European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00144.14A.1021.000
Spruch:
I. Der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers wird zurückgewiesen.
II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
III. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.
IV. Der Antrag, die Rechtssache einem Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgericht Wien zuzuweisen, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Oberlandesgericht Wien wies den Antrag auf Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichts St. Pölten zurück. Die in einem vom Ablehnungswerber eingeleiteten Verfahren zur Bewilligung der Verfahrenshilfe zwecks Einbringung einer Amtshaftungsklage als gegeben erachtete Befangenheit sämtlicher Richter des Landesgerichts St. Pölten habe Umstände betroffen, die im hier gegenständlichen Verlassenschaftsverfahren keine Rolle spielten. Über den Hinweis auf dieses Vorverfahren zeige der Ablehnungswerber keine substantiierten Ablehnungsgründe bei einzelnen oder gar allen abgelehnten Richtern auf, aus denen erschlossen werden könne, die Richter des Landesgerichts St. Pölten würden sich von anderen als sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Ablehnungswerbers ist zulässig. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht Wien in einem Ablehnungsverfahren in erster Instanz entschieden. Beim vorliegenden Rechtsmittel handelt es sich somit um einen Rekurs (vgl RIS‑Justiz RS0119847). Da der Oberste Gerichtshof als zweite Instanz entscheidet, kommt der Rechtsmittelbeschränkung nach § 24 Abs 2 JN keine Bedeutung zu. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass der Oberste Gerichtshof mit dem vorliegenden Rechtsmittel funktionell als zweite Instanz angerufen wird. In diesem Fall greift die Vertretungspflicht im Sinn des § 6 AußStrG nicht Platz, sodass der vom Rechtsmittelwerber persönlich eingebrachte Rekurs keiner Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt bedurfte (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 6 Rz 8; 8 Fsc 1/14k; RIS‑Justiz RS0118184; vgl auch zum Ablehnungsverfahren RIS‑Justiz RS0035708; RS0006000).
Zu I.
Über einen Verfahrenshilfeantrag entscheidet stets das Prozessgericht erster Instanz (§ 65 Abs 2 ZPO). Hier hat das in der Ablehnungssache in erster Instanz zuständige Oberlandesgericht Wien eine Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag aus der Erwägung unterlassen, es liege eine unsubstantiierte Pauschalablehnung durch eine gerichtserfahrene Partei vor. Diese Entscheidung begegnet keinen Bedenken, zumal auch wiederholte unzulässige Verfahrenshilfeanträge einer Partei ‑ ebenso wie derartige Ablehnungsanträge ‑ nicht zum Gegenstand einer formellen gerichtlichen Entscheidung gemacht werden müssen (RIS‑Justiz RS0125478).
Zu II.
1. Im Fall der Ablehnung einer Mehrzahl von Richtern müssen in Ansehung eines jeden Einzelnen von ihnen konkrete Befangenheitsgründe detailliert dargetan werden. Die pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs ist unzulässig; die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist vielmehr nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (Fasching, LB² Rz 165; RIS‑Justiz RS0046005; RS0045983). Pauschal und ohne Anführung bestimmter Gründe zu jeweils namentlich bezeichneten Richtern eingebrachte Ablehnungserklärungen führen einen Ablehnungsantrag nicht gesetzmäßig aus und können daher nicht auf ihre inhaltliche Berechtigung überprüft werden (vgl RIS‑Justiz RS0046011 [T3, T6]). Die bloße Befürchtung einer ungünstigen allgemeinen Stimmung reicht nicht zur Begründung des Anscheins der Befangenheit aus (RIS‑Justiz RS0045983 [T18]).
2.2. Die Befangenheit im vom Ablehnungswerber seinem Antrag zugrunde gelegten Verfahren lag deshalb vor, weil sämtliche Richter des abgelehnten Gerichtshofs ein freundschaftliches Verhältnis zu jener Kollegin hatten, die sich Amtshaftungsansprüchen des nunmehrigen Ablehnungswerbers ausgesetzt sah. Dieser Umstand spielt aber im Anlassfall keine Rolle und vermag keine Befangenheit zu begründen.
2.3. Soweit der Ablehnungswerber eine Richterin des Gerichtshofs der Verfahrensverschleppung bezichtigt, ist er darauf hinzuweisen, dass Verfahrensmängel als solche in der Regel nicht die Befangenheit des Gerichts darzutun vermögen (vgl RIS‑Justiz RS0046090).
2.4. Soweit sich der Ablehnungswerber auf bei Bezirksgerichten anhängige Verfahren bezieht, können diese nicht zur Begründung der Ablehnung von Richtern des betreffenden Landesgerichts herangezogen werden. Das Vorbringen des Ablehnungswerbers zu von ihm eingebrachten Strafanzeigen ist unerheblich, da es keine abgelehnten Richter betrifft.
Zu III.
Eine angemessene Klärung des Falles war auf Grundlage der Akten möglich, weshalb es ‑ entgegen eines darauf abzielenden Antrags des Rechtsmittelwerbers ‑ keiner Anberaumung einer mündlichen Verhandlung bedurfte (vgl RIS‑Justiz RS0126762 zur Rsp des EGMR).
Zu IV.
Insgesamt vermag der Ablehnungswerber keinen tauglichen Ablehnungsgrund darzulegen. Damit entbehrt aber auch sein Antrag, die Rechtssache einem Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Wien zuzuweisen, jeder Grundlage.
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