OGH 4Ob119/06p

OGH4Ob119/06p9.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH & Co KG, *****, Deutschland, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GesmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Getränke M*****gmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. April 2006, GZ 2 R 271/05w-8, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18. Oktober 2005, GZ 10 Cg 127/05i-4, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin vertreibt in Österreich Tequila-Spirituosen mit der Bezeichnung „SIERRA Tequila Silver", „SIERRA Tequila Reposado" (auch „SIERRA Tequila Gold" genannt) und „SIERRA Antiguo". Sie ist österreichischer Marktführer für Tequila mit einem Marktanteil von 42,8 %.

Die Klägerin ist Inhaberin nachstehender Marken, jeweils geschützt in Klasse 33 für Spirituosen mexikanischer Herkunft, Tequila:

1. Gemeinschaftsbildmarke CTM 2.658.060, registriert seit 28. 8. 2003 mit Priorität vom 12. 4. 2002:

Der dem Flaschenverschluss aufgesetzte Hut ist - ebenso wie die Grundfarbe des Etiketts - goldfarben. Die Klägerin bietet in - dieser Marke entsprechenden - Flaschen das Produkt „SIERRA Tequila Reposado" (auch „SIERRA Tequila Gold" genannt) an. Auf manchen Flaschen wird das Wort „Gold" - abweichend von der Bildmarke - durch die Bezeichnung „Reposado" ersetzt.

2. Internationale Bildmarke IR 557.236, registriert seit 7. 3. 1990:

Die Klägerin bietet in einer dieser Marke entsprechenden Flasche „SIERRA Tequila Silver" an. Der der Flasche aufgesetzte Hut ist - ebenso wie die Grundfarbe des Etiketts - in Rot gehalten.

3. Internationale Bildmarke IR 582.922, registriert seit 21. 2. 1992 mit Priorität vom 11. 9. 1991:

Über dem Etikett befindet sich ein im Glas eingraviertes kreisförmiges Muster, das an eine aztekische Maske erinnert. Auf der unteren Hälfte des in schwarzer Grundfarbe gehaltenen Etiketts befindet sich eine goldfarbene Stufenpyramide und darüber der Schriftzug „ANTIGUO" in dunkelgold, begleitet von den Worten „SIERRA" und „Tequila Anejo" in kleiner weißer Schrift. Der dem Flaschenverschluss aufgesetzte Hut ist schwarz. In Flaschen dieser Bildmarke verkauft die Klägerin Tequila der Bezeichnung „SIERRA Antiguo".

4. Internationale Bildmarke IR 625.241, registriert seit 3. 9. 1994 mit Priorität vom 2. 7. 1994:

Die Marke besteht aus der Abbildung eines roten Hutes, dessen Form dem Flaschenverschluss der Klägerin entspricht.

5. Internationale Wortmarke IR 541.549 „SIERRA Der Tequila mit dem Hut", registriert seit 16. 8. 1989 mit Priorität vom 13. 4. 1989. Die Flaschen der Klägerin bestehen aus Weißglas, haben eine elliptische Grundfläche, sind 26 cm hoch (einschließlich Hut 27,5 cm) und 9,5 cm breit mit einer maximalen Tiefe von 6 cm. Sie enthalten 700 ml Tequila. Auf der Vorder- und der Rückseite befindet sich eine glatte zur Etikettierung vorgesehene Fläche. An den Seitenflächen ist das Wort „SIERRA" von oben nach unten verlaufend eingeprägt. Der Flaschenverschluss in Form eines Hutes ist aus Kunststoff und etwa 4 cm hoch; er hat einen Durchmesser von 7 cm.

Die Beklagte importiert und vertreibt Tequila unter der Bezeichnung „Tequila SOMBRERO NEGRO" in Österreich. Der Hersteller dieses Produkts - ein Unternehmen in Mexiko - ist Inhaber nachstehender Gemeinschaftsmarken:

  1. 1. Gemeinschaftswortmarke „SOMBRERO NEGRO" CTM 10.975
  2. 2. dreidimensionale Gemeinschaftsmarke CTM 3268299, registriert am 26. 1. 2005 mit Priorität vom 23. 7. 2003:

    Beide Marken sind in der Klasse 33 für Spirituosen mexikanischer Herkunft, Tequila, geschützt.

    Der von der Beklagten vertriebene Tequila wird in - der Gemeinschaftsmarke entsprechenden - Weißglasflaschen abgefüllt. Sie sind 27 cm hoch, 9 cm breit und 6 cm tief und fassen 700 ml. Die Flaschen haben nachstehende Form:

    Auf den Flaschenverschluss aufgesteckt ist ein etwa 4 cm hoher schwarzer Kunststoffhut in Art eines Sombrero mit etwa 9 cm Durchmesser und asymmetrisch breiter Krempe. Seine Stulpe ist von einer Kordel umgeben. Die Flaschenhöhe beträgt einschließlich dieses Huts 29,5 cm.

    Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Spirituosen, und zwar insbesondere Tequilas, welche mit einer hutförmigen Verschlusskappe ausgestattet sind, die der Gemeinschaftsbildmarke „Mexiko SIERRA Tequila Gold" CTM 2.658.060, und/oder der internationalen Bildmarke „SIERRA Tequila" IR 557.236, und/oder der internationalen Bildmarke „Antiguo" IR 582.922, und/oder der internationalen Bildmarke „Hut" IR 625.241, und/oder der internationalen Wortmarke „SIERRA Der Tequila mit dem Hut" IR 541.549, gleich oder zu diesen Marken verwechslungsfähig ähnlich ist, und zwar insbesondere eine hutförmige Verschlusskappe gemäß Beil. /JJ aufweisen, selbst oder durch Dritte feilzuhalten, anzubieten, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu setzen.

    Die Besonderheit der optischen Gestaltung ihrer SIERRA Tequila Flasche liege im jeweiligen Flaschenverschluss, bestehend aus einem als Sombrero ausgestalteten Kunststoffhut. Ein derart charakteristischer, die Marken prägender Verschluss finde sich allein auf den Spirituosen der Klägerin. Sie hebe dieses charakteristische Kennzeichen auch in der Werbung durch den Slogan „SIERRA Tequila. Innen gut, außen mit Hut" hervor. Das von der Beklagten vertriebene Produkt übernehme diesen prägenden Bestandteil in verwechslungsfähiger Weise und greife schon damit in die Markenrechte der Klägerin ein. Mittelbare Verwechslungsgefahr sei jedenfalls gegeben. Der Klägerin komme auch der Schutz der bekannten Marke nach § 10 Abs 2 MSchG zugute. Aufgrund der Bekanntheit ihrer Marke brächten Spirituosenkäufer die Flaschen der Beklagten mit den Marken der Klägerin in Verbindung und gelangten zur Auffassung, der Tequila SOMBRERO NEGRO sei „der Tequila mit dem Hut". Die Unterscheidungskraft und Wertschätzung ihrer Marken werde dadurch ausgenützt und beeinträchtigt.

    Im Übrigen sei Verwechslungsgefahr auch durch „Überkreuzverwechslung" der Verschlusskappen der SOMBRERO NEGRO-Flaschen mit der Wortmarke der Klägerin „SIERRA Der Tequila mit dem Hut" zu befürchten. Die Beklagte beantragt Abweisung des Sicherungsantrags. Berücksichtige man die mannigfaltigen, die Zeichen der Streitteile unterscheidenden Merkmale, sei eine Verwechslung sowohl im unmittelbaren als auch im mittelbaren Sinn auszuschließen Prägender Bestandteil der klägerischen Marken sei das Wort „SIERRA". Selbst wenn der Verbraucher den roten Hut auf den Flaschen der Klägerin als originell empfinden sollte, werde er ihn für eine Verzierung und nicht für ein unterscheidungskräftiges Unternehmenskennzeichen halten. Der rote Hut sei bloß einer von mehreren Bestandteilen der im Sicherungsantrag angeführten Marken. Er präge deren Gesamteindruck nicht. Der Durchschnittsverbraucher werde - sollte er mit Tequila der Marke SOMBRERO NEGRO konfrontiert werden - keinen Zusammenhang zwischen diesem Produkt und den Marken der Klägerin herstellen. Die Idee, den Flaschenverschluss von Tequila in Hutform zu gestalten, sei ebenso wenig schützbar wie das Motiv des Hutes an sich. Die konkrete Ausgestaltung der beiden Flaschenverschlüsse sei nicht verwechselbar ähnlich.

    Die Wortmarke IR 541.549 „SIERRA Der Tequila mit dem Hut" sei wegen Nichtgebrauchs nach § 33 MSchG löschungsreif. Die Klägerin habe nicht behauptet, einen diesem Markenwortlaut entsprechenden Slogan gebraucht zu haben. Die Klägerin habe auch nicht bescheinigt, dass der Hersteller des von der Beklagten vertriebenen Tequilas den schwarzen Sombrero benutze, um die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung ihrer Marken ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen. Der schwarze Sombrero werde für den gleichnamigen Tequila bereits seit vielen Jahren als mittelbarer Herkunftsnachweis für ein mexikanisches Produkt verwendet.

    Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, soweit das Unterlassungsgebot auf eine Verletzung der Marken CTM 2.658.060, IR 557.236, IR 582.922 und IR 541.549 gestützt war, und wies das auf eine Verletzung der Marke IR 625.241 gestützte Begehren ab. Das Erstgericht stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, die Klägerin investiere jährlich mindestens 100.000 EUR in die Werbung für ihre Tequila-Spirituosen in Österreich und vertreibe diese Produkte seit jeher mit einem der Flasche aufgesetzten Kunststoffhut. In der Werbung hebe sie den Hut hervor, bilde ihn mitunter auch losgelöst von der Flasche ab und verwende die Werbebotschaft „SIERRA Tequila. Innen gut, außen mit Hut". Im Verkauf an den Letztverbraucher betrage der Preis ihres Tequila - wie auch jener des Produkts der Beklagten - zwischen 8 EUR und 14 EUR je Flasche. Die Beklagte vertreibe Tequila SOMBRERO NEGRO sowohl über eine Internetplattform als auch über einen Wein- und Spirituosen-Diskonthandel.

    In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von einer Verletzung der eingangs zu 1, 2, 3 und 5 dargestellten Marken aus. Es bejahte die Verwechslungsgefahr zwischen dem Produkt der Beklagten und den Bildmarken der Klägerin. Angesichts der Warenidentität sei an die Unterscheidbarkeit ein strenger Maßstab anzulegen. Sowohl die Wortbildmarken der Klägerin als auch die Tequila-Flaschen der Beklagten zeigten einen dem Flaschenverschluss aufgesetzten Hut. Trotz unterschiedlicher Gestaltung erkenne der Konsument den Hut wegen der gedanklichen Verbindung zu Mexiko als Sombrero. Dieser dem Verschluss aufgesetzte Hut sei im Vergleich zu den Wortbestandteilen das dominierende, den Gesamteindruck der klägerischen Marke prägende und sie unterscheidende Merkmal. Als unübliche Ausstattung von Spirituosenflaschen habe er einen wesentlichen Wiedererkennungswert für eine bestimmte Marke. Dem Konsumenten werde weder die Farbe noch die genaue Form des Hutes in Erinnerung bleiben, wohl aber die Tatsache, dass der Verschluss mit einem Hut überstülpt war. Eine nicht unbeträchtliche Zahl potenzieller Käufer werde daher beim Anblick des Tequila SOMBRERO NEGRO der Beklagten unweigerlich an den von der Klägerin vertriebenen SIERRA Tequila denken und beide Produkte miteinander verwechseln. Abgesehen von der gleichartigen Gestaltung des Verschlusses bestünden aber noch weitere Übereinstimmungen etwa im Bereich der Flaschenetiketten. Die Verwechslungsgefahr sei bei einer Gesamtbetrachtung nicht zweifelhaft.

    Die Rechte der Klägerin an der Bildmarke „Hut" habe die Beklagte nicht verletzt. Der auf ihre Flasche aufgesetzte Sombrero unterscheide sich ausreichend von dem durch das Markenrecht der Klägerin geschützten Hut.

    Die Wortmarke „SIERRA Der Tequila mit dem Hut" werde dadurch verletzt, dass es zu „Überkreuzverwechslungen" zwischen dieser Wortmarke und dem sombreroförmigen Flaschenaufsatz der Beklagten kommen könne. Der Löschungsgrund des § 33a MSchG liege nicht vor. Die Klägerin habe die Wortmarke nämlich durch den Werbeslogan „SIERRA Tequila. Innen gut, außen mit Hut" umfangreich benutzt. Mit diesem Slogan gebrauche sie beide unterscheidungskräftigen Momente der Wortmarke, nämlich den Fantasienamen „SIERRA" und die Fantasiebezeichnung „Tequila mit dem Hut".

    Die Abweisung des Mehrbegehrens blieb unbekämpft.

    Das Rekursgericht wies das Sicherungsbegehren zur Gänze ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Ähnlichkeitsvergleich zwischen der Gestaltung der beanstandeten Flasche und den Marken der Klägerin ergebe bei einer Gesamtbetrachtung ausreichende Unterschiede, die die Gefahr von Verwechslungen hintanhielten. Prägender Bestandteil der klägerischen Marken sei „SIERRA". Die Gestaltung des Flaschenverschlusses in Hutform sei zwar eigentümlich, originell und einprägsam, könne aber als dekoratives Element die augenfälligen Herkunftshinweise auf dem Etikett nicht in den Hintergrund drängen. Der in der Wortmarke IR

541.549 enthaltene Markenbestandteil „Der Tequila mit dem Hut" genieße keinen eigenständigen Schutz. Ob diese Marke rechtserhaltend benutzt worden sei, könne offen bleiben. Dies gelte auch für die Frage einer „Überkreuzverwechslung". Dazu komme es auf die Beurteilung der konkret eingetragenen Marke an. Die Ausgestaltung einer Tequila-Flasche mit Aufschrift „SOMBRERO NEGRO" und einem breitkrempigen schwarzen Sombrero als Flaschenverschluss sei, anders als etwa die Abbildung eines Krokodils im Verhältnis zum Wort „Crocodile" oder die Abbildung eines Ritters im Verhältnis zu den Worten „Ritter/Knight", keine Entsprechung der klägerischen Wortmarke in ihrer Gesamtheit.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt.

1. Die Klägerin nimmt markenrechtlichen Schutz für die eingangs dargestellten Marken (eine Gemeinschaftsbildmarke und mehrere internationale Bildmarken sowie eine internationale Wortmarke) in Anspruch. Art 9 Abs 1 lit b GMV stimmt im Wesentlichen mit Art 5 Abs 1 lit b MarkenRL und dem diese Bestimmung umsetzenden § 10 Abs 1 Z 2 MSchG überein. Die internationalen Marken genießen ab ihrer Registrierung den gleichen Schutz im Inland wie nationale Marken (Art 4 MMP). Zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Verletzungsstreit können daher die Rechtsprechung des EuGH und die an dieser Rechtsprechung orientierte nationale Rechtsprechung herangezogen werden.

1.1 Danach ist die Verwechslungsgefahr - als Rechtsfrage - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu berücksichtigen sind die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren. Ein geringerer Grad der Zeichenähnlichkeit kann durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden. Warenidentität erfordert einen wesentlich größeren Abstand der Zeichen selbst, um

Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 273/02d = ÖBl 2003/50 -

Kleiner Feigling; 4 Ob 36/04d = ÖBl 2004/55 - Firn).

1.2 Entscheidend ist der Gesamteindruck, den ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher gewinnt. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Elemente, die die Marken und das sie nach den Behauptungen der Klägerin verletzende Zeichen unterscheiden und dominieren. Es ist im Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss den einzelnen Markenbestandteilen auf den Gesamteindruck des Zeichens zukommt, den ein Durchschnittsverbraucher, der die Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf Einzelheiten achtet, von diesem Zeichen erhält. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt (4 Ob 239/04g = ÖBl 2005/28 - Goldhase; zuletzt 4 Ob 5/06y mwN; RIS-Justiz RS0119660).

1.3 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist regelmäßig der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an ihm - sofern er unterscheidungskräftig ist - zu orientieren pflegt und ihn im Gedächtnis behält. Anderes gilt, wenn der Wortbestandteil weder unterscheidungskräftig/prägend noch im Vergleich zum Bildbestandteil auffälliger ist (6 Ob 5/06y; RIS-Justiz RS0066779 T17, T20).

2. Die Klägerin stützt ihren Anspruch darauf, dass die hutförmige Verschlusskappe den Gesamteindruck ihrer Marken präge und die Übereinstimmung in diesem Ausstattungsdetail Verwechslungsgefahr begründe. Der Spirituosenkäufer halte das Produkt der Beklagten für den ihm bekannten „Tequila mit dem Hut" und nehme an, dass ihn die Klägerin auch als Billigmarkenprodukt über den Lebensmitteldiskonthandel vertreibe.

2.1 Maßgebend ist damit, ob die hutförmige Verschlusskappe den Gesamteindruck der Marken prägt und ob sie die beteiligten Verkehrskreise als Herkunftshinweis und nicht bloß als Dekoration auffassen. Um diese Frage beurteilen zu können, bedarf es - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts - keiner Erweiterung der Sachverhaltsgrundlage. Sie ist, ebenso wie die Frage der Verwechslungsgefahr, eine Rechtsfrage.

2.2 Die Ausgestaltung einer Verschlusskappe als Hut ist originell. Der hutförmige Verschluss prägt den Gesamteindruck der Wortbildmarken und wirkt als Herkunftshinweis. Dies wird durch die Werbung der Klägerin noch verstärkt, da die Klägerin ihr Produkt in der Werbung als „Tequila mit dem Hut" bezeichnet. Sie unterstreicht damit, dass die hutförmig gestaltete Verschlusskappe das wesentliche Unterscheidungs- und Identifikationsmerkmal ihres Tequila bildet.

2.3 Der den Gesamteindruck der Marken prägende hutförmige Verschluss wird angesichts der durch den Wortbestandteil „Mexico" hergestellten gedanklichen Verbindung als Sombrero erkannt (auf dem Produkt der Beklagten wird er ausdrücklich als solcher bezeichnet). Als unübliches Ausstattungsmerkmal für Spirituosenflaschen trägt er zur hohen Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke bei und erhöht ihren Wiedererkennungswert. Die übrigen, das Produkt der Beklagten von den Marken der Klägerin unterscheidenden Elemente - so auch die Bezeichnungen „SIERRA" und „SOMBRERO NEGRO" - treten demgegenüber zurück. Sie können - betrachtet man die Marken der Klägerin und das ihnen gegenüberstehende Produkt der Beklagten in ihrer Gesamtheit - die durch die Übereinstimmung der prägenden Elemente hervorgerufene Verwechslungsgefahr nicht beseitigen.

3. Die Klägerin beruft sich auch auf die Verletzung ihrer Wortmarke „SIERRA Der Tequila mit dem Hut" durch „Überkreuzverwechslung" mit dem Produkt der Beklagten. Die Beklagte hält dem insbesondere entgegen, dass die Klägerin die Wortmarke nicht verwende und diese daher nicht (mehr) geschützt sei.

3.1 Die Unterscheidungskraft des Werbespruchs „SIERRA Der Tequila mit dem Hut" ist nicht zweifelhaft. Er ist originell und streicht das die klägerischen Marken prägende Merkmal heraus. Der Werbespruch ist damit geeignet, den so beworbenen Tequila als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von Spirituosen anderer Hersteller zu unterscheiden.

3.2 Zu prüfen bleibt, ob die Klägerin ihre Wortmarke mit ihrem unstrittig mehrfach verwendeten Werbespruch „SIERRA Tequila. Innen gut, außen mit Hut" rechtserhaltend benützt hat. Die angestrebte einstweilige Verfügung zur Sicherung der Rechte der Klägerin aus ihrer - seit mehr als fünf Jahren registrierten - Wortmarke setzt nämlich die Bescheinigung voraus, dass die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre in angemessenem Umfang vom Markeninhaber (oder einem Dritten) im Inland als Kennzeichen gebraucht wurde oder der Markeninhaber in der Lage ist, den Nichtgebrauch zu rechtfertigen (4 Ob 7/96 = SZ 69/38; RIS-Justiz RS0102886). Schutzvoraussetzung ist daher eine ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung der Wortmarke.

3.3 Zweck des Benutzungszwangs ist es, das Markenregister durch Löschung nicht benutzter Marken zu entlasten (RIS-Justiz RS0066801). Der Gesetzgeber beabsichtigte keine rigorose Anwendung des § 33a MSchG im Sinn einer möglichst weitgehenden Löschung nicht benutzter Marken. Es ist daher im zu beurteilenden Einzelfall auch das Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke gegenüber dem Zweck der Einführung des Gebrauchszwanges abzuwägen (RIS-Justiz RS0066797).

3.4 Eine (ernsthafte) kennzeichenmäßige Benutzung im Sinn des § 33a MSchG kann auch in der Benutzung einer ähnlichen Form der Marke bestehen, wenn diese von der eingetragenen Marke nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinträchtigt wird (§ 33a Abs 4 MSchG). Dabei kommt es darauf an, ob das abweichend benutzte Zeichen vom Verkehr bei und trotz Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichgesetzt wird. Das setzt voraus, dass der Verkehr den weggelassenen oder hinzugefügten Bestandteilen keine maßgebende eigene kennzeichnende Wirkung beimisst (Ingerl/Rohnke, Markengesetz² § 26 Rz 105 mwN). Die Marke muss auch in der tatsächlich benutzten (erweiterten) Form eindeutig das die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen kennzeichnende Element bilden (OPM Om 1/91 = PBl 1991, 193 - ALPO/ALPOFLEX).

3.5 Als Wortmarke geschützt ist der Werbespruch „SIERRA Der Tequila mit dem Hut"; verwendet hat die Klägerin die Wortfolge „SIERRA Tequila. Innen gut, außen mit Hut". Beide Werbesprüche stimmen in der Aussage überein, dass der SIERRA Tequila einen Hut trägt. Diese originelle Aussage prägt als wesentlicher Inhalt des als Marke geschützten Werbespruchs den Gesamteindruck der Marke. Beim tatsächlich verwendeten Werbespruch kommt noch die Aussage hinzu, dass der Tequila „gut" sei. Sie hat, zum Unterschied vom Hinweis auf den Hut, keine eigene kennzeichnende Wirkung, da die Aussage, ein Produkt sei „gut", regelmäßig nicht als Herkunftshinweis aufgefasst wird. Der an Spirituosen interessierte Verbraucher versteht damit den tatsächlich verwendeten Werbespruch nicht anders als die Wortmarke selbst, nämlich als Hinweis auf den mit einem hutförmigen Aufsatz versehenen und damit aus einem bestimmten Unternehmen stammenden Tequila.

3.6 Die Abwägung der Zwecke des Gebrauchszwangs (das Register von nicht mehr bestehenden Marken freizuhalten) gegenüber dem Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung ihrer Wortmarke führt zu keiner andren Beurteilung. Das Interesse der Klägerin überwiegt schon angesichts der für sie geschützten Wortbildmarken, auf deren prägendes Element der Werbeslogan Bezug nimmt und von dessen Gebrauch für die Kennzeichnung gleicher oder ähnlicher Waren die Mitbewerber daher ohnedies ausgeschlossen sind.

4. Die Klägerin hat damit bescheinigt, dass sie ihre Wortmarke in den letzten fünf Jahren ernsthaft gebraucht hat. Es ist daher zu prüfen, ob, wie von ihr behauptet, die Gefahr einer „Überkreuzverwechslung" mit dem Produkt der Beklagten besteht.

4.1 Die Gefahr einer „Überkreuzverwechslung" besteht dann, wenn sich ein Begriff aufgrund eines eigenartigen Bildes bei den angesprochenen Verkehrskreisen so eingeprägt hat, dass sie häufig nicht mehr an das Bild denken, wenn sie den Begriff durch naheliegende Worte wiedergegeben sehen (oder umgekehrt). Dies kommt vor allem dann vor, wenn das Wort der ungezwungene natürliche Ausdruck für die in der Bildmarke enthaltene Darstellung ist (OPM Om 6/96 = PBl 1999, 26 - CROCODILE; RIS-Justiz RS0079011).

4.2 Der Oberste Gerichtshof hat „Überkreuzverwechslungen" zwischen der Wortmarke „Tiere mit Herz" und dem Herzemblem auf einem Plüsch-Teddybären (4 Ob 302/86 = ÖBl 1986, 77 - Tiere mit Herz) wie auch zwischen der Wortmarke „Ritter" und der einen Ritter zu Pferd mit Schild und Speer zeigenden Bildmarke (4 Ob 13/94 = ÖBl 1994, 227 - Ritter/Knight) bejaht.

4.3 Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist durchaus vergleichbar. Wer den Werbespruch der Klägerin mit seinem Hinweis auf den Tequila mit dem Hut kennt, wird, sieht er den Tequila der Beklagten, annehmen, es handle sich um das Produkt der Klägerin, da auch der Tequila der Beklagten einen Hut trägt. Genauso nahe liegt es, dass er sich, verlangt er einen „Tequila mit dem Hut", mit dem Produkt der Beklagten zufrieden gibt.

5. Ob die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch auch auf den Schutz der bekannten Marke (§ 10 Abs 2 MSchG und Art 9 Abs 1 lit c GMV) stützen kann, kann offen bleiben. Ihr Unterlassungsbegehren ist schon nach Art 9 Abs 1 lit b GMV iVm Art 5 Abs 1 lit b MarkenRL und dem diese Bestimmung umsetzenden § 10 Abs 1 Z 2 MSchG berechtigt. Dem Revisionsrekurs der Klägerin war Folge zu geben und der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.

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