European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00130.16W.0830.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 169,65 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Kläger hat über viele Jahre sowohl den Beklagten als auch dessen Ehefrau und deren Unternehmen (Gesellschaft mbH) mehrfach als Rechtsanwalt vertreten, wobei von allen drei Parteien immer wieder verschiedene Aufträge erteilt wurden. Wurde ein Auftrag ausdrücklich von einer Partei erteilt, rechnete der Kläger die Leistungen auch gegenüber dieser Partei ab.
Aus Anlass eines sowohl die Ehefrau des Beklagten als Liegenschaftseigentümerin, den Beklagten als Wohnberechtigten und auch das Unternehmen als Bestandnehmer betreffenden Enteignungsverfahrens trat der Beklagte an den Kläger heran und beauftragte ihn, seine Interessen sowie jene des Unternehmens und seiner Ehefrau gegenüber der Betreiberin des Projekts (Straßenbahntrasse) zu vertreten. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beklagte ausschließlich im Namen seiner Ehefrau auftrat. Aufgabe des Klägers war, zur Wahrung der Interessen des Beklagten, seiner Frau und des Unternehmens im Rahmen eines etwaigen Entschädigungsverfahrens nach dem Eisenbahnenteignungs‑ gesetz auf möglichst vielen Ebenen zu argumentieren, um eine möglichst hohe Ablösesumme für alle Betroffenen zu erreichen. Ausgangspunkt war zunächst, zu klären wer in einem Entschädigungsverfahren Parteistellung hat. Da man davon ausging, dass die Höhe der Entschädigungssumme vom Grad der Wertminderung abhängt, sollte der Kläger gegenüber dem Projektbetreiber dahin argumentieren, dass neben der Liegenschaftseigentümerin und dem Beklagten als Wohnungsberechtigten auch das Unternehmen im Entschädigungsverfahren Parteistellung habe. Der Kläger stellte deshalb umfangreiche Recherchen an, um auch eine Parteistellung des Unternehmens zu begründen und auch für dieses eine Entschädigung für Wertminderung zu erhalten. Diese Vorgehensweise sowie die Korrespondenz mit dem Projektbetreiber koordinierte der Kläger sowohl mit dem Beklagten als auch mit seiner Ehefrau. Der Beklagte wollte darüber hinaus auch, dass „über politische Schienen“ argumentiert werde, weshalb der Kläger an das Büro des zuständigen Landeshauptmanns herantrat. Durch die geplante Trassierung der Straßenbahn wäre die Zufahrtsmöglichkeit zur Liegenschaft und dem darauf betriebenen Unternehmen erschwert und damit das Unternehmen beeinträchtigt worden. Aufgabe und Ziel des Klägers im Zuge der Verhandlungen mit der Projektbetreiberin über die Entschädigungssumme war es daher, dass auch der Beklagte zumindest als Gesprächspartner akzeptiert werde. Dies war letztlich auch erfolgreich.
Sämtliche Rechnungen für die vom Kläger bis August 2013 erbrachten Leistungen waren an den Beklagten adressiert, die Ehefrau des Beklagten beglich sie zur Gänze. Für den Zeitraum ab August 2013 legte der Kläger weitere Rechnungen über zahlreiche Einzelleistungen, wobei er den stets im Verhältnis der Streitteile angewendeten Stundensatz zugrunde legte. Sämtliche vom Kläger verzeichneten Leistungen wurden auch tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht. Der verzeichnete Zeitaufwand entsprach der tatsächlich vom Kläger aufgewendeten Zeit.
Gestützt auf die gelegten Honorarnoten begehrte der Kläger 14.309,39 EUR sA.
Der Beklagte wendete zunächst seine fehlende Passivlegitimation ein, weil seine Ehefrau Liegenschaftseigentümerin und von der geplanten Straßenbahntrasse betroffen sei. Überdies bestritt er sowohl den Umfang der den Abrechnungen zugrunde gelegten Leistungen als auch die Honorarhöhe an sich. Da bereits im Oktober 2013 auch für den Kläger festgestanden sei, dass der Beklagte im Eisenbahnentschädigungsverfahren mangels Einwendungen im eisenbahnrechtlichen Bewilligungs‑ verfahren keine Ansprüche stellen könne, habe er seine Parteistellung verloren. Sämtliche dann noch für den Beklagten erbrachten Leistungen seien daher von vornherein nicht zweckentsprechend gewesen. Alle Aktivitäten des Klägers seien für den Beklagten von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg und daher untauglich gewesen. Die vom Kläger ventilierte Idee, dass der Beklagte oder sein Unternehmen Ansprüche gegenüber der Projektbetreiberin erheben könnten, sei rechtlich nicht vertretbar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren– abgesehen von einer inzwischen rechtskräftigen Teilabweisung – zum Großteil statt. Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und sprach – über Antrag des Beklagten – aus, dass die ordentliche Revision (doch) für zulässig erklärt werde, weil der Beklagte auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs verwiesen habe, aus denen ein für ihn günstigeres Ergebnis abgeleitet werden könnte und auch Rechtsprechung zum Begriff der Handakten im Sinne des § 12 Abs 2 RAO fehle. Im Übrigen bejahte auch das Berufungsgericht die Passivlegitimation des Beklagten aufgrund seines (im Zweifel) im eigenen Namen erteilten Auftrags und verneinte die Wertlosigkeit der erbrachten Leistungen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung des zugesprochenen Honorarbegehrens anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz ist in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (RIS‑Justiz RS0042963). Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge nur vor, wenn sich das Berufungsgericht mit der Mängelrüge gar nicht befasst hätte (RIS‑Justiz RS0043144; RS0042963 [T9]). Der Anfechtungsausschluss gilt zwar nicht, wenn das Gericht zweiter Instanz einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat (RIS‑Justiz RS0043051); die in diesem Sinn ergangenen Entscheidungen beziehen sich allerdings nicht auf den Fall, dass das Berufungsgericht einen primären Verfahrensmangel nach ausdrücklicher Prüfung verneint hat, unterläge doch sonst jede zweitinstanzliche Entscheidung über eine Mängelrüge der Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (4 Ob 85/12x; 6 Ob 194/05f). Gegenstand dieser Entscheidungen war vielmehr regelmäßig die Verneinung der Mangelhaftigkeit wegen rechtlicher Unerheblichkeit der davon betroffenen Feststellung. Eine „unhaltbare rechtliche Begründung“, die allenfalls auch sonst das Geltendmachen eines in zweiter Instanz verneinten Mangels ermöglichen könnte, liegt jedenfalls nur dann vor, wenn bei der Beurteilung der strittigen Frage jeder Beurteilungsspielraum fehlt (4 Ob 85/12x; 1 Ob 159/07z mwN).
Hier hat sich das Berufungsgericht eingehend mit der Frage der Vorlagepflicht nach bürgerlichem Recht befasst und sie verneint, also den geltend gemachten primären Verfahrensmangel inhaltlich geprüft. Die neuerliche Anfechtung in dritter Instanz scheidet daher aus.
2. Der Wille, im Namen eines anderen zu handeln, muss im Geschäftsverkehr ausdrücklich erklärt werden oder aus den Umständen erkennbar sein (RIS‑Justiz RS0088884). Ist der Wille, im fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar, kann die Wirkung der direkten Stellvertretung nicht eintreten (RIS‑Justiz RS0019540). Wer nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines anderen Verträge abschließen will, muss dies eindeutig zum Ausdruck bringen, wenn es dem Vertragspartner nicht ohne weiteres erkennbar ist (Offenlegungsgrundsatz; RIS‑Justiz RS0019558, RS0019393). Für die Offenlegung reicht es nicht ohne weiteres aus, dass dem Dritten erkennbar ist, der Handelnde wolle im Interesse eines anderen tätig werden, weil dies ebenso gut im Weg der indirekten Stellvertretung geschehen kann. Im Zweifel ist ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen (RIS‑Justiz RS0019558 [T9]).
Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung folgt das Berufungsgericht, wenn es aus dem festgestellten Sachverhalt ableitet, dass mangels erkennbarer Auftragserteilung im Namen eines anderen von einem Eigengeschäft des Beklagten auszugehen war.
3. Der Rechtsanwalt haftet seiner Partei gegenüber für Unkenntnis der Gesetze sowie einhelliger Lehre und Rechtsprechung. Er muss, soll diese Haftung ausgeschlossen werden, seine Partei aufklären, wenn nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes oder nach der einhelligen herrschenden Rechtsübung eine Prozessführung aussichtslos erscheint. Tut er dies nicht, ist seine Tätigkeit wertlos. In einem solchen Fall bestehen nicht nur Schadenersatzansprüche des Klienten für ihm erwachsene tatsächliche finanzielle Nachteile, sondern der Anwalt ist auch nicht berechtigt, ein Honorar zu verlangen (RIS‑Justiz RS0038663). Er haftet jedoch nicht für eine unrichtige, aber vertretbare Gesetzesauslegung, auch wenn diese in der Folge vom Gericht nicht geteilt wird (RIS‑Justiz RS0038663 [T13]). Der Rechtsanwalt hat keinen Honoraranspruch, wenn der Mandant beweist, dass und aus welchen Gründen die Leistung wertlos ist (RIS‑Justiz RS0116278).
Auch diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt. Nach den getroffenen Feststellungen sollte der Kläger die Interessen des Beklagten, seiner Ehefrau und des Unternehmens auf möglichst vielen Ebenen verfolgen, um eine möglichst hohe Ablösesumme für alle zu erreichen. Der Kläger sollte den Beklagten nicht nur rechtlich beraten, sondern dessen Interessen auch „auf der politischen Schiene“ vertreten. Dass die angestrebte und auch tatsächlich erreichte „Gesprächspartnerschaft“ nicht rechtlich als Parteistellung im Verwaltungsverfahren bezeichnet werden kann, ist daher ohne Belang. Gemäß § 5 EisbEG ist auch auf die Ansprüche bloß obligatorisch Berechtigter bei Ermittlung der Höhe der Entschädigung Bedacht zu nehmen, wenn sie auch nicht (direkt) vom Enteignenden, sondern vom Enteigneten vergütet werden. Letztlich kam es für den Beklagten, seine Ehefrau und deren Unternehmen nicht darauf an, wer welche Rechtsstellung in allfälligen Verfahren genießt, sondern darauf, insgesamt eine möglichst hohe Entschädigung zu erzielen. Es ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen, wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage davon Abstand nahm, die vom Kläger erbrachten anwaltlichen Leistungen als wertlos für den Beklagten (und die von ihm vertretenen Personen) anzusehen.
Die Revision des Beklagten ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihm der Beklagte gemäß §§ 41 und 50 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
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