European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00158.21W.1216.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten deren mit 1.205,96 EUR (darin 200,99 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Am Friedhof der erstbeklagten Pfarre (die in der zweitbeklagten Diözese liegt) befindet sich ein Grabmal, dessen Nutzungsberechtigte die im Jahr 2003 verstorbene Mutter des Klägers war. Die letzte Bestattung in diesem Grab fand 1966 statt. Die Grabgebühr wurde von der Mutter des Klägers im Voraus bis 2004 bezahlt. Nach ihrem Tod besuchte der Kläger das Grab zweimal jährlich, er nahm aber keinerlei Kontakt zu den Beklagten auf, um anzuzeigen, dass ein Interesse an der Übernahme des Grabrechts bestehe oder dass er die Rechtsnachfolge nach seiner Mutter antreten wolle. Nachdem für das Grabmal seit 2004 keine Grabgebühr entrichtet sowie der desolate Zustand des Grabmals festgestellt wurde, veranlasste die Erstbeklagte im Jahr 2018 die Räumung des Grabes.
[2] Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, das entfernte Grabmal neu zu errichten und ein funktionsfähiges Grab gemäß dem Stand der Technik herzustellen. Die Beklagten hätten es unterlassen, gemäß der Friedhofsordnung das Entfernungsbegehren durch Anschlag kundzumachen. Das Grabrecht sei auch nicht ausgelaufen, sondern der Kläger sei als Alleinerbe und Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung seiner Mutter eingetreten.
[3] Die Beklagten wendeten ein, der Kläger hätte nach der Friedhofsordnung die Nachfolge des Grabrechts binnen zwei Monaten nach dem Tod seiner Mutter anzeigen müssen. Überdies habe er auch keine Grabgebühr entrichtet, sodass kein Bestandverhältnis vorliege. Die Erstbeklagte habe keine Nachforschungspflicht betreffend eine allfällige Rechtsnachfolge getroffen. Im Übrigen sei das Grab desolat gewesen und habe seine durchschnittliche Nutzungsdauer deutlich überschritten. Die Zweitbeklagte wendete überdies ihre mangelnde Passivlegitimation ein, weil sie weder Eigentümerin des Friedhofs noch Partei der Friedhofsordnung sei.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Grabberechtigung sei ein privatrechtliches Verhältnis, dem die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Friedhofsordnung zugrunde liege. Gemäß dieser komme es ohne Geltendmachung der Grabberechtigung zu keiner Übertragung des Nutzungsrechts. Die Friedhofsverwaltung (Erstbeklagte) habe zwar den in der Friedhofsordnung vorgesehenen Anschlag des Erlöschens der Grabberechtigung unterlassen, dies sei aber nicht kausal, weil der Kläger aufgrund seiner spärlichen Besuche von der Auflösung des Grabes keine Kenntnis erlangt hätte.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ nachträglich die Revision ua zur Frage der Wirksamkeit eines Änderungsvorbehalts in der Friedhofsordnung zu. Die Mutter des Klägers sei 1966 in die Grabrechte für das streitgegenständliche Grabmal eingetreten. Damals sei die Friedhofsordnung aus 1962 in Geltung gewesen. Diese spreche dem Berechtigten ein Benützungsrecht „nach Maßgabe der jeweiligen Friedhofsordnung“ zu. Zum Zeitpunkt der Entfernung des Grabmals im Jahr 2018 sei daher die damals gültige Friedhofsordnung von 2014 zur Anwendung gekommen. Diese sehe vor, dass das Grabrecht innerhalb von zwei Monaten nach dem Tod des Grabberechtigten durch die möglichen Nachfolger in schriftlicher Form bei der Friedhofsverwaltung geltend gemacht werden müsse. Der Kläger sei jedoch nicht in diesem Sinne tätig geworden. Mangels Grabberechtigung könne er daher keine Ansprüche aus allfälligen Verstößen der Beklagten gegen die Friedhofsordnung geltend machen. Das Eigentum an Grabdenkmälern gehe nach der Friedhofsordnung bei Erlöschen des Grabrechts entschädigungslos in das Eigentum der Friedhofsverwaltung über.
[6] Mit seiner Revision macht der Kläger als erhebliche Rechtsfragen im Wesentlichen geltend, die Friedhofsordnung sei mangels Vereinbarung bzw mangels entsprechender Kundmachung nicht gültig. Zudem seien die Klauseln betreffend das Erlöschen des Grabrechts und die Entfernung des Grabmals ohne Mahnung nach § 879 ABGB sittenwidrig und unwirksam und widersprächen zudem dem KSchG.
Rechtliche Beurteilung
[7] Damit zeigt der Kläger jedoch keine im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen auf. Die Revision ist daher, ungeachtet des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, als unzulässig zurückzuweisen.
[8] 1. Soweit der Revisionswerber die Geltung der Friedhofsordnung 2014 grundsätzlich in Frage stellt, weil diese nicht ordnungsgemäß zur Einsicht ausgehängt gewesen sei, verstößt er gegen das Neuerungsverbot. Er selbst hat in erster Instanz seinen Anspruch mehrfach mit behaupteten Verstößen der Beklagten gegen ebendiese Fassung der Friedhofsordnung begründet. In diesem Zusammenhang kann auch der gerügte Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 182a ZPO nicht erkannt werden, der darin gelegen sein soll, dass mit dem Kläger die Frage der anwendbaren Fassung der Friedhofsordnung und deren Qualifikation als Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht erörtert worden sei. Der Erörterungspflicht unterliegen rechtliche Aspekte, welche von den Parteien erkennbar übersehen wurden (RS0120056). Hier hat aber der Kläger bereits in erster Instanz ausdrücklich vertreten, dass es sich bei der Friedhofsordnung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handle. Wie der Kläger durch die entsprechende Ansicht des Berufungsgerichts überrascht worden sein soll, ist demnach nicht nachvollziehbar.
[9] 2.1. Die sowohl in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts als auch im Rechtsmittel zentral aufgeworfene Frage, ob sich der allfällige Eintritt des Klägers nach der Friedhofsordnung 2014 zu richten habe und ob die bis dahin erfolgten Änderungen den Kläger zu binden vermögen, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen, weil die Entscheidung davon nicht abhängt (vgl RS0080388 [T3]).
[10] 2.2. Zunächst ist klarzustellen, dass Benützungsrechte an Grabstätten nicht in den Nachlass des Verstorbenen fallen, sondern darüber vorrangig die Friedhofsordnungen entscheiden (RS0009735).
[11] 2.3. Die zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung des Grabnutzungsrechts durch die Mutter des Klägers in Geltung stehende Fassung der Friedhofsordnung aus dem Jahr 1995 (und nur diese könnte sonst maßgeblich sein; vgl 1 Ob 289/99b) sah vor, dass der Anspruch eines eintrittsberechtigten Angehörigen binnen sechs Monaten geltend gemacht werden muss. Somit sahen beide Fassungen der Friedhofsordnung eine ausdrückliche Geltendmachung des Grabrechts als Voraussetzung für die Übertragung von Nutzungsrechten vor. Der Kläger ist aber diesbezüglich über nahezu 18 Jahre untätig geblieben, sodass es nicht darauf ankommt, welche Fassung der Friedhofsordnung auf einen allfälligen Eintritt des Klägers anzuwenden wäre. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, der die Verneinung der Aktivlegitimation des Klägers zugrunde liegt, bedarf daher keiner Korrektur.
[12] 3. Einen Verstoß der Friedhofsordnungen gegen § 879 Abs 3 ABGB hat das Berufungsgericht schon deshalb vertretbar verneint, weil auch Landesgesetze ganz ähnliche Regelungen vorsehen (zB § 28 Abs 2 NÖ BestattungsG).
[13] 4. Dem Vorbringen des Revisionswerbers zum Verstoß gegen das KSchG fehlt – entgegen der ihn diesbezüglich treffenden Behauptungslast (vgl RS0065264) – die Darlegung, weshalb die beklagte Pfarre und Diözese bei Abschluss von Grabnutzungsverträgen unternehmerisch tätig sein sollten. Eine nähere Prüfung erübrigt sich daher.
[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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