OGH 4Ob156/21a

OGH4Ob156/21a25.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, Dr. Kodek, MMag. Matzka sowie Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* GmbH, *, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. Z* GmbH, 2. K* G*, 3. H* L*, alle vertreten durch Dr. Franz Orou, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 43.200 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. August 2021, GZ 2 R 125/21f‑13, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Juli 2021, GZ 69 Cg 54/21x‑4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00156.21A.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig und die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin vertreibt (insbesondere über ihren online‑Shop und über Amazon) Produkte aus Zirbenholz, insbesondere Zirbenwürfel, Wasserkaraffen, Äpfel und Birnen sowie Kugeln aus Zirbenholz. Die Erstbeklagte bot in der Vergangenheit ebenfalls derartige Waren aus Zirbenholz insbesondere über Amazon und über ein Händler‑Vertriebsnetz zum Verkauf an. Die Zweitbeklagte ist seit 4. 5. 2021 Geschäftsführerin der Erstbeklagten, der Drittbeklagte war es zuvor.

[2] Die Erstbeklagte und ihre Händler bewarben Produkte der Erstbeklagten mit folgendem Logo:

 

 

[3] Inhaberin dieses Logos bzw dieser Marke ist ein Unternehmen des Landes Tirol. Dieses schloss im Jahr 2013 mit der Erstbeklagten bzw deren Rechtsvorgängerin einen Lizenzvertrag für die Verwendung des Logos. Die Lizenz lief jedoch 2019 aus. Die Erstbeklagte verwendete das Logo auch weiterhin für zahlreiche Produkte sowohl online bei den entsprechenden Produktbildern als auch auf den Verpackungen, die im Handel erhältlich sind.

[4] Die Klägerin beantragte zur Sicherung ihres klageweise geltend gemachten Unterlassungsanspruchs die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach den Beklagten die Unterlassung aufgetragen werden möge, (zusammenfassend) das Tirol‑Logo zu Zwecken des Wettbewerbs zu verwenden, sofern sie nicht über ein entsprechendes Lizenzrecht verfügen. Die Werbung mit dem Logo sei irreführend, weil die Beklagten ein Güte- und Qualitätszeichen verwendeten, ohne über ein entsprechendes Lizenzrecht hiezu zu verfügen. Das Begehren werde auf Verstöße gegen Z 2 des Anhangs sowie §§ 1, 2 und 2a UWG gestützt.

[5] Die Beklagten bestritten die Irreführung, weil die Erstbeklagte ihren Sitz in Tirol habe, eine sehr starke Verbindung zu Tirol aufweise, die Produkte aus Tirol stammten und auch die Wertschöpfung dort stattfinde. Die Nutzung des Logos sei eingestellt worden. Die fallweise bei Händlern noch auffindbaren alten Verpackungen und Abbildungen überschritten die wettbewerbsrechtliche Erheblichkeitsschwelle nicht.

[6] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Klägerin könne sich nicht auf Urheber- oder Markenrechte stützen. Eine Irreführung des Endverbrauchers liege nicht vor, zumal die Erstbeklagte ihren Sitz in Tirol und eine starke Verbindung dazu habe und wesentliche Teile ihrer Produkte aus Tirol stammten, sodass die Wertschöpfung dort stattfinde. Die Abbildungen des Logos auf Verpackungen und Waren der Erstbeklagten seien so klein, dass sie unter der Erheblichkeitsschwelle für Kaufentscheidungen lägen. Auch bestehe keine Haftung der Beklagten für ihre Händler.

[7] Das Rekursgericht hingegen erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Tirol‑Logo könne zwar nicht als Güte- bzw Qualitätszeichen im Sinne von UWG Anh Z 2 angesehen werden, allerdings sei eine Irreführung im Sinne des § 2 UWG zu bejahen. Die Markeninhaberin sei ein Unternehmen des Landes Tirol. Aufgrund der langjährigen Verwendung der Marke sei deren „offizieller“ Charakter für jedermann klar. Beim Verbraucher bestehe daher der unrichtige Eindruck, dass die Beklagte zur Nutzung der Marke berechtigt sei. Im Unterschied zu § 9 UWG und § 1 Abs 1 Z 1 UWG komme bei Verstößen gegen § 2 UWG die Klagslegitimation nicht nur dem unmittelbar verletzten Unternehmer, sondern auch Mitbewerbern zu. Dass die Klägerin nicht Markeninhaberin sei, sei daher nicht entscheidend; sie sei dennoch befugt, deren unbefugte Verwendung im Rahmen des § 2 UWG geltend zu machen. Die Beklagten täuschten Verbraucher über ihre Befugnis zur Verwendung der Marke. Irreführung sei daher zu bejahen. Da feststehe, dass die Erstbeklagte selbst das Logo auch nach Auslaufen der Lizenz verwendete, sei es irrelevant, ob ihr das Verhalten der Händler zuzurechnen sei. Die Zweit- und Drittbeklagten hätten nicht einmal behauptet, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert gewesen wären, gegen die Wettbewerbsverstöße einzuschreiten. Auch das gegen sie gerichtete Sicherungsbegehren bestehe daher zu Recht. Die Wiederholungsgefahr sei zu bejahen, weil die Beklagten keine Umstände dargetan hätten, die eine Wiederholung ihrer Handlungen als völlig ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen ließen.

[8] Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Sicherungsantrag der Klägerin abzuweisen.

[9] Die Klägerin beantragt mit der ihr vom Senat freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

[10] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[11] 1. Der Senat hat im Bereich des § 2 UWG bereits mehrfach ausgesprochen, dass ein irreführender Gebrauch eines Kennzeichens auch von Mitbewerbern geltend gemacht werden kann, die nicht über das entsprechende Kennzeichenrecht verfügen (vgl RS0126780; 17 Ob 19/11k, ORAL-B [Pkt C.1.1.] jeweils § 2 Abs 3 Z 1 UWG betreffend [Imitationsmarketing]). Daran ist auch hier anzuknüpfen.

[12] 2. In der referierten Rechtsprechung wurde die Bejahung der Irreführung durch die Verwendung verwechslungsfähiger Zeichen davon abhängig gemacht, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die nachgeahmte Gestaltung kennen und als Hinweis auf die Herkunft aus einem anderen Unternehmen verstehen muss (4 Ob 199/19x, Kronen der Habsburger; 4 Ob 227/12d, Tico Pop‑Lutscher [Pkt 1.]; vgl auch RS0126781). Die Rechtsprechung folgt hier den Grundsätzen zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht (17 Ob 10/11m, Jungle Man). Diese Judikatur kann auch im streitgegenständlichen Fall angewendet werden.

[13] 3. Nach den vom Rekursgericht iSd § 269 ZPO als offenkundig angenommenen, vom Revisionsrekurs nicht bestrittenen Umständen ist das Tirol‑Logo weithin bekannt und wertgeschätzt. Es wird von den angesprochenen Verkehrskreisen als „offizielles“ Logo wahrgenommen, das die Ansicht des Inhabers zum Ausdruck bringt, die so gekennzeichneten Produkte erfüllten den genannten Förderzweck. Unter diesen Umständen hat das Rekursgericht zutreffend eine Irreführung nach § 2 UWG bejaht. Das Fehlen einer objektiven Prüfung und fortlaufender Kontrolle ändert nichts daran, dass die Verbraucher das derart positiv besetzte Logo nach den unbekämpft gebliebenen Annahmen des Rekursgerichts als besondere staatliche bzw staatsnahe Auszeichnung erkennen. Wenn das Logo auf einem Produkt angebracht ist, werden sie annehmen, der Verwender sei dieser Auszeichnung nach Ansicht des Inhabers würdig. Ob, wie die Revisionsrekurswerber vortragen, die Voraussetzungen inhaltlich eingehalten werden, ändert nichts daran, dass Verbraucher von staatlichen bzw staatsnahen Stellen verliehenen Auszeichnungen gerade deswegen besondere Sympathie entgegenbringen, weil sie die Wertschätzung des Landes zum Ausdruck bringen (vgl OPMS Om 12/11 [Pkt 4.4]; 4 Ob 29/15s, Blutzuckermessgeräte). Diese Wertschätzung des Landes wird der Erstbeklagten aber aktuell nicht mehr zuteil. Dass sie ehemals lizenzberechtigt war, ändert daran nichts (vgl Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, dUWG³, Anhang zu § 3 Abs 3 Nr 2 Rz 45). Dadurch steigert sich die Irreführungseignung sogar noch insofern, als Verbraucher bei rechtskonformem Verhalten anderer, ehemals ausgezeichneter Unternehmer, zwangsläufig annehmen müssen, die Beklagte sei aktuell noch ein der Auszeichnung würdiges Unternehmen. Dies kann sie ohne Zweifel dazu veranlassen, den Produkten der Beklagten den Vorzug gegenüber Konkurrenzprodukten zu geben und sie somit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten.

[14] 4. Soweit der Revisionsrekurs die Relevanz der Irreführung deswegen bestreitet, weil das Logo auf den Verpackungen nur klein gedruckt sei, ist auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts zu verweisen. Der Verkehr ist es gewöhnt, dass Auszeichnungen auf Produktverpackungen nicht übermäßig groß abgebildet werden. Die Größe der Abbildung einer Auszeichnung korreliert nach seinem Verständnis nicht mit der Größe der Wertschätzung des Auszeichnenden.

[15] 5. Diese – nicht unerhebliche – Irreführungseignung besteht unabhängig davon, ob die Marke für deren Inhaber marken- oder kennzeichenrechtlichen Schutz genießt. Es mag zwar zutreffend sein, dass die gegenständliche Marke nicht geeignet ist, als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten anderen Unternehmen zu dienen (vgl EuGH Rs C‑689/15 , Gözze; 4 Ob 237/17g, Kürbiskernöl IV sowie 4 Ob 169/20i, Genussregion Österreich [Rz 45 f]). Dies ist hier aber aufgrund der bescheinigten Irreführung (siehe oben 3.) nicht von Relevanz. Ein allfälliges Erlöschen des marken- und wettbewerbsrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts hat keinen Einfluss auf die vorliegende Irreführung.

[16] 6. Aufgrund der bescheinigten Irreführung nach § 2 UWG hat das Rekursgericht zu Recht die begehrte einstweilige Verfügung erlassen. Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist somit nicht Folge zu geben.

[17] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO, §§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte