European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00124.23Y.0220.001
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte warb im Rahmen einer Werbekampagne in österreichweiten und regionalen Tageszeitungen und mittels eines TV-Spots ua mit folgenden Sujets:
[2] Das Rekursgericht erließ auf Antrag der Klägerin die einstweilige Verfügung, wonach der Beklagten zusammengefasst aufgetragen wurde, es zu unterlassen, 1. die auf den obigen Abbildungen ersichtlichen Äußerungen zu tätigen und/oder 2. sonst zu behaupten, dass Leistungen zur Gesundheitsvorsorge, zur Gesundheitsförderung oder zur Erhaltung der Gesundheit nur von Ärzten, nicht aber von Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, insbesondere Apothekern, erbracht werden könnten; und/oder dass nur Ärzte Medikamente an Patienten abgeben könnten, dürften oder würden. Die Sujets 1 und 2 vermittelten den Durchschnittsbetrachtern eine (unrichtige) Ausschließlichkeit in Bezug auf Gesundheitsdienstleistungen der Ärzte („und nirgendwo sonst“) und erweckten den irreführenden Eindruck, dass nur Ärzte kompetent seien, Gesundheitsfragen zu beantworten. Schließlich seien auch Apotheker geeignete und kompetente Ansprechpartner hinsichtlich der Herbeiführung und Erhaltung der Gesundheit, zumal sie zur „Beratung in Gesundheits- und Ernährungsfragen“, zur „Informations‑vermittlung im Bereich der Gesundheitserziehung und ‑aufklärung mit dem Ziel einer Verbesserung der gesunden Lebensführung“ sowie zur „Durchführung von Vorsorgemaßnahmen und deren Überwachung“ berechtigt seien (§ 1 Abs 4 Z 1 und Z 4 Apothekenbetriebsordnung 2005 iVm § 5 Apothekengesetz). Sujet 3 erwecke den (unrichtigen) Eindruck, dass es besser sei, die Medikamente von dem Arzt/der Ärztin zu erhalten als in der Apotheke. Die Werbeaussagen der Beklagten seien irreführende Tatsachenmitteilungen iSv § 2 UWG.
[3] Die Beklagte thematisiert in der Zulassungsbeschwerde ihres außerordentlichen Revisionsrekurses, dass auf den Gesamteindruck der werblichen Ankündigung abzustellen und bei der Auslegung am Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit des Art 10 EMRK Maß zu nehmen sei. Im Zweifel sei von der für den Beklagten günstigsten Auslegungsvariante und von einem zulässigen Werturteil auszugehen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Damit zeigt die Revisionsrekurswerberin keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Revisionsrekurs ist somit nicht zulässig und folglich zurückzuweisen:
[5] 1.1. Die Frage, wie angesprochene Kreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0107771; RS0043000; RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung vertretbar ist (vgl RS0107768). Das gilt auch für die Frage, ob durch eine Äußerung Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, wobei der Gesamteindruck wesentlich ist (RS0031883 [T30, T31]).
[6] 1.2. Lässt eine Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende nach ständiger Rechtsprechung die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RS0078428). Gesundheitswerbung ist generell nach strengen Maßstäben zu beurteilen (4 Ob 15/23v mwN; RS0078217).
[7] 1.3. Auch die Anwendung der Unklarheitenregel ist am Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung zu messen (RS0121107). Dieses schließt es aus, eine entfernte, bloß mögliche Deutung der beanstandeten Formulierungen zur Ermittlung des für ihre rechtliche Beurteilung relevanten Tatsachenkerns heranzuziehen (RS0121107 [T4]; 6 Ob 209/17d). Eine solche Verletzung der Freiheit auf Meinungsäußerung zeigt das Rechtsmittel nicht auf.
[8] 2.1. Von einer nur entfernt möglichen Deutung der hier beanstandeten Formulierungen der Beklagten im Sinne des klägerischen Verständnisses ist das Rekursgericht in vertretbarer Weise nicht ausgegangen, ergibt sich doch aus den Einschüben „und nirgendwo sonst“ ganz eindeutig das tatsachenwidrige Verständnis, dass ausschließlich Ärzte kompetent sein sollen, Leistungen im Zusammenhang mit der Gesundheit zu erbringen. Diese Tatsachenwidrigkeit wird auch von der Beklagten nicht bestritten, sie stützt sich vielmehr darauf, dass Werturteile nicht wahr sein müssen.
[9] 2.2. Die Rechtsprechung unterscheidet in diesem Zusammenhang objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptungen einerseits und Werturteile als rein subjektive, unüberprüfbare Meinungsäußerungen andererseits (vgl RS0078409). Im vorliegenden Fall ist es nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht die Aussagen, dass „nirgendwo sonst“ als bei den Ärzten die Gesundheit beginnt bzw die Medikamentenabgabe erfolgt, als objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptungen qualifizierte, zumal aufgrund der Ausschließlichkeitsbehauptung die Konsultation des Arztes bzw der Ärztin nicht bloß als wertvoll für die Gesundheit, sondern notwendig präsentiert wird.
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