OGH 4Ob167/15k

OGH4Ob167/15k27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing.(FH) G***** J*****, vertreten durch Beck Krist Bubits & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 36.380,40 EUR sA und Feststellung (Streitwert 17.291,65 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2015, GZ 1 R 30/15m‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00167.15K.0127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Das Anerkenntnis ist ein Feststellungsver-trag, in dem eine Partei durch einseitiges Nachgeben das von ihr bezweifelte Recht in vollem Umfang zugesteht (RIS‑Justiz RS0032818; RS0032406; RS0032896 [T5]). Das Anerkenntnis ist ein selbständiger Verpflichtungsgrund, wenn der Anerkennende das Recht vorher bestritten oder doch ernsthaft bezweifelt hat (RIS‑Justiz RS0032541; RS0032792 [T3]; RS0033001 [T3]; RS0032496 [T8]; RS0111900). Durch konstitutives Anerkenntnis wird die anerkannte Forderung begründet, auch wenn sie bisher nicht bestanden hat. Der Anerkennende kann sein Anerkenntnis allenfalls wegen eines Irrtums anfechten, er kann aber nicht den Nachweis führen, dass die anerkannte Forderung nicht zu Recht bestehe (RIS‑Justiz RS0032319). Ob ein konstitutives Anerkenntnis (oder nur ein deklaratorisches Anerkenntnis) vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RIS-Justiz RS0017965; RS0032666).

1.2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Die Frage der Vertretbarkeit einer anderen Auslegung hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042936 [T2, T3]; RS0042776 [T2, T4]).

2.1. Die beklagte Bank macht geltend, der Kläger (ihr Kreditnehmer) habe der Fälligstellung seiner Kreditschuld durch sie vorbehaltlos zugestimmt, sodass er nun keine Ansprüche wegen der zu Unrecht erfolgten Fälligstellung erheben könne.

2.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht (erkennbar) nicht von einem Anerkenntnis des Klägers hinsichtlich der Fälligstellung der Kreditforderung seitens der Beklagten ausgegangen ist. Die schriftlichen Formulierungen des Klägers: „ Wie unten angeführt erkenne ich die Rückzahlungsvorschläge per von Ihnen im Schreiben vom 15. 12. 2011 angeführtem Datum an “ sowie „ Bis zur Klärung dieser Punkte stimme ich dem Einzug der genannten Beträge … zu “ hat das Berufungsgericht nämlich bloß als konstitutives Anerkenntnis der offenen Saldi, jedoch nicht als konstitutives Anerkenntnis des Klägers bezüglich der Berechtigung der Fälligstellung der Kreditforderung qualifiziert. Diese Auslegung ist sowohl vom Wortlaut der Erklärung als auch vom Gesamtzusammenhang her vertretbar.

2.3. Ob zum Zeitpunkt der zitierten Erklärung ein Streit über die Berechtigung der Fälligstellung bestand, kann daher dahingestellt bleiben.

3. Soweit die Beklagte vertritt, sie habe kein kausales und rechtswidriges Verhalten gesetzt, zumal die Umschuldung eine freie Willensentscheidung des Klägers gewesen sei, übersieht sie, dass die Umschuldung und die damit verbundenen Kosten Folgen ihrer unberechtigten Fälligstellung waren, diese Kosten somit von der Beklagten adäquat verursacht wurden.

4.1. Vertretbar hat das Berufungsgericht auch eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Klägers verneint, welche die Beklagte darin sieht, dass der Kläger seine Rückzahlungspflicht nicht bestritten und seinen Standpunkt in einem Prozess (als Beklagter) vertreten habe:

4.2. Der Geschädigte verletzt seine Schadensminderungspflicht nur dann, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden und geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern. Was zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Es kommt dabei wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Welche Maßnahmen der Geschädigte treffen muss, ist regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und stellt daher, soweit keine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0022681 [T4, T7]; RS0027787 [T1, T12, T18]).

4.3. Im vorliegenden Fall hätte dem Kläger die Fortsetzung des Kreditvertrags mit der Beklagten bei Bestreitung ihrer Berechtigung zur Fälligstellung des Kredits nicht nur ihre Klage, sondern auch die (dem Kläger mehrfach angedrohte) Aufnahme in die Warnliste der österreichischen Kreditinstitute eingebracht. Wenn ihm dies das Berufungsgericht „nicht ernsthaft zumutet“, liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

5. Dem Einwand der Beklagten, es könne erst mit Ablauf des Kreditvertrags beurteilt werden, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstehe, ist entgegenzuhalten, dass es sich beim gegenständlichen Zahlungsbegehren, soweit ihm vom Berufungsgericht stattgegeben wurde, nur um Nebengebühren der Kreditgewährung handelt, die bei der Umschuldung jedenfalls angefallen wären. Der diesbezügliche Zuspruch ist daher nicht zu beanstanden.

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