Klägerin in Verbindung, sondern allenfalls mit den Erbauern. Deren Rechte seien jedoch längst erloschen. Zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Zudem gehe das Sicherungsbegehren zu weit. Es erfasse auch Kulturgüter, an denen die Klägerin keine Restaurierungsarbeiten vorgenommen habe und in denen sie keine Veranstaltungen abhalte; weiters beziehe es sich auch auf Abbildungen aus der Zeit vor der Tätigkeit der Klägerin, etwa auf historische Aquarelle und Grafiken.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Zwar bestehe zwischen den Parteien ein Ad-hoc-Wettbewerbsverhältnis. Für den Ruf des Schlosses und der Gloriette seien aber nicht die Aktivitäten der Klägerin bestimmend. Dass das Schloss in den angesprochenen Kreisen Wertschätzung genieße, sei auf die Erbauer zurückzuführen, nicht auf die Tätigkeit der Klägerin. Die Werbung der Beklagten zeige ausschließlich Bilder der Gebäude und stelle keinen Bezug zu kulturellen oder sonstigen Aktivitäten der Klägerin her. Selbst wenn diese Aktivitäten (zB Konzerte) eine gewisse Bekanntheit hätten, sei auszuschließen, dass das Schloss erst dadurch seinen Ruf erlangt hätte.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das der Klägerin eingeräumte Fruchtgenussrecht berechtige sie nur zur Nutzung der fremden Sache; die Republik als Eigentümer bleibe aber Sachbesitzer und könne weiterhin über die Sache „verfügen“. So stünden Ansprüche aus der Beschädigung eines Mietobjekts trotz eines Fruchtgenussrechts dem Eigentümer zu. Träger des guten Rufs sei daher die Eigentümerin. Die der Klägerin eingeräumten Rechte erfassten nicht „Verfügungen über die fremde Sache, insbesondere über den Ruf und das Ansehen des Schlosses Schönbrunn und der Gloriette und deren Verletzung“. „Eine 'Beschädigung' der Kulturgüter in diesem Sinn“ sei von der Republik geltend zu machen. Die Klägerin stütze ihr Begehren nicht darauf, dass sich die Beklagte an ihren guten Ruf in Bezug auf die von ihre Aktivitäten (Renovierungs- und Erhaltungsarbeiten, kulturelle Veranstaltungen) anhänge. Aus diesem Grund könne sie aus dem Umstand, dass sie in den vergangenen Jahren namhafte Beträge in die Renovierung investiert habe, nichts gewinnen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Rufausbeutung bei bekannten Gebäuden nur der Eigentümer oder auch der Fruchtgenussberechtigte geltend machen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung bedarf, er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Klägerin wendet sich gegen die Nutzung von Abbildungen der von ihr verwalteten Gebäude. Ihr ist offenkundig bewusst, dass sie dagegen weder auf sachenrechtlicher noch auf urheber- oder kennzeichenrechtlicher Grundlage vorgehen kann: Das Eigentum gibt kein Recht auf ausschließliche ‑ auch kommerzielle ‑ Nutzung von Ab- oder Nachbildungen der Sache (4 Ob 97/88 = SZ 61/220 = MR 1989, 23 [Walter] - Riegersburg; 4 Ob 82/95 = ÖBl 1996, 139 - Spanische Reitschule; RIS-Justiz RS0010390), umso weniger daher ein Fruchtgenuss. Daran scheitert auch ein Anspruch nach § 1041 ABGB (4 Ob 97/88 ‑ Riegersburg). Urheberrechtliche Ansprüche sind auch bei noch nicht abgelaufener Schutzdauer ‑ was etwa bei farblicher oder baulicher Umgestaltung einzelner Gebäudeteile denkbar wäre ‑ wegen der freien Werknutzung nach § 54 Abs 1 Z 5 UrhG ausgeschlossen. Kennzeichenrechtlichen Schutz (vgl 17 Ob 7/11w = ÖBl 2011, 129 - Spanische Reitschule II) behauptet die Klägerin nicht. Daher bleibt ihr tatsächlich nur der Rückgriff auf die lauterkeitsrechtliche Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 1 UWG.

2. Die Klägerin stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Ausbeutung der Wertschätzung, den das von ihr verwaltete Schloss Schönbrunn in der Öffentlichkeit genieße. In diesem Punkt trägt die Begründung des Rekursgerichts auf keinen Fall: Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin wird nur sie, nicht aber die Republik Österreich bei Erhaltung und Betrieb des Schlosses Schönbrunn unternehmerisch tätig. Ein lauterkeitsrechtlich relevanter Ruf könnte daher - wenn überhaupt - nur ihr zuzurechnen sein. Sachenrechtliche Kategorien wie Eigentum oder Fruchtgenuss sind in diesem Zusammenhang unerheblich.

3. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht im konkreten Fall dennoch nicht.

3.1. Lauterkeitsrechtlicher Schutz gegen Rufausbeutung wird gewährt, wenn sich der Verletzer an Ruf und Ansehen einer fremden Ware (Leistung) anhängt und diese für den Absatz seiner Ware auszunutzen versucht (4 Ob 305/98a = ÖBl 1999, 191 - Red Puma; RIS-Justiz RS0108025). Zur objektiven Rufausbeutung muss dabei etwas Anstößiges hinzutreten, Anhaltspunkte dafür bilden etwa die Verwendung identischer Zeichen und die - meist naheliegende, wenn nicht konkret widerlegte - Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen (4 Ob 36/04d = ÖBl 2004, 217 [Gamerith] - Firn; RIS-Justiz RS0118990; zuletzt etwa 4 Ob 212/11x = ÖBl 2013, 12 ‑ Trikot der Nationalmannschaft). Mittelbar dient dieser Schutz - wie auch jener der bekannten Marke - dem Schutz der Investitionen, die für den Aufbau dieses Rufes erforderlich waren (Wiebe in G. Kodek/Wiebe, UWG2 § 1 Rz 624; 4 Ob 212/11x ‑ Trikot der Nationalmannschaft mwN).

3.2. Voraussetzung für den Schutz ist jedoch, dass der Verkehr den angeblich ausgenutzten Ruf einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Das trifft zwar (mittelbar) auch dann zu, wenn sich die Wertschätzung auf Waren, Dienstleistungen oder Unternehmenskennzeichen bezieht, die der Verkehr mit einem bestimmten ‑ wenngleich nicht unbedingt namentlich bekannten - Unternehmen in Verbindung bringt. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn weder haben die strittigen Abbildungen eine auf ein Unternehmen hinweisende Kennzeichnungsfunktion, noch verstehen die angesprochenen Kreise die abgebildeten Gebäude als Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens. Vielmehr bezieht sich die Wertschätzung der Öffentlichkeit auf die Bauwerke als solche, die (trotz ihrer kommerziellen Nutzung durch die Beklagte) nicht als Wirtschaftsgüter, sondern als historische Monumente verstanden werden. Diese Wertschätzung ist, abgesehen von der architektonischen Bedeutung, vor allem auf die historischen Assoziationen zurückzuführen, die die Bauwerke hervorrufen. Die Klägerin macht sich diese Wertschätzung zwar zunutze, indem sie daraus Erträge erwirtschaftet; es ist aber dennoch keine Wertschätzung die, wenn auch nur mittelbar, ihrem Unternehmen entgegengebracht würde. Die Beklagte hängt sich daher nicht an einen vom Verkehr (auf welche Weise immer) der Klägerin zugeordneten Ruf an, sondern letztlich an die österreichische Geschichte und die dadurch hervorgerufenen - hier offenbar positiven - Emotionen. Diese Geschichte genießt aber, wie schon das Erstgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, keinen lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz.

3.3. An diesem Ergebnis kann auch der Umstand nichts ändern, dass die Klägerin seit 1992 hohe Beträge in die Erhaltung des Schlosses und die Werbung investiert hat. Das könnte zwar allenfalls dann relevant sein, wenn der von der Beklagten genutzte Werbewert des Schlosses allein oder doch überwiegend auf diese Investitionen zurückzuführen wäre. Denn in diesem Fall könnte erwogen werden, einen lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz auch dann zu gewähren, wenn die diesem Werbewert zugrunde liegende Wertschätzung ‑ wie hier ‑ vom Verkehr nicht einem bestimmten Unternehmen (hier jenem der Klägerin) zugeordnet wird. Denn es könnte als unlauter angesehen werden, sich in der eigenen Werbung die Wertschätzung für ein Gebäude zunutze zu machen, die ein anderes Unternehmen mit eigenen Mitteln und für eigene Zwecke geschaffen hat. Allerdings ist im konkreten Fall nicht zu erkennen, dass gerade die Aufwendungen der Klägerin eine solche Wirkung gehabt hätten. Vielmehr ist die dem Schloss Schönbrunn entgegenbrachte Wertschätzung auch objektiv mit dessen historisch und architektonisch herausragender Stellung, also nicht mit der Nutzung als Wirtschaftsgut, verbunden. Die während der Verwaltung durch die Klägerin erwirkte Erklärung zum „Weltkulturerbe“ dokumentiert diese Wertschätzung, ist aber nicht deren Grund. Die Aufwendungen der Klägerin mögen dazu beigetragen haben, dass die seit jeher bestehende Wertschätzung erhalten geblieben ist. Sie hat aber nicht nachgewiesen, dass diese Wertschätzung nun zumindest überwiegend auf ihre Maßnahmen zurückzuführen ist. Damit besteht auch auf dieser Grundlage kein lauterkeitsrechtlicher Leistungsschutz. Auf einen eigenen guten Ruf als Erbringerin von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Schloss Schönbrunn, auf den sich die Klägerin in der Klage gestützt hatte (die gegenteiligen Ausführungen des Rekursgerichts sind aktenwidrig), kommt der Revisionsrekurs zurecht nicht zurück, weil jede Feststellung fehlt, dass die Klägerin bei den angesprochenen Kreisen über einen solchen Ruf verfügt.

4. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Klägerin scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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