OGH 4Ob133/05w

OGH4Ob133/05w11.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika L*****, vertreten durch Dr. Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Walter L*****, vertreten durch Dr. Helmut Berger-Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 14. Februar 2005, GZ 20 R 177/04a-45, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen den Ausführungen in der Zulassungsbeschwerde besteht einhellige höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach fortgesetztes ehewidriges Verhalten eine Einheit bildet, sodass über den Fristbeginn des § 57 Abs 1 EheG erst die letzte Verfehlung entscheidet (RIS-Justiz RS0057240). Darüber hinaus können nach § 59 Abs 2 EheG Eheverfehlungen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden kann, nach Ablauf der Fristen des § 57 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage herangezogen werden (RIS-Justiz RS0056907). Auch in die Verschuldensabwägung können verjährte und verziehene Eherverfehlungen einbezogen werden (RIS-Justiz RS0043434 und RS0057209).

Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen, wenn es das lieblose und ablehnende Verhalten des Beklagten, das nach den Feststellungen seit 1994 andauert, als Einheit beurteilt und es in seiner Gesamtheit bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt hat.

2. Die Beurteilung, ob beziehungsweise seit wann eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, ist ebenso wie die Gewichtung des beiderseitigen Fehlverhaltens eine Frage des Einzelfalls, die sich grundsätzlich - abgesehen vom Fall einer gravierenden Fehlbeurteilung - einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO entzieht (RIS-Justiz RS0043423[T7, T8, T9]; RS0110837).

Eine außerhalb der Bandbreite der Judikatur des Obersten Gerichtshofes liegende Beurteilung durch die zweite Instanz, die einer Korrektur bedürfte, liegt nicht vor: Richtig ging das Berufungsgericht davon aus, dass bei der Abwägung des Verschuldens die beiderseitigen Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden müssen, wobei das Gesamtverhalten und nicht eine Gegenüberstellung der einzelnen Verfehlungen maßgeblich ist. Entscheidend ist nicht die Zahl der Eheverfehlungen, sondern der Grad ihrer Vorwerfbarkeit und ihr Schuldgehalt. Vor allem ist zu berücksichtigen, welche Partei mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe begonnen hat und wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung geleistet hat. Hat das schuldhafte Verhalten eines Teiles das des anderen nach sich gezogen, so ist dem Beitrag des ersten in der Regel größeres Gewicht beizumessen (Hopf/Kathrein Eherecht § 60 EheG Anm 4 mwN; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 60 EheG Rz 3 mwN; RIS-Justiz RS0056597, RS0057223, RS0057303).

Nach den Feststellungen hat der Beklagte die ehelichen Streitigkeiten und die Zerrüttung der Ehe 1994 durch sein liebloses und ablehnendes egoistisches Verhalten eingeleitet und dieses Verhalten über Jahre hindurch beibehalten. Demgegenüber hat sich die Klägerin immer wieder um die Rettung ihrer Ehe bemüht, und ihr 2002 begonnenes ehebrecherisches Verhältnis hat wohl zumindest zum Teil seine Wurzel im Verhalten des Beklagten. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Eheverfehlungen des Beklagten von überwiegender Bedeutung für die unheilbare Zerrüttung der Ehe eingeschätzt hat, liegt darin keine gravierenden Fehlbeurteilung.

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