OGH 4Ob122/08g

OGH4Ob122/08g14.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dietrich Majoros Marchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) D***** GmbH, 2.) Dr. Alexander K*****, beide vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. April 2008, GZ 5 R 47/08f‑8, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 23. Jänner 2008, GZ 17 Cg 85/07t‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00122.08G.1014.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass er zu lauten hat:

„Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagten Parteien auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen, worauf die Unterlassungsklage gerichtet ist, wird den beklagten Parteien geboten, es ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Dritten gegenüber unrichtig überhöhte Angaben zur Teilnehmerzahl bei von der erstbeklagten Partei organisierten Event‑Maturareisen zu machen, insbesondere hinsichtlich der Event‑Maturareise 'X‑JAM' 2008 dadurch, dass behauptet wird, es könnten 13.500 Maturanten in insgesamt drei Clubs in der Türkei begrüßt werden, und/oder ähnliche Angaben zu machen."

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Begründung

Beide Streitteile veranstalten Event‑Maturareisen. Solche Reisen sind zu tragbaren Verkaufspreisen nur finanzierbar, wenn sie erheblich gesponsert werden.

Am 26. 11. 2007 richteten die Beklagten an den Direktor eines österreichischen Markenartikelvertriebsunternehmens ein Schreiben, in dem sie ausführten, die Maturareise „D*****" werde alle Rekorde sprengen, im kommenden Jahr dürfe „X‑JAM die legendärste Maturareise, 13.500 Maturanten in insgesamt drei Clubs in der Türkei begrüßen". Die Beklagten verbanden damit die Aufforderung an den Adressaten, 2009 wieder als Sponsor bei ihnen einzusteigen.

Tatsächlich buchten die Beklagten zwei Hotelanlagen in der Türkei vom 13. Juni bis 4. Juli 2008 exklusiv, wobei die Bettenkapazität für diese drei Wochen maximal 3.900 und 3.240 beträgt; darüber hinaus buchten sie in einem weiteren Hotel, das über mehr als 400 Zimmer verfügt, 150 Einheiten für den genannten Zeitraum, sodass sich eine Gesamtkapazität von knapp 9.000 Betten ergab.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Hauptbegehrens beantragte die Klägerin, den Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Dritten unrichtige Angaben zur Höhe der Teilnehmerzahlen bei von der Erstbeklagten organisierten Event‑Maturareisen, insbesondere hinsichtlich der Event‑Maturareise „X‑JAM" zu machen. Essentiale eines solchen Reisekonzepts sei die exklusive Reservierung einer oder mehrerer Hotels/Clubanlagen für die Zielgruppe Maturanten, damit keine anderen Urlauber in der Hotelanlage anzutreffen seien. Um Sponsoren für die Finanzierung zu gewinnen, müsse eine Event‑Maturareise so groß sein, dass potentielle Sponsoren mit ihrer Produktwerbung ein Maximum an Teilnehmern erreichten. Mit dem beanstandeten Schreiben hätten die Beklagten versucht, Sponsoren zu gewinnen oder der Klägerin abspenstig zu machen. Hiebei hätten sie falsche Teilnehmerzahlen genannt. Insgesamt könne höchstens von einer Gesamtteilnehmerzahl von 8.940 Personen ausgegangen werden, die Beklagten hätten eine um mindestens 4.560 Personen größere Teilnehmerzahl genannt, worin ein Verstoß gegen die §§ 1 und 2 UWG liege.

Die Beklagten wendeten ein, die Annahme der Klägerin, sie würden im Geschäftsverkehr behaupten, dass jeder Teilnehmer an der Maturareise in einem exklusiv angemieteten Club untergebracht werde, sei unrichtig. Für den Markt der Event‑Maturareisen und besonders für Sponsoren sei dies auch völlig irrelevant. Die aufgestellten Behauptungen seien überdies richtig. Die Beklagten hätten keine zur Irreführung geeigneten Angaben über ihre Geschäftsverhältnisse gemacht. Sie hätten den Empfänger des Schreibens auch nicht zum Vertragsbruch aufgefordert.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Beklagte habe in dem beanstandeten Schreiben mit der unrichtigen Behauptung, ihre Maturareise 2008 umfasse 13.500 Maturanten, einen möglichen Sponsor für derartige Veranstaltungen in Irrtum geführt, weil tatsächlich nur etwa zwei Drittel dieser Personenzahl Reiseteilnehmer sein könnten. Diese Angabe sei geeignet, einen potentiellen Sponsor zu veranlassen, mit den Beklagten einen entsprechenden Vertrag abzuschließen, was für die Klägerin nachteilige Auswirkungen haben könnte.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragstattgebung mit der Maßgabe, dass es den Beklagten verbot, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Dritten gegenüber unrichtige Angaben zur Höhe der Teilnehmerzahlen bei von der Erstbeklagten organisierten Event‑Maturareisen zu machen, insbesondere hinsichtlich der Event‑Maturareise „X‑JAM" 2008 dadurch, dass behauptet werde, es könnten 13.500 Maturanten in insgesamt drei Clubs in der Türkei begrüßt werden, und/oder ähnliche Angaben zu machen. Die Behauptung, 13.500 Maturanten in drei bestimmten Clubs begrüßen zu können, lege nahe, dass sie dort auch nächtigten und nicht woanders und dort (auch) begrüßt würden. Es brauche daher nicht geklärt werden, ob die Beklagten über Unterbringungskapazitäten außerhalb der Clubanlagen verfügten. Das Gericht könne dem Spruch eine andere, dem klar erkennbaren Willen des Klägers entsprechende Fassung geben, soferne diese in den Klagebehauptungen ihre eindeutige Grundlage finde und sich auch inhaltlich mit dem Begehren decke. Den Beklagten sei daher zu verbieten gewesen, unrichtige Angaben zur Höhe der Teilnehmerzahl der Event‑Maturareise 2008 insoweit zu machen, als behauptet werde, es könnten 13.500 Maturanten in insgesamt drei Clubs in der Türkei begrüßt werden. Von diesem Verbot zu umfassen seien - um Umgehungshandlungen zu vermeiden - auch dieser Behauptung ähnliche Angaben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Abweisung des Sicherungsbegehrens anstreben, ist zwecks Richtigstellung der rekursgerichtlichen Fassung des Spruchs der einstweiligen Verfügung zulässig, inhaltlich aber nicht berechtigt.

1. Das beanstandete Verhalten wurde vor dem Inkrafttreten der UWG‑Nov 2007 (BGBl I 2007/79) gesetzt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 177/07v = MR 2008, 111 - Das beste Wachstum; 4 Ob 225/07w = MR 2008, 114 - Stadtrundfahrten; RIS‑Justiz RS0123158) ist für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs daher sowohl die alte als auch die neue Rechtslage maßgebend: Ein Verbot kann nur erlassen oder bestätigt werden, wenn das darin umschriebene Verhalten auch nach der neuen Rechtslage unlauter ist. Ein vor Inkrafttreten der Novelle gesetztes Verhalten begründet nur dann die Vermutung der Wiederholungsgefahr, wenn es schon zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig war. Im Ergebnis ist ein Unterlassungsanspruch daher nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstieß bzw verstößt.

2. Der Einwand der Beklagten, das von der Klägerin erhobene Unterlassungsbegehren sei - auch in der vom Rekursgericht modifizierten Fassung - zu unbestimmt, geht fehl. Zwar wird ein ganz allgemein auf die Unterlassung herabsetzender Äußerungen oder irreführender Werbung schlechthin lautendes Begehren als nicht hinlänglich bestimmt angesehen (RIS‑Justiz RS0037731), gerade dies ist vorliegend aber nicht der Fall, werden doch ganz bestimmte irreführende Angaben, nämlich über unrichtige Teilnehmerzahlen bei der Bewerbung von Event‑Maturareisen verboten.

3. Bei Unterlassungsansprüchen ist eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen, weshalb der Kern der beanstandeten Verletzungshandlung in etwas allgemeinerer Fassung umschrieben werden darf (RIS‑Justiz RS0037607). Das Gebot hat sich nämlich stets am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren, wenn es auch Umgehungen durch den Verpflichteten nicht allzu leicht ermöglichen soll (4 Ob 237/01h mwN).

Die Formulierung „unrichtige Angaben zur Teilnehmerzahl" ist insoweit überschießend, als wohl nur zu hohe Zahlen irreführend im Sinn von kausal für die Beschäftigung mit dem Angebot der Beklagten oder für das Treffen einer geschäftlichen Entscheidung, die andernfalls nicht getroffen würde, sein können. Dem Vorbringen der Klägerin zum Sicherungsbegehren ist aber hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sie irreführende Angaben über den Tatsachen widersprechende zu hohe Teilnehmerzahlen untersagen lassen will. In diesem Sinn ist dem Spruch der einstweiligen Verfügung daher eine verdeutlichende Fassung zu geben.

4. Sowohl nach der Rechtslage vor als auch nach der UWG‑Nov 2007 ist beim Irreführungstatbestand zu prüfen a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent, der eine dem jeweiligen Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (RIS‑Justiz RS0114366, zuletzt etwa 4 Ob 99/08z), die strittige Ankündigung versteht, b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (4 Ob 42/08t mwN). Dies zugrundegelegt ist die Auslegung der beanstandeten Werbeaussage durch die Vorinstanzen („in den Clubs begrüßen" wird zumeist dahin verstanden, dass die Gäste dort auch nächtigen) nicht zu beanstanden. Sie liegt vielmehr nahe. Im Übrigen müssten die Beklagten nach der im Lauterkeitsrecht allgemein anzuwendenden Unklarheitenregel auch Auslegungen gegen sich gelten lassen, die nicht bloß völlig zu vernachlässigende Teile der angesprochenen Verkehrskreise vornehmen. Nach geltender - im Hinblick auf die Zukunftswirkung des Unterlassungsgebots entgegen dem Revisionsrekursvorbringen mit zu beachtender - Rechtslage genügte die Täuschungseignung bloß eines Marktteilnehmers.

Es trifft sicher zu, dass ein an eine bestimmte Person gerichtetes Werbeschreiben nach dem Verständnis dieses Angesprochenen zu beurteilen ist (und nicht nach dem Verständnis aller in Frage kommenden Marktteilnehmer insgesamt), die Beklagten brachten aber in erster Instanz nicht vor, dass der hier Angesprochene ein besonderes, vom Verständnis der übrigen potentiellen Sponsoren abweichendes (Vor‑)Verständnis des beanstandeten Werbeschreibens gehabt hätte, weshalb das Rekursgericht zu Recht von jenem Verständnis ausgegangen ist, das im Allgemeinen einem als Sponsor angesprochenen Unternehmer zu unterstellen ist. Für jemanden, der überlegt, als Sponsor für eine Event‑Maturareise aufzutreten, wird es sicher von Interesse sein, ob alle Teilnehmer in den genannten Anlagen auch wohnen und daher nicht bloß zu einer Einleitungsbegrüßungsveranstaltung kommen, ist doch die Wirkung von bei solchen Veranstaltungen in Aussicht genommenen Werbemaßnahmen (Plakate, Sponsorenerwähnung, entsprechende Hinweise an zur Verfügung gestellten Geräten etc) durchaus davon abhängig, ob die Teilnehmer an der Reiseveranstaltung in den genannten Anlagen kürzere oder längere Zeiträume verbringen.

5. Eine konkrete Nachteiligkeit der beanstandeten Werbung für die Klägerin (etwa im Sinn der von den Beklagten verneinten Gefahr, im Fall des Erfolgs der Beklagten einen konkreten Ausfall an Sponsorengeld zu erleiden) ist für die Geltendmachung des Wettbewerbsverstoßes nicht erforderlich (vgl RIS‑Justiz RS0079437). Es kann daher auf sich beruhen, ob gerade die Klägerin einen - allenfalls auch ziffernmäßig festzulegenden - Schaden durch die hier zu beurteilende irreführende Äußerung erleidet.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40 ff ZPO.

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