Spruch:
Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der als freischaffender Fotograf im Bereich künstlerischer Portrait- und Modefotografie tätige Kläger stellte im Auftrag der Beklagten für deren Printmedium mit einem bekannten österreichischen Model eine Mode-Fotostrecke zum Thema „Frühjahrskleider für verschiedene Anlässe" unter der ihm zugesagten Bedingung her, dass ihm die Auswahl der Fotos sowie die Art und Weise der Veröffentlichung überlassen bleibe. Entgegen dieser Vereinbarung veröffentlichte die Beklagte eine Version der Fotostrecke, deren Layout nicht den Vorgaben des Klägers entsprach (Veröffentlichung auf nur fünf statt sechs Seiten; Änderung der Reihenfolge der Fotos; Änderung der Bildausschnitte und des Formats bei mehreren Fotos; infolge ungerader Seitenzahl Abdruck der fünften Seite gegenüber einer bezahlten Anzeige für ein ballaststoffreiches, verdauungsförderndes Joghurt). Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts bestätigt, mit dem a) der Beklagten verboten wurde, Fotos des Klägers, insbesondere eine näher bezeichnete Fotostrecke, ohne seine Erlaubnis und in anderer Art und Weise zu veröffentlichen, als dies mit ihm vereinbart ist, oder seine Fotos in einer Weise zu veröffentlichen, die in dessen künstlerische Gestaltung eingreift, wenn dies nicht mit ihm vereinbart ist, und mit dem b) ein auf § 87 Abs 2 UrhG gestützter Schadenersatzanspruch von 2.500 EUR sA abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Revision der Beklagten
1. Die Beklagte macht geltend, die vom Kläger zusammengestellten Lichtbilder („Fotostrecke") seien als bloße Aneinanderreihung mehrerer Fotografien kein urheberrechtlich geschütztes Werk; die Serie von Modefotos weise keine individuellen Züge auf und sei insbesondere keine „Fotostory" mit durchgehender Handlung, die eine „abgeschlossene Geschichte" erzähle.
2.1. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nur eine individuell eigenartige Leistung, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt, urheberrechtlich geschützt ist. Die Schöpfung muss zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt haben. Beim Werkschaffenden müssen persönliche Züge - insbesondere durch die visuelle Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung - zur Geltung kommen. Dem Allerweltserzeugnis, der rein handwerklichen Leistung, die jedermann mit durchschnittlichen Fähigkeiten ebenso zustande bringen würde, fehlt die erforderliche Individualität (Nachweise bei Kucsko in Kucsko, urheber.recht 89 f; RIS-Justiz RS0076397, RS0076841 [T12]; RS0076435, RS0076367, RS0076913).
2.2. Im Zusammenhang mit dem europäischen Werkbegriff hat der Senat bereits wiederholt ausgesprochen, dass es keines besonderen Maßes an Originalität bedarf. Es genügt, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Werk und Schöpfer insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit aufgrund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel zum Ausdruck kommt und eine Unterscheidbarkeit bewirkt (4 Ob 179/01d = ÖBl 2003, 39 - Eurobike; 4 Ob 274/02a = MR 2003, 162 - Felsritzbild; 4 Ob 103/07m). Diese Rechtsprechung hat im Schrifttum Zustimmung gefunden (M. Walter, Österreichisches Urheberrecht I Rz 131 mwN in FN 380).
3.1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts liege der Gestaltung der Fotostrecke ein individuelles gedankliches Konzept zu Grunde, das die Persönlichkeit des Klägers im Titel („R*****s [Nachname des Models] neue Kleider"), in der Auswahl der gezeigten Kleider, den vom Model eingenommenen Posen, der Reihenfolge der Fotos sowie der Verwendung eines Stuhls als verbindendes Element zum Ausdruck bringe; es handle sich um ein Gesamtwerk iSd § 1 UrhG. Diese Beurteilung wendet die Grundsätze der zuvor referierten Rechtsprechung auf den Einzelfall an, ohne den Rahmen des dem Berufungsgericht in dieser Frage offen stehenden Beurteilungsspielraums zu überschreiten.
3.3. Die Gestaltung der Fotostrecke ist keine bloß zufällige Aneinanderreihung mehrerer Fotografien, sondern sie ist auch insoweit das Ergebnis einer eigenen geistigen Schöpfung des Klägers, in der dessen ganz persönliche Wahl der Gestaltungselemente zum Ausdruck kommt. Dass andere Fotografen möglicherweise zu einem sehr ähnlichen Ergebnis gelangt wären, steht dem Werkcharakter der Fotostrecke des Klägers noch nicht entgegen, weil ein bestimmtes Mindestmaß an Individualität hiefür nicht erforderlich ist (4 Ob 179/01d = ÖBl 2003, 39 - Eurobike).
II. Zur Revision des Klägers
1. Der Kläger bekämpft die Abweisung seines auf § 87 Abs 2 UrhG gestützten Schadenersatzbegehrens in Höhe von 2.500 EUR.
2. Die Frage der Zulässigkeit der Revision ist im Fall der Geltendmachung mehrerer Ansprüche in einer Klage nach § 55 Abs 1 JN zu lösen (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 149). Nach § 55 Abs 1 Z 1 JN sind mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhobene Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen; dies ist bei mehreren aus einem einheitlichen Urheberrechtsverstoß abgeleiteten Ansprüchen der Fall (4 Ob 7/88 = SZ 61/83; RIS-Justiz RS0046469; Gitschthaler in Fasching² I § 55 JN Rz 20 mN aus der Rsp). Das Berufungsgericht hat den Entscheidungsgegenstand unter Einschluss des Unterlassungsbegehrens, über das es zugleich mit dem Schadenersatzbegehren entschied, mit mehr als 20.000 EUR bewertet; die außerordentliche Revision des Klägers ist daher nicht jedenfalls unzulässig.
3. Der Kläger wirft dem Berufungsgericht vor, es verlange entgegen Wortlaut, Telos und gewichtigen Teilen des Schrifttums den Nachweis eines „besonderen Ärgers" als Anspruchsvoraussetzung für Schadenersatz gemäß § 87 Abs 2 UrhG, obwohl es um die Verletzung von Urheberpersönlichkeitsrechten gehe, die regelmäßig mit immateriellen Nachteilen verbunden sei. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nach den maßgeblichen Kriterien dieser Norm (Grad des Verschuldens; Intensität, Umfang und Dauer der Verletzung; Anlass und Beweggrund des Verletzers; Folgen des Eingriffs für den Urheber; künstlerischer Rang des Verletzten) berechtigt sei; es sei von Grundsätzen der Entscheidungen 4 Ob 101/93 und 4 Ob 55/94 abgewichen.
4.1. § 87 Abs 2 UrhG gibt dem Verletzten bei rechtswidrigen und schuldhaften Verstößen gegen das UrhG einen Anspruch auf Entschädigung für die in keinem Vermögensschaden bestehenden Nachteile. Die Bestimmung betrifft somit immaterielle Schäden; Schutzgegenstand ist in erster Linie die ideelle Beziehung, das „geistige Band" des Urhebers zu seinem Werk (Guggenbichler in Kucsko aaO 1248).
4.2. Nach der Rechtsprechung muss nicht jede Beeinträchtigung der Persönlichkeit im weitesten Sinn auch objektiv mit einer ganz erheblichen Kränkung verbunden sein. Aus den vergleichbaren Bestimmungen des § 16 Abs 2 UWG, des § 53 Abs 4 MSchG und des § 150 Abs 4 PatG, wo maßgebende Einschränkungen schon im Gesetzestext berücksichtigt sind, leitet der Senat in ständiger Rechtsprechung ab, dass ideeller Schaden nur zu ersetzen ist, „soweit dies in den besonderen Umständen des Falles begründet ist"; dies bedeutet, dass die Beeinträchtigung den mit jeder Urheberrechtsverletzung verbundenen Ärger des Urhebers übersteigen und es sich um eine ganz empfindliche, erhebliche und schwerwiegende Kränkung handeln muss (RIS-Justiz RS0077369; RS0078172; Nachweise auch bei Guggenbichler aaO 1249 in FN 32). Die einen immateriellen Schaden begründenden besonderen Umstände können auch in der Verletzungshandlung selbst, somit in der Art und Intensität des Eingriffs gelegen sein. Greift der Verletzer mehrfach und in besonders gravierender Weise in die Rechte des Urhebers ein, so steht dem Verletzten ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens schon deshalb zu, weil dann die besonderen Umstände der Verletzungshandlungen in aller Regel auch
eine höhere Verärgerung auslösen (RIS-Justiz RS0110101 = 4 Ob 63/98p
= SZ 71/92 = JBl 1998, 793 [Mahr] - Rauchfänge).
Mit der im Schrifttum an dieser Auffassung geübten Kritik hat sich der Senat ausführlich auseinandergesetzt, an seinem Standpunkt jedoch festgehalten (4 Ob 63/98p - Rauchfänge). Davon abzugehen bieten auch die Ausführungen im Rechtsmittel keinen Anlass.
4.3. Ob die Voraussetzungen für den Zuspruch immateriellen Schadenersatzes nach § 87 Abs 2 UrhG vorliegen, richtet sich regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls und bildet - abgesehen vom hier nicht gegebenen Fall einer gravierenden Fehlbeurteilung durch das Gericht zweiter Instanz - keine erhebliche Rechtsfrage. Auch im Fall der im Rechtsmittel angesprochenen Entscheidung 4 Ob 101/93 = SZ 66/122 = ÖBl 1993, 279 - WIN wurde ein auf § 87 Abs 2 UrhG gestützter Anspruch trotz Urheberrechtsverletzungen in 25 Ausgaben einer Tageszeitung wegen bestimmter Umstände dieses Falls als nicht berechtigt erkannt. Die Entscheidung 4 Ob 55/94 = MR 1995, 22 (Walter) - Cosy II ist insofern nicht einschlägig, als dort ein durch besondere, hier nicht vorliegende Umstände qualifizierter Vertrauensbruch vorlag (Verwendung von Lichtbildern in einem Werbesprospekt, die im Zuge von Vertragsverhandlungen übergeben worden waren, obwohl ein Vertragsabschluss in der Folge unterblieb).
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